Mehr als nur Pappe: Was ein Handwerker-Auge im Kino wirklich sieht

Ein fliegender Elefant und eine magische Zirkuswelt – entdecke die neue Dimension von Dumbo, die Herzen im Sturm erobert!

von Elke Schneider

Ich saß neulich mit meinem Enkel im Kino, es lief so ein großer Fantasy-Film. Die Augen von dem Kleinen haben geleuchtet. Für ihn war das pure Magie, eine echte Märchenwelt. Und, ganz ehrlich, für mich auch. Aber mein Auge, das Auge eines Handwerksmeisters, sieht eben noch ein paar andere Dinge. Ich sehe nicht nur die Geschichte, ich sehe die Arbeit dahinter. Ich sehe die Fugen im Gips, die Maserung des Holzes, die Schichten der Farbe. Für mich ist genau das die eigentliche Magie.

Viele glauben ja heute, im Kino käme alles aus dem Computer. Knopf drücken, fertig ist die Welt. Aber das ist ein großer Irrtum. Hinter jeder Hollywood-Produktion steckt immer noch unfassbar viel echtes Handwerk. Echte Menschen, die bauen, sägen, schrauben und malen. Sie schaffen die greifbare Welt, in der die Schauspieler agieren können. Ohne diese handfeste Grundlage würde die schickste digitale Illusion am Ende doch nur wie ein Fremdkörper wirken. Kommt mal mit, ich zeige euch, was mein geschultes Auge in so einem Film sieht. Eine Welt voller Technik, Tradition und handfester Problemlösungen, die dem normalen Zuschauer meist verborgen bleibt.

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Die Physik der Illusion: Wie man aus Schaumstoff eine Burg baut

Eine Filmkulisse muss vor allem eins: täuschen. Eine Steinmauer soll aussehen, als stünde sie seit Jahrhunderten, dabei wurde sie vielleicht erst gestern montiert und wiegt nur einen Bruchteil. Das ist keine Zauberei, sondern angewandte Materialkunde.

Das richtige Material ist die halbe Miete

Wir können natürlich keine echten Ziegelmauern bauen. Das wäre viel zu schwer, zu teuer und würde ewig dauern. Stattdessen greifen wir tief in die Trickkiste. Eine typische Kulissenwand besteht meist aus einer leichten Unterkonstruktion aus Holzlatten oder Aluprofilen. Darauf kommen dann Platten – oft Sperrholz, aber noch lieber Hartschaum, den die meisten als Styropor kennen.

Warum gerade Hartschaum? Ganz einfach: Er ist federleicht, spottbillig und lässt sich genial bearbeiten. Mit einem heißen Draht oder einer kleinen Fräse kannst du da mühelos Ziegelmuster, Risse oder Ornamente reinschneiden. Danach wird die Oberfläche mit einem speziellen Gips oder einer Kunststoffbeschichtung versiegelt. Das gibt der Wand die nötige Härte und eine Textur, die sich beim Klopfen fast echt anfühlt. Ein simpler Trick, der Unmengen an Gewicht und Kosten spart.

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Sicherheit geht immer vor – IMMER!

Aber auch die leichteste Wand muss absolut sicher stehen. Hier darf man niemals sparen. Sobald Schauspieler in der Nähe sind, gelten knallharte Regeln, die denen für „Fliegende Bauten“ ähneln – also Konstruktionen wie Zirkuszelte. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ein übereifriger Praktikant eine Wand nur mit Klebeband „gesichert“ hat. Das Ding ist fast auf eine 10.000-Euro-Kamera gekippt! Seitdem gilt bei mir: Lieber eine Schraube zu viel als eine zu wenig. Jede höhere Konstruktion braucht eine saubere statische Berechnung von einem Profi, und oft kommt vor Drehbeginn sogar ein Prüfer zur Abnahme. Das ist keine Schikane, das ist pure Notwendigkeit.

Die hohe Kunst des Alterns: So bekommt Holz eine Geschichte

Eine frisch gebaute Kulisse sieht steril aus, sie hat keine Seele. Unsere Aufgabe ist es, ihr diese Seele einzuhauchen. Wir nennen das Patinieren. Und das ist eine meiner liebsten Aufgaben, weil hier Technik auf Kunst trifft.

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Um Holz alt aussehen zu lassen, gibt es fantastische Tricks. Man kann es mit Drahtbürsten malträtieren, um die weichen Holzfasern zu entfernen und eine tiefe, verwitterte Struktur zu erzeugen. Oder, und das ist ein super Trick auch für zu Hause, man nutzt simple Chemie. Wusstest du eigentlich, dass das Eisen aus Stahlwolle mit der Gerbsäure im Holz reagiert und es grau färbt? Reine Chemie, die aussieht wie 100 Jahre alte Kunst!

