Bauen unter Wasser: Was wirklich hinter einem im Meer versenkten Gebäude steckt

Essen unter Wasser? Ja, das gibt es wirklich! Entdecke das faszinierende Unterwasser-Restaurant „Under“ in Norwegen.

von Michael von Adelhard

Ich habe in meiner Laufbahn als Handwerksmeister schon so einiges gesehen. Wir haben auf wackligem Baugrund massive Fundamente gegossen und tonnenschwere Fertigteile millimetergenau montiert. Aber ganz ehrlich: Ein komplettes Gebäude absichtlich im Meer zu versenken, das ist einfach eine andere Liga. Es gibt da dieses berühmte Restaurant an einer rauen Küste Skandinaviens. In Hochglanzmagazinen wird es als kulinarisches Wunder oder architektonisches Kunstwerk gefeiert. Für mich als Praktiker ist es aber vor allem eins: ein brutal ehrliches Lehrstück über die Grenzen der Bautechnik.

Wenn man die Bilder sieht, denkt man an Design, Luxus und den tollen Ausblick. Ich sehe da etwas völlig anderes. Ich sehe den permanenten Kampf des Betons gegen den unerbittlichen Druck des Wassers. Ich sehe die panische Angst der Ingenieure vor der kleinsten Undichtigkeit und die ständige Sorge vor Korrosion.

Vergesst also mal für einen Moment das Menü. Ich will euch erzählen, was es wirklich bedeutet, so ein Bauwerk zu planen, zu errichten und vor allem am Leben zu erhalten. Wir schauen uns die knallharte Physik an, die Tricks der Profis und die Risiken, über die sonst keiner so gern spricht. Denn hinter der schicken Fassade steckt vor allem eins: verdammt präzise Handwerkskunst.

fünf tische aus holz und stühle aus holz in einem unterwasser lokal mit einem großen panoramafenster, meer, wasser

Die Gegner: Der Ozean, der Druck und die Zeit

Um zu kapieren, warum so ein Bauwerk eine technische Meisterleistung ist, müssen wir über die Grundlagen reden. Hier geht es nicht um Geschmack, sondern um Physik und Materialkunde. Jede einzelne Schraube, jede Fuge basiert auf diesen Fakten.

Der stille Feind: Hydrostatischer Druck

Wasser ist schwer. Ein Kubikmeter wiegt eine Tonne. Je tiefer du tauchst, desto mehr Wasser lastet auf dir. Das ist der hydrostatische Druck. In fünf Metern Tiefe, wo das riesige Panoramafenster des Restaurants liegt, herrscht ein Druck von etwa 0,5 bar. Klingt erstmal nicht nach viel, oder? Dein Autoreifen hat ja schon über 2 bar.

Aber der Teufel steckt in der Fläche. Das Fenster dort ist gigantisch, ungefähr 11 Meter breit und über 3 Meter hoch. Das sind mehr als 37 Quadratmeter. Rechnen wir das mal kurz durch: 0,5 bar entsprechen rund 5 Tonnen Druck pro Quadratmeter. Auf die gesamte Fensterfläche drücken also permanent fast 190 Tonnen. Das ist, als würden sich mehr als 30 ausgewachsene Elefanten ununterbrochen gegen das Glas lehnen. Tag und Nacht. Jede Sekunde.

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Dieser Druck ist der eine Faktor, der absolut alles bestimmt. Jedes Material, jede Verbindung, jede Dichtung muss dieser Last standhalten. Ein winziger Rechenfehler hätte hier katastrophale Folgen.

Beton ist nicht gleich Beton

Warum also ausgerechnet Beton? Beton ist ein geniales Material für den Unterwasserbau, denn seine größte Stärke ist die enorme Druckfestigkeit. Den Wasserdruck steckt er locker weg. Aber für so ein Projekt nimmst du natürlich nicht den Beton vom Baumarkt um die Ecke.

