Die magische Wasserflasche: Warum Filmfehler passieren und was du daraus lernen kannst

Plastikflaschen im Mittelalter? In der letzten Episode von „Game of Thrones“ sorgt ein unerwarteter Fund für Verwirrung und Lacher.

von Michael von Adelhard

Ich stehe seit einer gefühlten Ewigkeit an Filmsets. In zugigen alten Fabrikhallen, auf sonnenverbrannten Feldern und in schicken modernen Büros. Wenn ich also die Diskussionen über die berühmte Wasserflasche oder den Kaffeebecher in dieser einen großen Fantasy-Serie mitbekomme, muss ich ehrlich gesagt schmunzeln. Nicht weil ich’s besser weiß, sondern weil ich den Moment fast riechen kann, in dem dieser Fehler passiert sein muss.

Für die Zuschauer war es ein Schock, klar. Die perfekte Illusion war für einen Moment dahin. Für uns, die wir hinter der Kamera schuften, ist so etwas aber eine alltägliche Gefahr. Es ist ein kleines, lautes Mahnmal für den unglaublichen Druck, der bei solchen Produktionen herrscht. Es ist kein Zeichen von Faulheit, sondern ein Symptom. Ein Symptom für menschliche Grenzen und den ständigen Kampf zwischen der kreativen Vision und der knallharten Realität am Set.

Lass uns das mal auseinandernehmen. Nicht um zu urteilen, sondern um zu verstehen. Denn daraus kannst du, auch für dein eigenes kleines Projekt, unglaublich viel lernen.

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Ein Filmset: Organisiertes Chaos mit klaren Regeln

Um solche Pannen zu kapieren, muss man erst mal verstehen, wer am Set den Hut aufhat. Denn die Fantasiewelt, die du auf dem Bildschirm siehst, wird normalerweise durch eine ziemlich straffe Organisation geschützt. Normalerweise.

Wer ist also dafür zuständig, dass keine modernen Gegenstände ins Bild rutschen? Da gibt es gleich mehrere Verteidigungslinien.

  • Die Anschluss-Profis (Script/Continuity): Das ist die Person mit dem Argusauge. Ihre alleinige Aufgabe ist die Kontinuität, also der „Anschluss“. Sie achtet darauf, dass die Krawatte des Schauspielers von einer Einstellung zur nächsten gleich gebunden ist. Sie weiß genau, wie viel Wein noch im Becher war, bevor geschnitten wurde. Und ja, sie ist diejenige, die moderne Gegenstände aus dem Bild verbannen soll. Ihr Werkzeug? Eine Stoppuhr, ein vollgekritzeltes Drehbuch und eine Kamera. Übrigens: Für dein eigenes Projekt reichen hier schon dein Handy für Fotos vor jedem Take und eine simple Notiz-App. Die Profis nutzen dafür natürlich spezielle Software, aber das Prinzip ist dasselbe.
  • Die Requisite: Das ist die Abteilung, die für alle Gegenstände zuständig ist, die ein Schauspieler anfasst. Das Schwert, der Brief, der Zauberstab. Die Requisiteure sorgen dafür, dass alles zur Epoche passt. Eine Plastikwasserflasche ist ihr natürlicher Feind. Vor einem Dreh wird alles weggeräumt, was nicht ins Bild gehört.
  • Die Regie und die Kamera: Und warum sehen die das nicht? Ganz einfach: Die haben einen anderen Fokus. Die Kamerafrau achtet auf Licht, Bildausschnitt und Bewegung. Die Regie konzentriert sich voll auf die schauspielerische Leistung, die Emotionen, das Timing. Sie verlassen sich darauf, dass der Rest des Teams die Details im Griff hat.
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Warum die Flasche überhaupt da war

Das Problem ist: Schauspieler sind auch nur Menschen. Und sie müssen trinken, besonders in schweren Kostümen unter heißen Scheinwerfern. Das ist keine Faulheit, sondern eine simple Arbeitsschutz-Vorschrift. Die zuständige Berufsgenossenschaft hat da ganz klare Regeln, um die Gesundheit am Set zu gewährleisten. Die Wasserflasche ist also Teil der Fürsorgepflicht.

