Vom Holzbrett zum Palast: Ein Blick in die Trickkiste des Kulissenbaus

Will Smith als Dschinni – ein magischer Twist auf den Klassiker! Entdecke die faszinierenden Neuigkeiten zur Aladdin-Verfilmung.

von Michael von Adelhard

Wenn die meisten Leute einen großen Abenteuerfilm sehen, eine dieser Geschichten aus einer fernen, magischen Welt, dann sehen sie Abenteuer, Romantik und Zauberei. Das sehe ich auch, klar. Aber als jemand, der sein Leben lang Kulissen baut, sehe ich eben auch noch etwas anderes. Ich sehe die Arbeit dahinter. Ich sehe die Statik, die den Palast zusammenhält, die genaue Materialwahl für die Marktstände und die unzähligen Stunden, die allein in die verwitterte Optik einer simplen Mauer geflossen sind. Für mich ist ein Filmset eine riesige, temporäre Baustelle. Ein spannender Ort, an dem sich traditionelles Handwerk und modernste Technik treffen – und manchmal auch ordentlich aneinandergeraten.

In meiner Werkstatt habe ich über die Jahre viele junge Leute ausgebildet. Ich versuche ihnen immer zu vermitteln, dass unser Beruf so viel mehr ist als nur Sägen und Schrauben. Es geht darum, eine Illusion zu erschaffen, die für die Kamera absolut echt wirkt. Ein Film, der in einer fiktiven orientalischen Stadt spielt, ist dafür perfektes Lehrmaterial. Er zeigt genau die Zwickmühle, in der wir heute stecken.

erste fotos zum aladdin, will smith verkörpert dschinni der flaschengeist, eine prinzessin mit einem langen grünen kleid und ogrringen und einer krone

Wann bauen wir eine Kulisse noch von Hand? Und wann überlassen wir das Feld dem Computer und dem Greenscreen? Das ist nicht nur eine Frage des Budgets. Es ist eine Frage der Philosophie und des Gefühls dafür, was ein Schauspieler und am Ende auch der Zuschauer braucht, um eine Geschichte wirklich zu spüren.

Also, komm doch einfach mal mit auf einen kleinen Rundgang hinter die Leinwand. Ich zeig dir, was es wirklich bedeutet, eine solche Welt zu bauen. Eine Welt aus Holz, Gips und Farbe, aber eben auch aus Daten und Pixeln. Eine Welt, die fest auf den Regeln der Physik steht, selbst wenn in ihr ein Flaschengeist zu Hause ist.

Das Fundament: Ohne Statik keine Magie

Ein Palast für einen Film ist natürlich kein echter Palast. Klingt logisch, oder? Aber die Unterschiede sind fundamental. Ein echtes Gebäude wird für die Ewigkeit gebaut, oder zumindest für Jahrzehnte. Es muss Wind, Wetter und der Schwerkraft trotzen. Eine Filmkulisse hingegen muss „nur“ für die Dauer der Dreharbeiten halten. Ihre wichtigste Eigenschaft ist nicht Langlebigkeit, sondern Wandelbarkeit und, ganz wichtig, Leichtigkeit.

Will Smith als Dschinni

Die Basis unserer Arbeit ist meistens eine simple Holz- oder manchmal auch eine Stahlkonstruktion. Wir bauen im Grunde Gerippe, die später verkleidet werden. Und hier kommt schon die erste wichtige Entscheidung: das Material. Für Wände nehmen wir oft Sperrholz- oder OSB-Platten. Die sind stabil, lassen sich gut bearbeiten und sind im Budget gut unterzubringen. So eine OSB-Platte bekommst du im Baumarkt schon für rund 8 bis 12 Euro pro Quadratmeter.

Wenn wir aber massive Felsen oder große, geschwungene Formen brauchen, greifen wir zu Styropor. In der Werkstatt riecht es dann oft nach heißem Draht, mit dem wir riesige Blöcke in Form schneiden. Das Zeug ist federleicht, was den Transport und den Aufbau am Set unglaublich erleichtert. Du kannst einen Felsen, der im Film uneinnehmbar wirkt, locker mit zwei Leuten an seinen Platz tragen.

Achtung, das hat natürlich seine Tücken! Styropor allein ist weich und brennbar. Deshalb muss es beschichtet werden, meist mit Gips oder einem speziellen, harten Kunststoff. Das gibt der Oberfläche die nötige Festigkeit. Noch wichtiger ist aber der Brandschutz. Jedes Material am Set muss bestimmte Brandschutzklassen erfüllen, meist die sogenannte B1-Klassifizierung.
Gut zu wissen: Das bedeutet, dass das Material zwar schmilzt oder verkohlt, aber nicht von allein weiterbrennt, wenn die Zündquelle entfernt wird. Sicherheit hat einfach immer Vorrang. Alle unsere Konstruktionen müssen zudem von einem Statiker geprüft und abgenommen werden, besonders wenn Schauspieler darauf klettern oder agieren. Da gibt es ganz klare Vorschriften.