Wir sprechen hier von einem hochspezialisierten, wasserundurchlässigen Beton, kurz WU-Beton. Der ist so dicht gemischt, dass Wasser einfach nicht durchsickern kann. Das Geheimnis liegt in der perfekten Rezeptur aus Zement, Gesteinskörnung, Wasser und speziellen Zusatzmitteln. Ein entscheidender Faktor ist der sogenannte Wasserzementwert. Zu viel Wasser im Mix erzeugt winzige Poren – und genau da würde die Feuchtigkeit später angreifen.

Die zweite große Gefahr unter Wasser ist die Korrosion. Meerwasser enthält Chloride, und die sind pures Gift für den Stahl im Beton. Sie dringen langsam ein, greifen die Stahlbewehrung an, und rostender Stahl dehnt sich aus. Die Folge: Er sprengt den Beton von innen. Um das zu verhindern, braucht man zwei Dinge:

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  1. Eine extrem dichte Betonmischung: Spezielle Zemente, wie Hochofenzement, sind viel widerstandsfähiger gegen Chloride.
  2. Eine dicke Betondeckung: Das ist die Schutzschicht aus Beton über dem Stahl. Bei Bauten im Meerwasser sind mindestens 5 bis 7 Zentimeter vorgeschrieben. Bei diesem Projekt sind die Wände aber gleich einen halben Meter dick. Das ist ein massiver Schutzwall für den Stahlkern.

Ach ja, und die raue Oberfläche der Außenhülle? Die wurde absichtlich so gestaltet. Wusstest du schon, dass hier Meeresbiologen mitgeplant haben? Die raue Struktur dient als künstliches Riff, an dem sich Muscheln und Algen ansiedeln. Das ist nicht nur ökologisch clever, sondern bildet mit der Zeit auch eine natürliche Schutzschicht für den Beton.

Das Fenster: Warum Acrylglas Glas schlägt

Das Herzstück ist natürlich das riesige Fenster. Viele denken, das wäre Panzerglas, aber das stimmt nicht. Es ist Acrylglas (PMMA), und das aus einem verdammt guten Grund: Sicherheit.

Normales Glas ist zwar extrem hart, aber eben auch spröde. Unter dem ungleichmäßigen Druck der Wellen könnte es ohne Vorwarnung einfach zerspringen. Acrylglas hingegen ist viel zäher und flexibler. Es gibt unter Last leicht nach und biegt sich minimal durch. Und sollte es durch einen extremen Aufprall doch mal beschädigt werden, reißt es eher, anstatt in tausende gefährliche Splitter zu zerspringen. Und wir reden hier nicht von einer dünnen Scheibe – das Ding ist fast 30 Zentimeter dick!

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Der absolut kritischste Punkt ist aber die Fuge, also die Verbindung zwischen der Acrylglasscheibe und der Betonwand. Ehrlich gesagt, Fugen sind auf jeder Baustelle die Achillesferse. Ich erinnere mich an eine Tiefgarage, die wir saniert haben. Da sickerte nur ein winziges Rinnsal durch eine schlecht gemachte Fuge zwischen Wand und Boden. Nach ein paar Jahren war der Schaden enorm. Jetzt stell dir das mal mit dem Druck von 190 Tonnen vor! Diese Fuge muss Bewegungen ausgleichen und dabei absolut, 1000-prozentig wasserdicht sein. Hier wird mit speziellen, dauerelastischen Dichtmassen und komplexen Ankern gearbeitet. Das ist der Punkt, der den Ingenieuren nachts den Schlaf raubt.

Die verrückte Logistik: Wie man ein Haus im Meer versenkt

So ein Gebäude gießt man natürlich nicht einfach unter Wasser. Der ganze Prozess ist eine minutiös geplante Operation, die mehr an Schiffbau oder die Offshore-Industrie erinnert.

Gebaut im Trockenen

Die über 30 Meter lange Betonröhre wurde nicht im Meer, sondern ganz gemütlich an Land auf einem Lastkahn gebaut. Das hat riesige Vorteile. Im Trockendock hast du eine kontrollierte Umgebung. Du kannst die Betonqualität ständig prüfen, die Schalung exakt ausrichten und den Stahl präzise verlegen. Alle Fenster und Leitungen werden hier schon passgenau eingebaut.