Normalerweise steht sie direkt neben dem Stuhl, knapp außerhalb des Bildes. Aber dann wird es hektisch. Eine letzte Anweisung vom Regisseur, eine Korrektur am Kostüm. Der Ruf „Achtung, wir drehen!“ ertönt. In dieser Hektik stellt der Schauspieler seine Flasche vielleicht unbewusst einen halben Meter weiter links ab – und zack, ist sie im Bild. Ein winziger Fehler mit riesiger Wirkung.

Dein Gehirn ist schuld: Die Wissenschaft hinter Filmfehlern

Es gibt sogar einen wissenschaftlichen Grund für solche Pannen, der nichts mit Schlamperei zu tun hat. Experten nennen das „Unaufmerksamkeitsblindheit“. Klingt kompliziert, ist aber simpel.

Bestimmt hast du schon mal von dem Experiment mit dem Gorilla gehört: Versuchspersonen sollen zählen, wie oft sich Leute in weißen Shirts einen Ball zuspielen. Mitten im Video spaziert eine Person im Gorilla-Kostüm durchs Bild. Das Verblüffende: Etwa die Hälfte der Leute bemerkt den Gorilla einfach nicht. Ihr Gehirn ist so auf das Zählen fokussiert, dass es den unerwarteten Störfaktor komplett ausblendet.

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Genau das passiert am Set. Jeder ist ein Experte, der sich auf seine Aufgabe konzentriert. Und genau diese Expertise macht blind für das Offensichtliche, das nicht direkt zum eigenen Job gehört. Die Wasserflasche ist der Gorilla im Raum.

Dazu kommt die pure Erschöpfung. Ein Drehtag hat selten nur acht Stunden. Eher zwölf bis vierzehn. Ich erinnere mich an einen Nachtdreh in einer kalten, feuchten Hafenstadt. Wir waren in der 13. Stunde. Kurz vor dem Take fiel mir auf, dass ein Statist im Hintergrund eine moderne Digitaluhr trug. Niemand hatte es gesehen. Alle waren einfach nur durch und wollten ins Bett. In solchen Momenten passieren Fehler. Wir hatten Glück. Die Macher der Fantasy-Serie in dem Moment eben nicht.

Die Hitliste der häufigsten Anschlussfehler

Die Wasserflasche ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt ein paar Klassiker, die immer wieder passieren. Kleiner Test für dich: Achte bei deinem nächsten Filmabend mal bewusst darauf. Du wirst staunen!

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  • Die magische Zigarette: In einer Einstellung ist sie fast abgebrannt, im nächsten Schnitt ist sie wieder fast neu.
  • Das selbstfüllende Glas: Ein Charakter nimmt einen großen Schluck, doch im Gegenschnitt ist das Glas wieder genauso voll wie vorher.
  • Die wandernde Wunde: Ein Kratzer, der erst auf der linken Wange ist und eine Szene später plötzlich auf der rechten.
  • Moderne Technik im Hintergrund: Beliebt bei Historienfilmen sind Flugzeugstreifen am Himmel oder, wie gesehen, moderne Getränkebehälter.

Profi-Tricks gegen das Chaos (kannst du auch!)

Wir haben natürlich Rituale, um solche Pannen zu vermeiden. Das Wichtigste ist der sogenannte „letzte Blick“ oder „Final Check“. Kurz bevor die Kamera läuft, gehen die Chefs der Abteilungen (Kostüm, Maske, Requisite) nochmal durchs Bild und prüfen alles mit geschultem Auge. Das dauert oft nur 30 Sekunden, ist aber Gold wert.

Kleiner Tipp für dein eigenes Projekt: Auch ohne Budget kannst du Profi-Methoden anwenden. Hier dein 3-Schritte-Plan gegen Chaos:

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  1. Bestimme EINE Person, die nur für den Anschluss zuständig ist. Auch wenn es ein Freund ist, der sonst nichts zu tun hat – diese Aufgabe ist entscheidend!
  2. Mach vor JEDEM Take ein Foto vom Set und den Schauspielern mit deinem Handy. Das ist deine Referenz.
  3. Führt einen mündlichen „Final Check“ durch. Kurz vor Drehbeginn fragt die Regie laut: „Kostüm?“, „Requisite?“, „Maske?“. Jeder ruft kurz „Passt!“, wenn alles in Ordnung ist. Das schärft den Blick ungemein.