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Die hohe Kunst der Täuschung

Unsere eigentliche Aufgabe ist es, Materialien so zu verwenden, dass sie wie etwas völlig anderes aussehen. Eine Holzwand wird mit der richtigen Spachteltechnik und Farbe zu einer alten Steinmauer. Eine Kunststoffplatte kann mit der passenden Lackierung wie rostiges Metall wirken. Das ist der Kern unseres Handwerks: die Oberfläche. Wir denken immer daran, was die Kamera sieht. Eine Rückwand, die nie im Bild ist, bleibt oft einfach roh und unverkleidet. Das spart Zeit und Geld. Stell dir das mal vor: Auf der einen Seite siehst du eine prächtige, alte Steinmauer. Wenn du aber einen Schritt dahinter machst, stehst du plötzlich in einem Labyrinth aus rohen Holzlatten, Kabeln und Stützen. Das ist immer wieder ein surrealer Anblick und das kleine Geheimnis hinter der Magie.

Handfeste Kulisse gegen den grünen Kasten: Der ewige Kampf

Die größte Veränderung in meinem Job war ohne Frage die Digitalisierung. Früher haben wir alles gebaut. Wenn ein Film in der Wüste spielte, sind wir in die Wüste gefahren oder haben tonnenweise Sand ins Studio gekarrt. Heute steht der Schauspieler oft vor einer riesigen grünen oder blauen Wand, dem Greenscreen. Der Hintergrund wird dann später am Computer eingefügt.

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Für ein Projekt wie eine fiktive Wüstenstadt ist die Entscheidung „bauen oder digital“ absolut zentral. Nehmen wir mal den Marktplatz. Man hätte ihn komplett digital erstellen können. Die Profis haben sich aber oft dafür entschieden, große Teile davon real zu bauen. Eine kluge Entscheidung, und aus Erfahrung kann ich dir sagen, warum: Schauspieler agieren einfach besser in einer echten Umgebung. Sie können eine Wand berühren, sich an eine Theke lehnen, über echtes Geröll stolpern. Das erdet die Darstellung ungemein. Auch das Licht fällt viel realistischer. Ein echter Sonnenstrahl, der durch einen echten Torbogen fällt, wirft Schatten und Reflexionen, die am Computer nur sehr aufwendig nachzubilden sind.

Der Greenscreen hat aber auch seine Vorteile, ganz klar. Willst du einen atemberaubenden Blick über eine riesige Stadt bis zum Horizont? Das digital zu machen ist unschlagbar in Sachen Kosten und Flexibilität. Es ist also kein „entweder/oder“, sondern ein kluges „sowohl/als auch“.

Die perfekte Mischung: Wenn Bau und Pixel Hand in Hand gehen

Die beste Lösung ist fast immer eine Mischung aus beidem. Wir bauen den Vordergrund und die Elemente, mit denen die Schauspieler direkt interagieren. Der Palast könnte zum Beispiel im Erdgeschoss komplett real gebaut sein. Die Schauspieler gehen durch echte Türen und stehen auf echten Balkonen. Die oberen Stockwerke und die weitläufige Stadt im Hintergrund werden dann digital ergänzt. Unsere Aufgabe ist es, den Übergang nahtlos zu gestalten. Dafür bringen wir zum Beispiel kleine Markierungen, sogenannte „Tracker“, an der Kulisse an. Diese helfen dem Computer später, die Kamerabewegung genau zu verfolgen und den digitalen Hintergrund perfekt einzupassen.

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Ein tolles Beispiel ist eine magische Figur, die ihre Form ändern kann. In menschlicher Gestalt ist sie ein Fall für Kostüm und Maske. Sobald sie aber zu einem riesigen, blauen Geist wird, ist sie eine rein digitale Schöpfung. Wenn dieser digitale Riese nun eine Säule berührt, muss diese im richtigen Moment vielleicht zerbröseln. Und das ist dann wieder unsere Aufgabe. Wir bauen eine sogenannte „Breakaway“-Säule. Das ist keine Hexerei. Meistens ist sie aus leichtem Material wie Gips oder einem speziellen Harz gefertigt und an strategischen Stellen vorgeschwächt. Ein kleiner, oft versteckter mechanischer Auslöser oder manchmal sogar ein Mitarbeiter, der im richtigen Moment an einem Draht zieht, sorgt dann dafür, dass die Säule spektakulär, aber kontrolliert zerbricht. Perfektes Timing ist hier alles!