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Stell dir mal vor, du müsstest das bei Wind und Wellen auf dem Meer machen – unmöglich. Die Qualitätssicherung wäre ein Albtraum. So stellt man sicher, dass der Baukörper perfekt ist, bevor er auch nur einen Tropfen Wasser sieht.

Der Stapellauf: Kontrolliertes Sinken statt Bauen

Der heikelste Akt war dann das Absenken. Der Lastkahn mit dem fertigen Restaurant wurde an die exakte Position geschleppt. Dann begann das große Zittern: das Fluten. Durch das gezielte Einlassen von Wasser in Ballasttanks wurde die Röhre ganz langsam und kontrolliert ins Meer abgesenkt. Ein Team aus Ingenieuren und Bautauchern steuert jeden Millimeter per Computer.

Als die Röhre ihre endgültige Position auf dem vorbereiteten Fundament am Meeresboden erreichte, wurde sie mit massiven Felsankern fest im Untergrund verankert. Das verhindert, dass sie durch den Auftrieb wieder nach oben gedrückt wird oder bei einem Sturm verrutscht. Das ist Millimeterarbeit unter extremsten Bedingungen. Ein Fehler, und das millionenschwere Projekt – man munkelt von rund 20 Millionen Euro Baukosten – liegt als Schrotthaufen am Meeresgrund.

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Der Alltag unter Wasser: Ein ständiger Kampf

Ein Gebäude zu errichten ist eine Sache. Es über Jahrzehnte instand zu halten, eine ganz andere. Vor allem unter Wasser.

Fensterputzen für Profis

Das Meer ist voller Leben. Für die Gäste toll, für die Instandhaltung ein Albtraum. Algen und Muscheln besiedeln jede freie Oberfläche. Während der Bewuchs auf dem Beton gewollt ist, muss das Fenster natürlich sauber bleiben. Das bedeutet, dass regelmäßig professionelle Taucher anrücken und die Scheibe putzen müssen. Und zwar mit Spezialwerkzeug, das das empfindliche Acryl nicht zerkratzt. Das ist ein laufender Kostenfaktor, der schnell mal mehrere Tausend Euro pro Einsatz kosten kann.

Das Innenleben: Luft, Wasser und Sicherheit

Ein versiegelter Raum unter Wasser ist auch für die Haustechnik eine riesige Herausforderung.

  • Lüftung: Die Luft muss permanent ausgetauscht werden, um den Sauerstoffgehalt zu sichern und das CO₂ der Gäste abzuführen. Die Anlage muss extrem leistungsstark und absolut ausfallsicher sein.
  • Feuchtigkeit: Die Wände sind durch das Meerwasser eiskalt. Warme Luft im Inneren würde sofort kondensieren. Eine massive Klimaanlage und Entfeuchtung sind Pflicht, um Schimmel und Schäden zu vermeiden.
  • Sicherheit: Was passiert bei einem Brand? Es gibt nur einen langen Fluchtweg. Der Brandschutz muss also absolut perfekt sein, inklusive automatischer Löschanlage und einem Evakuierungsplan, der sitzt. Und was ist bei einem Stromausfall? Dann stehen Lüftung und Pumpen still. Deshalb sind fette Notstromaggregate, die im Notfall alles am Laufen halten, keine Option, sondern absolute Pflicht.
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Was du davon für deinen eigenen Keller lernen kannst

Okay, das klingt jetzt alles super exotisch. Aber die Prinzipien dahinter sind auch für den normalen Hausbau Gold wert. Wenn du gerade baust oder einen feuchten Keller hast, hör gut zu. Der WU-Beton, der das Restaurant schützt, ist genau das, was man für eine hochwertige „weiße Wanne“ im Kellerbau verwendet. Der Beton selbst ist die Dichtung. Und die kritischen Punkte sind exakt die gleichen: die Fugen! Die Verbindung zwischen Bodenplatte und Wänden muss absolut perfekt ausgeführt werden. Hier zu sparen, ist der größte Fehler, den man machen kann. Ein bisschen Grundwasser hat zwar nicht den Druck des Ozeans, aber es reicht locker, um dir über die Jahre den Keller zu fluten und die Bausubstanz zu ruinieren. Kleiner Tipp: Lass dir die Ausführung der Fugen immer ganz genau zeigen und dokumentieren!