Und wenn es doch passiert? Die Schadensbegrenzung

Nehmen wir an, der Fehler fällt erst im Schnitt auf. Was dann? Die erste Reaktion ist meistens ein lauter Fluch. Die zweite ist eine kühle Analyse der Optionen.

  • Nachdreh (Reshoot): Das ist die teuerste und schlimmste Option. Das ganze Team und die Schauspieler nochmal anreisen lassen? Logistisch und finanziell ein Albtraum. Selbst bei einem kleinen Independent-Film fängt ein Nachdrehtag schnell bei 5.000 € an und kann locker das Fünffache kosten.
  • Umschneiden: Manchmal kann man die Stelle einfach rausschneiden und eine andere Einstellung verwenden. Oft ist der Fehler aber in einer zentralen Aufnahme, die man nicht einfach ersetzen kann.
  • Digitale Effekte (VFX): Das ist die wahrscheinlichste Lösung. Ein VFX-Künstler kann die Flasche quasi digital ausradieren. Man nennt das „Paint-Out“. Aber Achtung: Das ist kein einfacher Klick. Je nach Komplexität des Hintergrunds und der Kamerabewegung kann das Stunden oder Tage dauern. Für einen Indie-Film kann so eine Korrektur schnell zwischen 500 € und 2.000 € kosten. Manchmal wird dann abgewogen: Ist es das Geld wert oder hoffen wir, dass es keiner merkt? Eine riskante Wette.

Am Ende zeigt die berühmte Wasserflasche vor allem eines: Film ist Handwerk, gemacht von Menschen. Und Menschen machen Fehler, besonders unter Stress. Die wahre Meisterschaft liegt nicht darin, nie Fehler zu machen – das ist unmöglich. Sie liegt darin, gute Prozesse zu haben, um sie zu minimieren, und professionell damit umzugehen, wenn sie doch passieren.

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Also, sieh es positiv: Solche Pannen ruinieren keinen Film. Sie geben ihm eine menschliche Note. Sie sind ein kleines Fenster in die unglaubliche Anstrengung, die nötig ist, um Fantasiewelten zum Leben zu erwecken.

Inspirationen und Ideen

„Der Teufel steckt im Detail.“

Dieses Sprichwort ist die inoffizielle Berufsbezeichnung für jeden Continuity Supervisor am Set. Während Schauspieler Emotionen und Kameraleute Bilder erschaffen, ist ihr Universum eines der Mikro-Beobachtungen: die exakte Füllhöhe eines Weinglases, die Position einer Haarsträhne nach einem Kampf oder der langsam abbrennende Docht einer Kerze. Ein übersehenes Detail, wie der berühmte Kaffeebecher, ist nicht nur ein Fehler, sondern ein Riss im fragilen Gewebe der Illusion.

Warum bemerkt das am Set niemand sofort?

Stellen Sie sich einen Raum mit 50 bis 100 hochkonzentrierten Spezialisten vor. Der Regisseur achtet auf die Schauspiel-Performance, der Kameramann auf Licht und Bildausschnitt, der Tonmeister auf jedes noch so leise Geräusch. Jeder ist in seiner eigenen „Blase“ der Perfektion gefangen. Die Person für die Kontinuität (Script Supervisor) ist oft die einzige, deren Job es ist, das Gesamtbild auf anachronistische Details zu scannen – ein einsamer Kampf gegen das menschliche Gehirn, das darauf trainiert ist, unwichtig Erscheinendes auszublenden.

Die digitale Radiergummi-Falle: Moderne visuelle Effekte (VFX) sind ein Segen, aber auch ein Fluch. Ein störendes Objekt kann in der Postproduktion mit Programmen wie Adobe After Effects oder Nuke digital entfernt werden. Das klingt einfach, kann aber Tausende von Euro kosten, je nachdem, wie komplex die Szene ist. Manchmal ist es günstiger, eine Szene komplett neu zu drehen, als einen kleinen Fehler digital zu vertuschen. Ein teurer Klick!

Vom Notizblock zum Tablet: Die Zeiten, in denen Anschlussfehler nur mit Polaroid-Fotos und handschriftlichen Notizen verfolgt wurden, sind vorbei. Heute sind Apps die wahren Helden der Kontinuität.