Die Seele der Kulisse: So entsteht eine glaubwürdige Welt

Eine frisch gebaute Kulisse sieht aus wie eine frisch gebaute Kulisse: sauber, neu und irgendwie künstlich. Sie hat keine Geschichte. Unsere wichtigste Aufgabe nach dem reinen Bau ist es, ihr eine Seele zu geben. Wir nennen diesen Prozess „Patinieren“ oder „Altern“. Und hier, ganz ehrlich, trennt sich die Spreu vom Weizen. Das ist wahre Kunst, die jahrelange Übung erfordert.

aladdin, prinzessin jasmin mit einem langen roten kleid und eine große braune treppe

Ich erkläre das meinen Lehrlingen immer so, vielleicht hilft es dir ja auch für ein eigenes Projekt:

  • Schritt 1: Die Grundierung. Fang immer dunkel an! Wir überziehen die ganze Fläche (z.B. eine „Steinmauer“) mit einer stark verdünnten, dunklen Farbe, einer Lasur. Die läuft in alle Fugen und Ritzen.
  • Schritt 2: Schmutz und Abnutzung. Jetzt kommt der Trick: Noch bevor die Lasur trocken ist, wischst du sie von den erhabenen Stellen mit einem Lappen wieder ab. So bleibt die dunkle Farbe nur in den Vertiefungen zurück, genau wie echter, alter Schmutz.
  • Schritt 3: Die Lichter setzen. Nimm einen fast trockenen Pinsel mit ganz wenig heller Farbe (das nennt man „Trockenbürsten“) und fahre damit ganz leicht über die Kanten und erhabenen Strukturen. Das erzeugt einen plastischen, dreidimensionalen Effekt und simuliert die Abnutzung durch Wetter und Menschen.
  • Schritt 4: Die kleinen Details. Um Moos zu simulieren, mischen wir manchmal Sägespäne oder Kaffeesatz in grüne Farbe. Für rostige Metallspuren gibt es spezielle Effektfarben, aber auch verdünnte Braun- und Orangetöne tun es. Hier ist Kreativität gefragt!

Man muss verstehen, wie die Natur arbeitet. Wo würde Regenwasser ablaufen? Wo würde die Sonne die Farbe ausbleichen? Dafür schauen wir uns Hunderte von Fotos an, zum Beispiel aus Marokko oder dem alten Persien. Es geht nicht darum, etwas exakt zu kopieren, sondern darum, die Prinzipien der Verwitterung glaubwürdig anzuwenden.

Profi-Tipps für dein eigenes Projekt

Und jetzt mal ehrlich: Vielleicht baust du ja kein riesiges Filmset, aber ein cooles Cosplay, eine Theaterkulisse für die Schule oder den Hintergrund für deinen YouTube-Kanal? Viele unserer Tricks funktionieren auch im Kleinen!

Ein häufiger Fehler ist, zu teures Material zu kaufen. Du brauchst keinen zertifizierten Theaterschaumstoff. Geh in den Baumarkt und hol dir günstige Styrodur-Dämmplatten. Die sind super stabil, lassen sich toll schnitzen und kosten einen Bruchteil. Ein einfacher, aber überzeugender Marktstand für eine Theaterkulisse? Da stecken schnell mal 40 bis 60 Arbeitsstunden drin, vom ersten Sägeschnitt bis zum letzten Pinselstrich – aber die Materialkosten kannst du mit kluger Wahl niedrig halten.

Ach ja, und was ist in meiner Werkzeugkiste für 90 % aller Jobs? Nicht so viel, wie du denkst:
Ein guter Akku-Schrauber, eine Kappsäge für präzise Schnitte, ein Druckluft-Tacker (spart unglaublich viel Zeit!), ein Heißdrahtschneider für Schaumstoffe und ein kleines Sortiment an japanischen Zugsägen für die feinen Arbeiten. Mehr braucht es oft nicht.

Fazit: Handwerk bleibt unersetzlich

Am Ende der Dreharbeiten wird unsere Arbeit oft einfach abgerissen. Ein Palast, an dem wir monatelang gebaut haben, verschwindet in wenigen Tagen in Containern. Das mag für Außenstehende traurig klingen. Aber unsere Arbeit ist ja nicht für die Ewigkeit gemacht. Sie lebt auf der Leinwand weiter. Und darin liegt eine riesige Befriedigung.

Filme zeigen immer wieder, dass unser Handwerk auch im digitalen Zeitalter unverzichtbar ist. CGI kann fantastische Welten erschaffen, aber es braucht oft eine physische Grundlage, um glaubwürdig zu sein. Die beste Magie entsteht, wenn der digitale Geist durch einen echten, handgefertigten Basar schwebt.

Für mich und meine Kollegen bleibt die Freude am Schaffen, am Lösen von Problemen und am Bauen von Dingen mit den eigenen Händen. Auch wenn die Kulissen fallen, das Wissen und die Erfahrung bleiben. Und die nächste Baustelle, die nächste Illusion, wartet schon.

Michael von Adelhard

Michael von Adelhard ist 31 Jahre alt. Er arbeitet seit vielen Jahren als Journalist für einige der erfolgreichsten Nachrichten-Portale Deutschlands. Autor vieler Bücher und wissenschaftlicher Publikationen zum Thema «Einfluss sozialer Medien auf Jugendliche«. Schreibt über Themen wie Lifestyle, Umweltschutz, sowie Tech and Gadgets. In seiner Freizeit ist er häufig mit dem Fahrrad unterwegs – so schöpft er Inspiration für seine neuen Artikel.