Rattan-Geheimnisse aus der Werkstatt: Worauf du beim Kauf & bei der Pflege wirklich achten musst
Rattan – das Material, das niemals aus der Mode kommt! Entdecke, warum es die perfekte Wahl für dein Zuhause ist.
„Ich bin der Wind, der durch die Bäume flüstert.“ So könnte Rattan sprechen, wenn es um seine Rolle in der Welt des Designs geht. Dieses faszinierende Naturmaterial hat die Fähigkeit, Räume zu verzaubern und gleichzeitig eine Geschichte von Beständigkeit und Wandel zu erzählen. Erlebe die Rückkehr der Rattanmöbel und ihre zeitlose Eleganz!
Ich hab schon so einiges an Holz in meinen Händen gehalten. Schwere Eiche, duftende Zirbe, harte Buche. Jedes hat seinen eigenen Kopf. Aber dann gibt es da dieses eine Material, das irgendwie aus der Reihe tanzt. Es ist kein Holz, fühlt sich fast federleicht an und ist trotzdem unglaublich zäh. Ich rede von Rattan.
Inhaltsverzeichnis
- Die Grundlage verstehen: Was Rattan wirklich ist
- Vom Rohr zum Möbel: Ein kurzer Blick in die Werkstatt
- Qualität erkennen: Dein Spickzettel für die Schatzsuche
- Die richtige Pflege: Damit deine Möbel lange Freude machen
- Der größte Mythos: Rattanmöbel für den Garten
- Die Gretchenfrage: Kann man Rattan eigentlich streichen?
- Ein Fazit aus der Werkstatt
Viele denken bei Rattan sofort an die etwas verstaubten Stühle auf der Terrasse der Großeltern oder an billige Körbe aus dem Deko-Laden. Ganz ehrlich? Das ist ein riesiges Missverständnis. Für uns in der Werkstatt ist Rattan eine faszinierende Herausforderung. Es verzeiht keine Ungeduld, aber belohnt Sorgfalt mit Formen, die man aus massivem Holz niemals herausbekommen würde.
Dieser Text hier ist keine Hochglanz-Broschüre. Ich will dir mein Wissen aus der Praxis mitgeben – ganz ohne Fachchinesisch. Ich erklär dir, was Rattan wirklich ist, wie du echte Qualität erkennst und wie du deine Schätze pflegst, damit sie dich ein Leben lang begleiten. Und wir räumen mal mit dem größten Mythos überhaupt auf: Rattan im Garten. Denn nichts tut einem Handwerker mehr weh, als ein gutes Material falsch behandelt zu sehen.

Die Grundlage verstehen: Was Rattan wirklich ist
Das Wichtigste zuerst: Rattan ist kein Holz. Es ist der verholzte Trieb einer Kletterpalme, der Rotangpalme, die in den tropischen Wäldern Südostasiens wächst. Der entscheidende Unterschied zu Bambus, der oft verwechselt wird: Bambus ist hohl, Rattan hat einen massiven, faserigen Kern. Genau das macht es so genial: extrem biegsam, aber gleichzeitig wahnsinnig zugfest. Man könnte es fast verknoten, ohne dass es bricht.
Nach der Ernte – eine echte Knochenarbeit von Hand – werden die Lianen getrocknet und sortiert. Nur die besten, gleichmäßig gewachsenen Stangen ohne Fehler schaffen es in die Möbelproduktion.
Ach ja, und dann gibt es da noch ein paar Begriffe, die ständig durcheinanderfliegen. Lass uns das mal kurz aufdröseln:
- Rattan (oder Manau): Das ist die komplette, dicke Stange. Daraus werden die tragenden Rahmen für Stühle und Sessel gebaut.
- Peddigrohr: Das ist das faserige Herz der Rattan-Stange. Es wird maschinell herausgetrennt und für die feinen Flechtarbeiten und die Zierwicklungen an den Verbindungen genutzt.
- Wiener Geflecht: Kennst du von den klassischen Kaffeehausstühlen, oder? Das wird aus der harten, glatten Außenschicht der Rattan-Stange geschnitten. Super widerstandsfähig!
Ein typischer Rattanstuhl ist also ein Teamplayer: Der Rahmen ist aus Rattan, die Wicklungen aus Peddigrohr und die Sitzfläche vielleicht aus Wiener Geflecht. Alles von derselben Pflanze, aber jeder Teil hat seinen eigenen Job.