  • ScriptE: Der Industriestandard. Eine komplexe Software, die Drehbuchseiten, Notizen und Fotos für jeden Take digital verknüpft und Berichte für die Postproduktion erstellt.
  • MovieSlate 8: Eine All-in-One-Lösung, die nicht nur für die Kontinuität, sondern auch als digitale Filmklappe und Notiz-Tool für verschiedene Abteilungen dient.
  • Ein Kratzer im Gesicht, der in der nächsten Szene die Seite wechselt.
  • Eine Zigarette, die plötzlich wieder länger ist.
  • Ein moderner Flugzeug-Kondensstreifen am Himmel eines Historienfilms.

Das Geheimnis? Diese Fehler passieren oft, weil Szenen nicht chronologisch, sondern nach Drehort und Verfügbarkeit der Schauspieler gedreht werden. Zwischen zwei Einstellungen, die im Film Sekunden dauern, können in der Realität Wochen liegen.

Der vielleicht berühmteste „Goof“, der zum Kult wurde: der Stormtrooper, der sich in „Star Wars: Eine neue Hoffnung“ den Kopf an einer Tür stößt.

Dieser kleine Unfall des Schauspielers Laurie Goode wurde im Schnitt nicht entfernt. Regisseur George Lucas fand ihn so menschlich und amüsant, dass er ihn im Film ließ. In späteren Special Editions wurde dem Moment sogar ein passender Soundeffekt hinzugefügt – ein Beweis, dass ein Fehler manchmal mehr Charakter hat als Perfektion.

Anachronismus: Das ist der Fachbegriff für einen Gegenstand oder eine Gegebenheit, die nicht in die dargestellte Zeit passt. Die Plastikflasche in einer Fantasy-Welt ist ein klassischer Anachronismus. Aber es geht auch subtiler: eine falsche Wortwahl in einem Dialog, eine moderne Schriftart auf einem alten Dokument oder eine Tomate in einem europäischen Gericht, das vor der Entdeckung Amerikas spielt.

Ist jeder Fehler wirklich ein Versehen?

Nicht immer. Manchmal wird die beste schauspielerische Leistung in einem Take erbracht, der einen kleinen Kontinuitätsfehler enthält. Der Regisseur steht dann vor der Wahl: die technisch perfekte, aber emotional schwächere Aufnahme nehmen oder die mitreißende Performance, bei der das Glas auf dem Tisch leicht verrutscht ist. Oft gewinnt die Emotion über die Logik – und das ist auch gut so.

Die 4K-Detektive: Mit dem Aufkommen von Ultra-HD-Fernsehern und Streaming-Diensten, die das Anhalten und Zoomen ermöglichen, hat die Jagd nach Filmfehlern eine neue Dimension erreicht. Jeder Zuschauer wird zum potenziellen „Fehler-Scout“. Online-Foren und Websites wie IMDb oder MovieMistakes.com leben von den scharfen Augen der Community. Für die Filmemacher bedeutet das: Der Druck, makellos zu arbeiten, ist heute größer als je zuvor.

Im Zweifel für den Film: Der legendäre Regisseur Alfred Hitchcock war bekannt für seine Akribie, machte aber auch Fehler. Sein Rat war jedoch pragmatisch: Wenn das Publikum so sehr auf die Requisiten achtet, dass es einen Fehler bemerkt, dann ist wahrscheinlich die Story nicht fesselnd genug. Ein Gedanke, der den Druck von den Details nimmt und ihn zurück auf das Wichtigste lenkt: eine gute Geschichte zu erzählen.

Michael von Adelhard

Michael von Adelhard ist 31 Jahre alt. Er arbeitet seit vielen Jahren als Journalist für einige der erfolgreichsten Nachrichten-Portale Deutschlands. Autor vieler Bücher und wissenschaftlicher Publikationen zum Thema «Einfluss sozialer Medien auf Jugendliche«. Schreibt über Themen wie Lifestyle, Umweltschutz, sowie Tech and Gadgets. In seiner Freizeit ist er häufig mit dem Fahrrad unterwegs – so schöpft er Inspiration für seine neuen Artikel.