Deine Musik, dein Geld: Warum du die Sache mit den Master-Rechten kapieren musst
Wussten Sie, dass Musikrechte mehr als nur Noten sind? Entdecken Sie die überraschenden Wendungen im Drama um Taylor Swift und Scooter Braun.
„Die Melodie der Freiheit wurde in Ketten gelegt.“ So könnte ein Historiker über das Schicksal von Taylor Swifts Musik schreiben. In einem unerwarteten Twist hat Scooter Braun, der vermeintliche Widersacher, die Kontrolle über ihre Werke übernommen. Die Frage bleibt: Wie viel wiegt das Erbe einer Künstlerin, wenn es gegen die Mechanismen der Industrie antritt?
Ich bin jetzt schon ein paar Jahrzehnte in diesem verrückten Musikzirkus unterwegs. Ganz ehrlich? Ich hab alles gesehen. Ich hab Talente in zugerauchten Proberäumen entdeckt und sie auf die ganz großen Bühnen begleitet. Ich hab Verträge gesehen, die Karrieren gemacht haben. Und ich hab Verträge gesehen, die sie direkt wieder beendet haben.
Inhaltsverzeichnis
Wenn ich in all den Jahren eines gelernt habe, dann das hier: Musik ist pures Gefühl, aber das Musikgeschäft ist ein knallhartes Business. Es geht um Rechte, es geht um Geld, und ja, es geht auch um Macht. Und es gibt ein Thema, das immer wieder für Zündstoff sorgt und über das jeder junge Künstler Bescheid wissen muss, wenn er nicht über den Tisch gezogen werden will.
Es geht um die eine, entscheidende Frage: Wem gehört eigentlich deine Kunst, wenn sie fertig im Kasten ist? Die Antwort darauf entscheidet über alles. Also, lass uns das mal auseinandernehmen – nicht den Klatsch aus den Schlagzeilen, sondern das knallharte Handwerk dahinter. Damit du nicht die gleichen Fehler machst wie so viele vor dir.

Das Fundament: Was zur Hölle sind eigentlich Master-Rechte?
Bevor wir über Verträge quatschen, müssen wir mal die Basics klären. Viele Künstler, selbst solche, die schon länger dabei sind, bringen hier zwei grundlegende Dinge durcheinander. Stell dir die Rechte an deiner Musik wie zwei Seiten einer Medaille vor. Wenn du den Unterschied nicht kennst, hast du im Grunde schon verloren.
1. Das Verlagsrecht (Die Komposition)
Stell dir vor, du hockst am Klavier oder mit der Gitarre auf dem Sofa und schreibst einen Song. Nur die Melodie und der Text. Das ist die „Komposition“. Dieses geistige Eigentum, das Herzstück deines Schaffens, gehört erst mal dir. In Deutschland wacht darüber die GEMA. Sie sorgt dafür, dass du Kohle siehst, wenn dein Song im Radio läuft, gestreamt oder live gespielt wird. Dieses Recht kannst du einem Musikverlag anvertrauen, der sich um die Verwaltung kümmert. Aber der Kern, die Idee des Songs, ist deine Schöpfung.

2. Das Master-Recht (Die Aufnahme)
Jetzt gehst du ins Studio. Du nimmst den Song auf, vielleicht mit einem Produzenten und Studiomusikern. Ihr tüftelt wochenlang am perfekten Sound. Das Ergebnis? Eine fertige Audiodatei. Das ist der „Master“. Und das Master-Recht ist das Recht an genau DIESER einen Aufnahme. Es ist wie der Unterschied zwischen einer Landschaft und einem Foto davon. Die Landschaft (deine Komposition) bleibt immer da, aber das eine Foto (die Aufnahme) ist ein eigenständiges Werk.
Gut zu wissen: Hier kommt in Deutschland neben der GEMA noch ein zweiter wichtiger Player ins Spiel, den viele vergessen: die GVL (Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten). Während die GEMA für die Komponisten und Texter da ist, kümmert sich die GVL um die ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller. Sie sammelt Geld ein, wenn genau deine Aufnahme – der Master – öffentlich genutzt wird. Unbedingt bei beiden anmelden!
Und genau hier liegt der Knackpunkt bei 99 % aller Plattenverträge: Das Label bezahlt die Studiozeit, den Produzenten, das Marketing. Sie investieren also eine Menge Geld in die Erstellung des Masters. Als Gegenleistung verlangen sie dafür die Eigentumsrechte an diesen Aufnahmen. Das Label besitzt also die fertigen Tonbänder, die „Fotos“ – aber nicht die Landschaft selbst. Ein gewaltiger Unterschied.

