Das Flüstern der Zukunft: Warum dein E-Auto eine Stimme braucht (und wie sie klingt)

Wussten Sie, dass der Klang eines Autos die Verbindung zwischen Fahrer und Fahrzeug entscheidend beeinflusst? Entdecken Sie, wie Hans Zimmer die Elektro-Zukunft von BMW gestaltet.

von Michael von Adelhard

Ich steh seit Ewigkeiten in meiner Werkstatt und hab, ehrlich gesagt, schon unzählige Motoren gehört. Dieses tiefe Grollen eines Achtzylinders, das heisere Fauchen eines Turbos oder das seidige Summen eines Sechszylinders … jeder Motor hat seine eigene Sprache. Er erzählt dir von Leistung, Drehzahl, Belastung. Du fühlst die Maschine einfach. Tja, und dann rollte vor ein paar Jahren das erste E-Auto fast gespenstisch leise auf meinen Hof. Ich stand mit dem Rücken zum Tor und hab’s erst gemerkt, als es schon neben mir war. Ein kurzer Schreckmoment, der mir klargemacht hat: Hier ändert sich was ganz Grundlegendes.

Klar, die Stille ist auf den ersten Blick super. Weniger Lärm in den Städten, mehr Ruhe im Auto. Aber sie hat eben auch eine Kehrseite, und die ist gefährlich. Fußgänger, Radfahrer und vor allem Kinder oder Menschen mit Sehbehinderung verlassen sich im Verkehr massiv auf ihr Gehör. Ein lautloses Fahrzeug wird da schnell zur unsichtbaren Bedrohung. Deswegen gibt es heute klare Vorschriften. Aber die Aufgabe ist viel größer, als nur einen Warnton dranzuklatschen. Es geht darum, dem Auto eine neue Stimme zu geben. Eine, die Sicherheit schafft und gleichzeitig den Charakter des Fahrzeugs unterstreicht.

eine grpne wand und der komponist hans zimmer mit einem dunkelblauen sakko und einer grauen armbanduhr

Wieso ein simples Piepsen nicht reicht: Die Physik dahinter

Um zu verstehen, was einen guten Sound ausmacht, müssen wir nicht tief in die Physik eintauchen, aber ein paar Basics sind schon wichtig. Schall ist ja im Grunde nur eine Druckwelle in der Luft. Die Tonhöhe (Frequenz) und die Lautstärke (Pegel) sind dabei entscheidend.

Unser Gehör ist ziemlich clever und hört am besten in dem Frequenzbereich, in dem auch die menschliche Sprache liegt. Ein gutes Warngeräusch muss also genau diese Frequenzen nutzen, damit wir es auch bei Regen oder im Stadtlärm sofort wahrnehmen. Ein monotones Piepsen? Würde im Klangteppich der Stadt einfach untergehen oder uns tierisch auf die Nerven gehen.

Deshalb arbeiten die Profis mit sogenannten AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System). Das sind keine simplen Töne, sondern komplexe Klangteppiche, die sich verändern. Wenn das Auto schneller wird, steigt die Tonhöhe und die Lautstärke. Das signalisiert allen um dich herum ganz intuitiv, was du gerade vorhast. Im Grunde ist das eine digitale Nachahmung eines physikalischen Effekts, den jeder vom vorbeifahrenden Krankenwagen kennt. Ein gutes AVAS muss das digital so nachbilden, dass es natürlich und informativ klingt.

das graue elektroauto bmw vision m next, grauer boden

Übrigens, die gesetzlichen Vorgaben in Europa sind da ziemlich genau. Das Geräusch muss bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h aktiv sein, darüber sind die Roll- und Windgeräusche eh laut genug. Die Lautstärke muss in einem bestimmten Rahmen liegen – nicht zu leise, aber auch nicht so laut wie ein Presslufthammer. Es muss also ungefähr die Lautstärke eines normalen Gesprächs haben und die Geschwindigkeitsänderung hörbar machen.

Mehr als nur ein Lautsprecher: Was da wirklich unter der Haube steckt

Als ich das erste Mal so ein AVAS-Modul in der Hand hatte, war ich echt beeindruckt. Das ist kein billiger Lautsprecher, den man mal eben unter die Stoßstange klebt. Es ist eine Einheit aus robuster Hardware und verdammt schlauer Software.