Mein Fazit als Handwerksmeister

Ist so ein Projekt also ein riskantes Experiment oder eine Revolution? Aus meiner Sicht beides. Es ist ein Experiment, weil es die Grenzen des Machbaren auslotet und Risiken eingeht, die nur mit extrem hohem Aufwand beherrschbar sind. Die enormen Bau- und Betriebskosten zeigen, dass das kein Modell für die breite Masse ist.

großes panoramafenster eines unterwasser-lokals mit vielen stühlen und tischen aus holz, eine junge frau

Gleichzeitig ist es aber auch eine Revolution, weil es zeigt, was möglich ist, wenn Ingenieure, Planer und Handwerker perfekt zusammenarbeiten. Von diesem Projekt können wir alle lernen. Die Erkenntnisse fließen auch in bodenständigere Projekte ein, wie den Bau von Tunneln oder Brückenpfeilern.

Am Ende des Tages ist dieses Bauwerk für mich weniger ein Restaurant als vielmehr ein Denkmal für den menschlichen Erfindergeist und die Präzision des Handwerks. Es ist der Beweis, dass wir mit Respekt vor der Natur und einem tiefen Verständnis für die Physik selbst den unwirtlichsten Orten trotzen können. Aber es ist auch eine Mahnung: Solche Eingriffe erfordern immense Verantwortung, einen riesigen Aufwand und das ständige Bewusstsein für die Risiken. Ein echtes Meisterstück eben, in jeder Hinsicht.

Bildergalerie

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Wie dichtet man die Fuge zwischen meterdickem Beton und der riesigen Glasscheibe absolut wasserdicht ab?

Hier versagen herkömmliche Dichtstoffe. Die Lösung liegt in mehrstufigen Systemen und hochflexiblen Spezialmaterialien. Oft wird eine Kombination aus quellfähigen Dichtbändern, die bei Wasserkontakt ihr Volumen vergrößern, und extrem elastischen, UV- und salzwasserbeständigen Polyurethan-Dichtstoffen wie denen von Sika verwendet. Diese Fugen sind keine simple Silikonnaht aus dem Baumarkt; sie sind eine hochentwickelte, flexible Zone, die die minimalen Bewegungen von Beton und Glas bei Druck- und Temperaturschwankungen ausgleichen muss, ohne jemals ihre Dichtheit zu verlieren.

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Schon gewusst? Die Wartungs- und Reparaturkosten für eine Unterwasserstruktur können über ihre Lebensdauer das Drei- bis Fünffache der ursprünglichen Baukosten betragen.

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Spezialbeton: Die erste Wahl für Unterwasserbauten. Er ist nicht nur extrem druckfest, sondern seine Dichte und spezielle Zusammensetzung mit Zusätzen wie Flugasche oder Silikastaub machen ihn extrem widerstandsfähig gegen das aggressive Salzwasser und den Chlorideintrag, der die Stahlbewehrung zerfressen würde.

Mariner Stahl: Kommt oft für bestimmte Strukturelemente oder temporäre Spundwände zum Einsatz. Trotz spezieller Legierungen und Beschichtungen bleibt er anfällig für Korrosion. Sein großer Feind ist die elektrochemische Reaktion im Salzwasser, die konstante und kostspielige Wartung (z.B. kathodischen Korrosionsschutz) erfordert.

Michael von Adelhard

Michael von Adelhard ist 31 Jahre alt. Er arbeitet seit vielen Jahren als Journalist für einige der erfolgreichsten Nachrichten-Portale Deutschlands. Autor vieler Bücher und wissenschaftlicher Publikationen zum Thema «Einfluss sozialer Medien auf Jugendliche«. Schreibt über Themen wie Lifestyle, Umweltschutz, sowie Tech and Gadgets. In seiner Freizeit ist er häufig mit dem Fahrrad unterwegs – so schöpft er Inspiration für seine neuen Artikel.