Vom Rohr zum Möbel: Ein kurzer Blick in die Werkstatt
Ein Rattanmöbel entsteht fast ausschließlich in Handarbeit. Der Kernprozess ist seit Ewigkeiten derselbe. Zuerst müssen die trockenen Stangen in einem Dampfkasten mit heißem Dampf (um die 100°C) geschmeidig gemacht werden. Hier ist pures Fingerspitzengefühl gefragt. Zu kurz drin, und die Stange bricht beim Biegen. Zu lang, und die Struktur leidet.
Danach muss es blitzschnell gehen. Man hat nur wenige Minuten, um die heiße, fast gummiartige Stange über eine Schablone in die gewünschte Form zu biegen. Das braucht Kraft und Entschlossenheit. Ich hab mal einen jungen Kollegen gesehen, der bei einer Armlehne zu zögerlich war. Die Stange kühlte ab – und mit einem lauten Knacken war das gute Stück hinüber.
Einmal in Form gebracht, muss das Rattan mehrere Tage trocknen. Erst dann ist die Biegung dauerhaft. Billig produzierte Möbel werden oft nicht lange genug getrocknet und verlieren mit der Zeit ihre Form. Das A und O sind aber die Verbindungen. Die werden nicht einfach geleimt, sondern klassischerweise mit feuchtem Peddigrohr bombenfest umwickelt. Wenn diese Wicklung trocknet, zieht sie sich unglaublich fest zusammen. Eine saubere, enge Wicklung ist deshalb ein absolutes Qualitätsmerkmal.

Qualität erkennen: Dein Spickzettel für die Schatzsuche
Der Markt ist voll mit Rattanmöbeln und die Preisunterschiede sind gewaltig. Aber wie trennst du die Spreu vom Weizen? Hier ist meine persönliche Checkliste.
Worauf du beim Material achten solltest:
- Die Oberfläche: Fahr mit der Hand drüber. Gutes Rattan fühlt sich glatt an. Raue Stellen oder Splitter deuten auf schlechte Qualität hin.
- Die Farbe: Leichte Farbunterschiede sind normal, es ist ja ein Naturprodukt. Aber die Stangen sollten einen ähnlichen Ton und vor allem einen gleichmäßigen Durchmesser haben.
- Der Lack: Hochwertige Stücke haben oft nur einen dünnen Schutzlack. Fühlt sich die Oberfläche dick und klebrig an, wurden oft Fehler im Material kaschiert.
Die Verarbeitung im Check:
- Der Ruckel-Test: Setz dich rein! Belaste die Armlehnen. Ein gutes Möbelstück ist sofort stabil. Es darf leicht federn, aber auf keinen Fall wackeln oder stark knarren.
- Die Wicklungen: Schau dir die Verbindungen genau an. Sind sie eng, sauber und gleichmäßig? Oder sieht man Lücken und lose Enden?
- Das Geflecht: Die Sitzfläche muss straff sein. Drück mit dem Daumen drauf – sie sollte nur leicht nachgeben und sofort zurückfedern.
Übrigens, bei der Suche nach guten Stücken lohnt sich der Blick auf Flohmärkte oder in Online-Portalen wie eBay Kleinanzeigen. Ich habe mal einen alten Sessel vom Sperrmüll gerettet, der sah furchtbar aus. Aber die Grundsubstanz war top. Nach einer gründlichen Reinigung und kleinen Reparaturen war er wieder ein echtes Schmuckstück. Solche Funde kosten oft nur zwischen 20 € und 60 €, je nach Zustand.