Die Hardware: Ein Klanggeber für jedes Wetter
Die Lautsprecher, auch Schallgeber genannt, müssen echt was aushalten. Die sitzen oft im vorderen Stoßfänger und sind Spritzwasser, Streusalz und Steinschlägen ausgesetzt. Darum sind sie in super robusten, wasserdichten Gehäusen verbaut. Bei der Wartung prüfen wir immer die Anschlüsse auf Korrosion und die Gehäuse auf Risse. Ein kleiner Defekt kann hier schnell das ganze System lahmlegen.

das neue elektorauto von bmw namens bmw vision m next, ein rotes auto

Die Software: Das Gehirn des Sounds
Die eigentliche Magie passiert aber in der Software. Das AVAS-Steuergerät hängt am CAN-Bus, dem Nervensystem des Autos. Von dort bekommt es in Echtzeit alle Infos: Geschwindigkeit, Gaspedalstellung, Lenkwinkel und ob der Rückwärtsgang eingelegt ist. Daraus berechnet die Software dann den passenden Klang. Bei Premium-Systemen, die oft in Zusammenarbeit mit Sound-Designern oder sogar Filmkomponisten entstehen, werden nicht nur fertige Sounddateien abgespielt. Da arbeitet ein Synthesizer, der den Klang live erzeugt. Das Ergebnis ist ein nahtloser, organischer Klang, der sich anfühlt, als käme er von einer echten Maschine.

Kleiner Tipp aus der Werkstatt: Wenn du mal einen Parkrempler hattest, auch wenn er noch so klein war, lass das AVAS checken. Mir ist schon mal ein Kunde untergekommen, der dachte, sein leises Summen sei normal. Dabei war der Lautsprecher durch den Rempler beschädigt und kaum noch zu hören. Er hatte gar nicht gemerkt, wie „unsichtbar“ er für andere geworden war.

weg und grauer wagen, das neue elektroauto von bmw namens bmw next m vision

Der Klang-TÜV: Wie du dein eigenes AVAS ganz einfach testen kannst

Bist du unsicher, ob bei deinem Auto alles in Ordnung ist? Das kannst du superleicht selbst überprüfen, dafür brauchst du keine Werkstatt. Schnapp dir einfach einen Helfer:

  1. Auto anlassen: Schalte dein E-Auto im Stand ein.
  2. Helfer positionieren: Dein Helfer stellt sich in sicherem Abstand vor das Auto.
  3. Langsam losfahren: Fahre ganz langsam (unter 20 km/h) los und gib sachte etwas Gas.
  4. Lauschen: Dein Helfer sollte jetzt ein klares Geräusch hören. Wichtig ist: Ändert sich der Ton, wenn du beschleunigst? Wird er höher oder lauter?

Wenn ja – alles bestens! Wenn du nichts hörst oder der Ton gleich bleibt, solltest du mal in die Werkstatt fahren.

Andere Länder, andere Töne: Eine kleine Weltreise für die Ohren

Ein Auto wird für die ganze Welt gebaut, aber nicht jeder mag den gleichen Sound. Was bei uns als harmonisch gilt, kann woanders schon wieder ganz anders ankommen.

  • Europa: Hier steht die Funktionalität im Vordergrund. Der Klang soll klar, aber unaufdringlich sein. Deutsche Hersteller setzen oft auf einen harmonischen, technisch-futuristischen Klang, der Kompetenz und Sicherheit ausstrahlt.
  • USA: Die Vorschriften sind dort teilweise sogar noch etwas strenger, was die Geschwindigkeit angeht (bis ca. 30 km/h). Früher waren die Töne dort eher simpel und summend, aber auch hier geht der Trend klar zu komplexeren Klangprofilen, die dem Auto mehr Charakter verleihen.
  • Japan: Dort ist die Akzeptanz für künstliche Melodien im öffentlichen Raum viel höher. Es ist nicht unüblich, dass japanische E-Autos unterschiedliche Klänge für das Vorwärts- und Rückwärtsfahren haben, manchmal sogar dezente Melodien. Für unsere Ohren vielleicht gewöhnungsbedürftig, aber dort total normal.

Wenn du mal neugierig bist: Such einfach mal auf YouTube nach den Fahrgeräuschen verschiedener E-Autos. Der Sound eines sportlichen E-Modells klingt oft spacig und kraftvoll, während ein innovatives Familienauto vielleicht eher einen digitalen, fast schwebenden Ton hat. Da hörst du die Unterschiede sofort!

Finger weg: Warum du den Sound deines E-Autos nicht ändern solltest

Jetzt kommt die Frage, die mir am häufigsten gestellt wird: „Kann ich den Sound meines E-Autos ändern oder ein System nachrüsten?“ Meine Antwort ist immer dieselbe und glasklar: Lass die Finger davon!

Ein AVAS ist ein sicherheitsrelevantes Bauteil und Teil der Typgenehmigung deines Autos. Jede Manipulation oder eine nicht-fachgerechte Nachrüstung führt zum sofortigen Erlöschen der Betriebserlaubnis. Im Falle eines Unfalls wird die Versicherung nicht zahlen – und das kann richtig teuer werden.