Kleiner Tipp für eure Werkstatt: Holzaltern für unter 5 €
Lust, das selbst mal auszuprobieren? Ist total einfach:

  • 1. Die Brühe ansetzen: Nimm ein altes Gurkenglas, füll es mit normalem Haushaltsessig und stopf ein Knäuel feine Stahlwolle (ohne Seife!) hinein. Lass das Ganze ein, zwei Tage offen stehen, bis sich die Wolle auflöst.
  • 2. Holz vorbereiten: Schnapp dir ein billiges Brett aus Fichte oder Kiefer, am besten ein Reststück aus dem Baumarkt. Raue die Oberfläche mit einer Drahtbürste oder grobem Schleifpapier ordentlich auf.
  • 3. Magie wirken lassen: Pinsel die Essig-Stahlwolle-Brühe großzügig auf das Holz. Du kannst zusehen, wie es sich innerhalb von Minuten in ein verwittertes, altes Grau verwandelt.

Das Material dafür kriegst du in jedem Baumarkt. Die Stahlwolle kostet vielleicht 3 €, der Essig einen Euro. Ein genialer Effekt für fast kein Geld.

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Tricks aus der Meisterwerkstatt, die das Budget retten

In meiner Werkstatt bringe ich den jungen Leuten nicht nur bei, wie man eine Säge hält. Ich bringe ihnen bei, zu denken wie ein Problemlöser. Denn am Set ist Zeit immer der größte Feind.

Alles beginnt mit der Vision des Szenenbildners. Daraus erstellen wir detaillierte Werkzeichnungen, oft am Computer mit CAD-Programmen, um Fehler früh zu erkennen. Manchmal bauen wir sogar kleine Modelle im Maßstab 1:20, damit der Regisseur schon mal die Kamerafahrten planen kann, bevor wir überhaupt die erste Schraube angefasst haben.

Der geniale Trick mit der erzwungenen Perspektive

Manchmal müssen wir einen Raum viel größer erscheinen lassen, als er ist. Dafür nutzen wir einen alten Theatertrick: die erzwungene Perspektive. Stell dir eine Gasse vor. Damit sie für die Kamera länger wirkt, bauen wir sie so, dass sie nach hinten hin schmaler wird und der Boden leicht ansteigt. Die Türen und Fenster im Hintergrund sind dann physisch kleiner als die im Vordergrund. Fürs Objektiv entsteht so eine perfekte Tiefenillusion. Aber Achtung! Hier ist absolute Präzision gefragt. Ein paar Millimeter Abweichung können die ganze Illusion zerstören. Wie mein alter Meister schon sagte: „Zweimal messen, einmal sägen.“ Der Spruch ist alt, aber goldrichtig.

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Helden und Statisten: Warum nicht jedes Fass gleich ist

Im Film gibt es einen riesigen Unterschied zwischen einem „Hero Prop“ und einem „Background Prop“. Ein „Hero Prop“ ist ein Gegenstand, den der Hauptdarsteller in die Hand nimmt – der muss perfekt sein. Jeder Kratzer, jede Niete, alles muss stimmen.

Nehmen wir mal ein altes Holzfass als Beispiel. Das „Hero-Fass“, das der Held umstößt und das in Nahaufnahme zu sehen ist, wird aus echtem Holz gefertigt, mit handgeschmiedeten Metallreifen und sichtbaren Nieten. So ein Einzelstück kann schnell mal 800 € oder mehr kosten. Das Fass, das aber nur im Hintergrund in einer dunklen Ecke steht? Das ist oft nur ein leichter Kunststoff-Rohling, den wir für vielleicht 80 € schnell bemalt und verdreckt haben. Den Unterschied bemerkt kein Zuschauer, aber das Budget spürt ihn gewaltig. Die Kunst ist es, zu wissen, wo sich der Aufwand lohnt.

Deutsche Gründlichkeit trifft auf Hollywood-Effizienz

Ich hatte das Glück, auch mit internationalen Teams zu arbeiten, und glaub mir, die Arbeitsweisen sind oft grundverschieden. Die deutsche Handwerkstradition ist ja bekannt für Gründlichkeit und Langlebigkeit. Vor allem im Theaterbau, der Wiege des Kulissenbaus, wird oft für die Ewigkeit gebaut. Eine Kulisse für ein Repertoire-Theater muss hunderte Vorstellungen überleben, also nehmen wir stabiles Massivholz und solide Stahlverbindungen. Qualität steht über allem.

Die amerikanische Herangehensweise, besonders bei großen Filmproduktionen, ist da oft pragmatischer. Hier zählt maximale Effizienz. Die Kulisse muss nur für die paar Wochen des Drehs halten, danach wird sie meistens entsorgt. Deshalb wird dort noch viel mehr mit leichten Wegwerfmaterialien gearbeitet. Geschwindigkeit ist wichtiger als Haltbarkeit. Das ist kein Vorwurf, sondern einfach eine andere Anforderung. Ein Filmset ist eben ein temporäres Produkt, kein Erbstück. Persönlich versuche ich immer, das Beste aus beiden Welten zu verbinden: die Effizienz des amerikanischen Systems mit dem Qualitätsanspruch des deutschen Handwerks.