Gut zu wissen: Was darf das kosten? Ein neuer, hochwertiger Rattansessel von einem europäischen Hersteller kann gut und gerne zwischen 400 € und 800 € kosten. Muss die Sitzfläche (das Wiener Geflecht) bei einem alten Stuhl mal erneuert werden, solltest du bei einem Fachmann je nach Größe und Aufwand mit 150 € bis 300 € rechnen.
Die richtige Pflege: Damit deine Möbel lange Freude machen
Rattan ist robust, aber nicht unsterblich. Der größte Feind ist trockene Heizungsluft im Winter. Die Fasern trocknen aus, werden spröde und können brechen. Das typische Knacken beim Hinsetzen ist oft das erste Warnsignal.
Kleiner Tipp mit großer Wirkung: Dein Stuhl knackt verdächtig? Stell einfach über Nacht eine Schale mit Wasser daneben. Das erhöht lokal die Luftfeuchtigkeit und ist die beste Erste Hilfe für durstige Rattan-Fasern!
Zur Reinigung reicht meist ein Staubsauger mit Bürstenaufsatz. Bei Flecken nimmst du ein nebelfeuchtes Tuch mit einer ganz milden Seifenlauge (z. B. ein paar Tropfen Spüli ohne Balsam auf einen Liter Wasser). Wichtig: Niemals nass wischen! Zu viel Feuchtigkeit führt zu Stockflecken.

Mini-Anleitung für Anfänger: Lose Wicklung selbst reparieren Löst sich mal das Ende einer Wicklung? Kein Problem, das kriegst du selbst hin: 1. Nimm einen Zahnstocher und einen Klecks normalen Holzleim (z.B. Ponal). 2. Tupfe den Leim vorsichtig unter die lose Wicklung. 3. Drück alles fest und fixiere die Stelle für etwa eine Stunde mit einem Streifen Malerkrepp. Hält wieder bombenfest!
Für die Auffrischung der Oberfläche kannst du farbloses Antikwachs benutzen, das du in der Holzpflege-Abteilung im Baumarkt findest. Das nährt die Fasern und gibt einen schönen, seidenmatten Glanz zurück.
Der größte Mythos: Rattanmöbel für den Garten
Und jetzt zum Punkt, der mir wirklich am Herzen liegt. Immer wieder wird echtes Rattan für den Garten beworben. Das ist grundlegend falsch und führt zwangsläufig zu kaputten Möbeln.
Echtes Rattan ist NICHT wetterfest. Regen lässt es aufquellen und schimmeln. Die UV-Strahlen der Sonne zersetzen die Fasern und machen es spröde und rissig. Nach ein, zwei Sommern in der prallen Sonne ist selbst das teuerste Stück reif für den Müll. Achtung! Ein durch Feuchtigkeit geschädigter Rattanstuhl ist nicht mehr sicher und kann ohne Vorwarnung brechen.
Was du stattdessen für den Garten kaufst, ist Polyrattan. Das ist ein Kunststoff (Polyethylen), der auf einen wetterfesten Aluminiumrahmen geflochten wird. Polyrattan ist für draußen perfekt – pflegeleicht und robust. Aber es ist und bleibt Plastik. Es hat nicht die warme, natürliche Haptik und den Charakter von echtem Rattan. Beides hat seine Berechtigung, aber bitte verwechsle sie nicht!
Die Gretchenfrage: Kann man Rattan eigentlich streichen?
Diese Frage höre ich ständig. Und meine ehrliche Antwort als Profi ist: Ich bin kein großer Fan davon. Warum? Du versiegelst die natürliche Oberfläche und verlierst die einzigartige Haptik des Materials. Außerdem kann die Farbe an den flexiblen Verbindungen mit der Zeit reißen und abblättern. Und glaub mir, Lack von einem Geflecht wieder runterzubekommen, ist die Hölle.
Wenn du es aber unbedingt tun willst, dann bitte richtig: Reinige das Möbelstück gründlich, raue es ganz leicht an und benutze eine flexible Grundierung und am besten Sprühlack für eine gleichmäßige Schicht. Aber überleg es dir gut – der natürliche Look ist fast immer die schönere und langlebigere Wahl.
Ein Fazit aus der Werkstatt
Rattan ist für mich ein Material mit Seele. Es ist nachhaltig, weil es viel schneller nachwächst als die meisten Bäume, und es steckt eine unglaubliche Handwerkskunst darin. Ein gut gemachtes Rattanmöbel ist leicht, stabil und bringt ein Stück Natur ins Haus, das eine Geschichte erzählt.
Ich hoffe, du siehst diese Möbel jetzt mit anderen Augen. Fühl das Material, prüfe die Verarbeitung und schätze die Arbeit, die drinsteckt. Wenn du es gut behandelst, hast du nicht nur ein Möbelstück, sondern einen treuen Begleiter für viele, viele Jahre. Und genau das macht gutes Handwerk doch aus.