Ach ja, und eine ganz wichtige Info: Wenn du ein älteres E-Auto fährst, das vor der Einführung der gesetzlichen Pflicht gebaut wurde, musst du dir keine Sorgen machen. Für diese Fahrzeuge besteht keine Nachrüstpflicht. Du darfst also ganz legal leise weiterfahren – aber bitte mit doppelter Vorsicht!

Wenn das System an deinem Auto aber mal ausfällt, siehst du meist eine Fehlermeldung im Cockpit. Dann solltest du schnell in die Werkstatt. Ein neuer Schallgeber kostet je nach Hersteller zwischen 150 € und 400 € plus Einbau. Rechne da mal mit 1-2 Stunden Arbeit, je nachdem, wie verbaut das Teil in der Stoßstange ist. Aber ganz ehrlich: Das ist eine Investition in die Sicherheit, an der man nicht sparen sollte.

Ausblick: Der Sound als neue Seele des Autos

Die aktuellen Fahrgeräusche sind erst der Anfang. Die Technologie bietet noch so viel mehr Potenzial.

Der Klang wird immer mehr zum Erkennungszeichen einer Marke. Er kann sportlich, elegant, futuristisch oder komfortabel klingen und transportiert so das Markenversprechen. Gleichzeitig wird auch der Klang im Innenraum immer wichtiger. Da der laute Verbrenner wegfällt, wird das Fahrerlebnis durch künstlich erzeugte Innenraumklänge intensiviert, die dem Fahrer ein akustisches Feedback zur Beschleunigung geben. Das füllt die emotionale Lücke, die der leise Antrieb hinterlässt.

Bei aller Faszination für die Technik dürfen wir aber den wichtigsten Grund für das Ganze nie vergessen: die Sicherheit. Ein lautloses Auto auf einem Supermarktparkplatz ist eine reale Gefahr. Einige Autos haben einen Schalter, um das AVAS kurzzeitig zu deaktivieren. Ich halte das für keine gute Idee. Macht doch mal ein kleines Experiment: Stellt euch auf einen belebten Parkplatz, schließt für einen Moment die Augen und lauscht. Versucht, die E-Autos zu hören, bevor ihr sie seht. Das schärft das Bewusstsein ungemein!

Das künstliche Fahrgeräusch ist das perfekte Beispiel dafür, wie sich das Auto wandelt. Es geht nicht nur darum, Vorschriften zu erfüllen, sondern eine neue Form der Kommunikation zu schaffen – eine, die sicher ist, Emotionen weckt und dem Auto eine Seele gibt, auch wenn sein Herz nicht mehr taktet, sondern summt.

Inspirationen und Ideen

„Die EU-Verordnung 2017/1576 schreibt vor, dass alle neuen Typen von Elektro- und Hybridfahrzeugen seit dem 1. Juli 2019 mit einem AVAS ausgestattet sein müssen.“

Klingt bürokratisch, bedeutet aber konkret: Bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h und beim Rückwärtsfahren muss Ihr E-Auto ein Geräusch erzeugen, das dem eines Verbrenners ähnelt. Es muss also die Geschwindigkeit widerspiegeln – wird das Auto schneller, verändert sich der Ton. Das Ziel ist reine Sicherheit, damit Fußgänger und Radfahrer das nahende Fahrzeug hören können, bevor sie es sehen.

Kann ich den Sound meines E-Autos eigentlich selbst bestimmen?

Jein. Die Zeiten, in denen man einfach einen Sportauspuff montierte, sind vorbei. Der äußere Warnton (AVAS) ist gesetzlich streng geregelt und nicht veränderbar. Innen jedoch öffnen Hersteller wie Tesla mit ihrer „Boombox“-Funktion die Tür zur Personalisierung. Hier können Fahrer aus einer Bibliothek wählen oder sogar eigene Sounds hochladen, die im Stand abgespielt werden. Auch BMW und Mercedes arbeiten an Sound-Paketen, mit denen der Fahrer das Klangerlebnis im Innenraum an seine Stimmung anpassen kann – von dezent bis sportlich-synthetisch.

BMW i4 M50: Hier komponierte Hollywood-Legende Hans Zimmer einen vielschichtigen, fast orchestralen Sound, der sich mit dem Druck auf das Fahrpedal dramatisch aufbaut und pure Emotion vermitteln soll.

Porsche Taycan: Porsche sampelte den Original-Sound seiner Elektromotoren und verstärkte ihn digital. Das Ergebnis ist ein technischer, turbinenartiger Klang, der an ein Raumschiff erinnert und die enorme Leistung unterstreicht.