Wenn Digitales auf Handfestes trifft

Der Computer hat unsere Arbeit nicht ersetzt, ganz im Gegenteil. Er ist ein weiteres Werkzeug in unserem Kasten geworden. Die Zusammenarbeit zwischen uns Kulissenbauern und den Leuten von den visuellen Effekten (VFX) ist heute enger denn je.

Jeder kennt ja diese grünen oder blauen Wände (Greenscreens). Für uns ist das mehr als nur ein Eimer Farbe. So eine Fläche muss absolut perfekt sein: keine Falten, keine Schatten, keine Reflexionen. Oft bauen wir riesige, gerundete Übergänge vom Boden zur Wand, sogenannte Hohlkehlen, damit es keine harten Kanten gibt. Jeder Fehler hier bedeutet später unzählige Stunden Mehrarbeit für die Kollegen am Computer.

Meistens bauen wir auch nur einen Teil eines Sets echt auf – zum Beispiel das Erdgeschoss eines Hauses. Die Schauspieler können dann Türen öffnen und sich anlehnen. Alles, was darüber hinausgeht, zum Beispiel die oberen Stockwerke, wird später digital ergänzt. Unsere Aufgabe ist es, eine perfekte Schnittstelle zu schaffen. Wir bringen dafür kleine Kreuze, sogenannte Tracking-Marker, an der Kulisse an. Die Kamera-Software erkennt diese Punkte und kann so die digitale Erweiterung passgenau an unser echtes Bauteil anfügen. Es ist eine echte Partnerschaft: Wir liefern die Basis, der Computer erweitert sie.

Der wichtigste Punkt: Verantwortung am Set

Und jetzt mal ganz ehrlich, das hier ist der wichtigste Punkt für mich. Eine schöne Kulisse ist nichts wert, wenn sie eine Gefahr darstellt. Als Meister trage ich die Verantwortung für mein Team und für alle, die sich am Set aufhalten.

Ein Filmset ist ein gefährlicher Ort. Überall hängen heiße Scheinwerfer, es gibt Kabel ohne Ende und manchmal sogar Pyrotechnik. Fast alle unsere Materialien – Holz, Schaumstoffe, Farben – sind von Natur aus brennbar. Deshalb ist Brandschutz das A und O. Alles, was wir verbauen, muss mindestens „schwer entflammbar“ sein (Klasse B1). Hölzer werden mit Feuerschutzlacken behandelt, Schaumstoffe imprägniert. Ich habe einmal gesehen, wie ein Funke eine ungeschützte Schaumstoffplatte entzündet hat. Das Feuer hat sich in Sekunden ausgebreitet. Seitdem kontrolliere ich jeden Lieferschein doppelt.

Kleiner Tipp für Bastler: Für die Schulaufführung oder die private Party müsst ihr natürlich keine teuren B1-Platten kaufen. Aber es gibt im Baumarkt oder online spezielles Feuerschutzspray für ca. 15-20 € die Dose. Damit könnt ihr Stoffe und Pappe behandeln. Eine einfache Maßnahme, die die Sicherheit massiv erhöht!

Und das gilt auch für den Gesundheitsschutz in der Werkstatt. Staub, Dämpfe… mein alter Meister hat immer gesagt: „Deine Lunge ist dein wichtigstes Werkzeug. Schütze sie.“ Deswegen sind Absauganlagen und persönliche Schutzausrüstung wie Maske und Brille bei uns keine Option, sondern Pflicht.

Das Herz des Films schlägt in der Werkstatt

Wenn Sie das nächste Mal einen großen Blockbuster schauen, achten Sie vielleicht auf andere Dinge. Schauen Sie nicht nur auf die Gesichter der Stars, sondern auf die Wände dahinter. Auf die Textur des Bodens, die Form eines Türgriffs. In jedem dieser Details steckt die Arbeit, die Leidenschaft und das Wissen von uns Handwerkern. Wir sind diejenigen, die den Traumwelten ein solides, greifbares Fundament geben.

Die digitale Technik ist ein fantastisches Werkzeug, keine Frage. Aber sie kann die menschliche Hand, das geschulte Auge und die über Generationen gewachsene Erfahrung nicht ersetzen. Sie kann sie nur ergänzen. Das echte, ehrliche Handwerk ist und bleibt das Herz vieler großer Filme. Und darauf, ganz ehrlich, bin ich als Meister einfach stolz.

Elke Schneider

Elke Schneider ist eine vielseitige Sammlerin von Fachkenntnissen. Ihren Weg in den Journalismus begann sie mit einem soliden Fundament aus ihrem Studium an der Universität Dresden. Literatur, Kunstgeschichte und Philologie sind ihre Lieblingsfächer.