Zwei Wege, ein Ziel: dem Fahrer das Gefühl von Kraft zurückzugeben, das bisher dem Verbrennungsmotor vorbehalten war.

Die eigentliche Kunst des Sounddesigns liegt nicht nur im Klang selbst, sondern auch in seiner Interaktivität. Ein guter E-Auto-Sound ist nicht statisch. Er reagiert in Echtzeit auf den Fahrer: auf die Stärke des „Gasgebens“, auf die Rekuperation (das Bremsen mit dem E-Motor) und natürlich auf die Geschwindigkeit. Sound-Designer sprechen von „sonischer Rückmeldung“ – das Auto kommuniziert über den Klang seinen Zustand und gibt dem Fahrer ein intuitives Gefühl für die Dynamik, das über die reine Stille hinausgeht.

  • Er muss sofort als Fahrzeug identifizierbar sein.
  • Er darf nicht nerven oder als Lärmbelästigung empfunden werden.
  • Seine Tonhöhe muss sich mit der Geschwindigkeit verändern.
  • Er muss sich vom typischen Klangteppich der Stadt abheben.

Das Geheimnis? Ein Mix aus verschiedenen Frequenzen. Die Sound-Ingenieure von Audi mischen zum Beispiel tiefe, präsente Töne mit höheren, aufmerksamkeitsstarken Frequenzen, um eine optimale Wahrnehmung zu gewährleisten.

Der Trugschluss der Stille: Viele glauben, das Ziel sei absolute Lautlosigkeit im Innenraum. Tatsächlich kann zu viel Stille desorientierend wirken und sogar Reisekrankheit fördern, da die visuelle Wahrnehmung von Bewegung nicht mit einer akustischen übereinstimmt. Ein subtiler, angenehmer Klangteppich, wie ihn etwa der Mercedes EQS erzeugt, erdet die Insassen und schafft eine luxuriöse, kontrollierte Atmosphäre.

Woher nehmen Designer ihre Inspiration für etwas völlig Neues? Oft aus der Science-Fiction. Der futuristische, leicht bedrohliche Klang des Jaguar I-PACE wurde bewusst so gestaltet, dass er an die fliegenden „Spinner“-Autos aus dem Film „Blade Runner“ erinnert. Es geht darum, eine Vision der Zukunft hörbar zu machen und dem Fahrer das Gefühl zu geben, Teil dieser Vision zu sein.

Der Sound des Hyundai Ioniq 5 wurde von den Designern als „auditives Pixel“ beschrieben.

Anstatt einen organischen oder motorähnlichen Klang zu imitieren, wählte Hyundai einen bewusst digitalen und minimalistischen Ansatz. Das Ergebnis ist ein cleaner, fast videospielartiger Sound, der perfekt zum kantigen Retro-Pixel-Design des Fahrzeugs passt und beweist, wie eng visuelles und akustisches Design miteinander verknüpft sind.

Ein Warnton ist nicht gleich Warnton. Die ersten AVAS-Klänge, wie beim frühen Renault Zoe oder Nissan Leaf, waren oft einfache, synthetische Summtöne. Heute geht der Trend zu komplexeren Kompositionen. Marken wie Cupra für ihren „Born“ oder Polestar setzen auf rauere, basslastigere Sounds, die Sportlichkeit und Charakter vermitteln sollen. Der Sound wird so vom reinen Warnsignal zum akustischen Markenbotschafter.

Manchmal liegt die Lösung im Unerwarteten. Um einen einzigartigen Sound für den Ford Mustang Mach-E zu kreieren, ließ sich das Sound-Team von Actionfilmen inspirieren. Sie analysierten, wie dort Geschwindigkeit und Spannung akustisch dargestellt werden – oft durch eine Mischung aus tiefem Grollen und hochfrequenten Elementen. Dieser filmische Ansatz wurde dann in den Fahrsound des Mach-E übersetzt, um das „Mustang-Gefühl“ elektrisch neu zu interpretieren.

Michael von Adelhard

Michael von Adelhard ist 31 Jahre alt. Er arbeitet seit vielen Jahren als Journalist für einige der erfolgreichsten Nachrichten-Portale Deutschlands. Autor vieler Bücher und wissenschaftlicher Publikationen zum Thema «Einfluss sozialer Medien auf Jugendliche«. Schreibt über Themen wie Lifestyle, Umweltschutz, sowie Tech and Gadgets. In seiner Freizeit ist er häufig mit dem Fahrrad unterwegs – so schöpft er Inspiration für seine neuen Artikel.