Der Plattenvertrag: Ein genauer Blick ins Kleingedruckte
Ein Plattenvertrag ist kein Freundschaftsdienst, sondern ein knallhartes Geschäftsabkommen. Ich hab schon so viele junge Künstler mit leuchtenden Augen gesehen, als sie ihren ersten Vertrag in der Hand hielten. Sie sehen nur die große Chance, nicht die Verpflichtungen. Aber der Teufel steckt wie immer im Detail.
Der Vorschuss: Ein Kredit, kein Geschenk
Das Label gibt dir einen Vorschuss, sagen wir mal 15.000 €. Klingt erstmal fantastisch, oder? Aber Achtung! Dieses Geld ist kein Gehalt. Es ist ein zinsloser Kredit. Jeden einzelnen Cent davon behält das Label von deinen zukünftigen Einnahmen ein. Und nicht nur das: Auch die Kosten für die Albumproduktion, die Musikvideos, die Reisekosten für die Promo-Tour – all das wird von deinem Anteil abgezogen. Man nennt das „Verrechnung“ (oder Recoupment).
Ich hab mal einen jungen Künstler betreut, der hat 30.000 € Vorschuss bekommen und dachte, er sei der König der Welt. Nach Videodreh und den ersten Marketingausgaben war das Geld weg und auf seiner Abrechnung stand, dass er dem Label immer noch Geld „schuldete“. Das hat gesessen. Viele Künstler bleiben ihre ganze Karriere „unrecouped“ und sehen nie auch nur einen Cent an Tantiemen, obwohl ihre Musik Millionenumsätze generiert.

Die Laufzeit: Die goldenen Handschellen
Kein Label bindet dich nur für ein Album. Ein typischer Deal ist „1 + 4“. Das bedeutet, du unterschreibst für ein Album. Wenn es erfolgreich ist, kann das Label eine Option ziehen und ein weiteres Album von dir verlangen. Und dann noch eins. Und noch eins. Das Label hat die Wahl, du als Künstler hast die Pflicht zu liefern. So sichert sich das Unternehmen die Kontrolle über deine potenziell erfolgreichsten Jahre.
Die „Re-Recording Restriction“: Die wichtigste Klausel von allen
Und hier kommen wir zum entscheidenden Punkt. In fast jedem Plattenvertrag gibt es eine Klausel, die dir verbietet, deine Songs für einen bestimmten Zeitraum neu aufzunehmen. Meistens sind das fünf bis sieben Jahre nach Vertragsende. Warum? Das Label will seine Investition schützen. Es will nicht, dass du einfach eine Konkurrenzversion auf den Markt bringst und damit den Wert des originalen Masters zerstörst. Genau diese Klausel ist aber auch der Hebel, den clevere Künstler nutzen können, wenn die Frist abgelaufen ist.

Die Alternative: Der DIY-Weg ohne Label
Heutzutage musst du aber nicht mehr den klassischen Weg gehen. Für viele ist die Do-it-yourself-Route die viel bessere Option. Anbieter wie DistroKid, TuneCore oder Spinnup machen es möglich, deine Musik auf allen Plattformen zu veröffentlichen, ohne die Rechte abzugeben.
Der Deal sieht hier ganz anders aus:
- Deine Master-Rechte: Du behältst 100 % der Rechte an deinen Aufnahmen. Immer.
- Deine Tantiemen: Du behältst auch 100 % deiner Einnahmen, abzüglich der Gebühr des Anbieters (die meist sehr gering ist).
- Die Kosten: Hier liegt der Haken. Du zahlst alles selbst. Die Studiozeit, den Mix, das Mastering, das Artwork, die Werbung auf Social Media. Das kann schnell ins Geld gehen. Für die Veröffentlichung zahlst du eine kleine jährliche Gebühr, oft nur zwischen 20 € und 50 €.
Im Grunde ist es eine einfache Abwägung: Beim Label gibst du Rechte und einen großen Teil der Einnahmen ab, bekommst dafür aber einen Vorschuss und professionelle Unterstützung im Marketing. Beim DIY-Weg behältst du die volle Kontrolle und das meiste Geld, trägst aber auch das volle finanzielle Risiko. Es gibt hier kein Richtig oder Falsch, nur den passenden Weg für dich.
Dein Team: Die wichtigsten Leute für deine Karriere
Niemand schafft es allein. Aber die falschen Leute an deiner Seite können mehr Schaden anrichten als jede Konkurrenz. Vertrauen ist gut, aber die richtigen Verträge sind besser.
Der Anwalt: Nicht irgendeiner, sondern der Richtige
Das ist die allerwichtigste Regel: Nimm dir einen Anwalt. Und zwar keinen Familienanwalt, der sich mit Mietrecht auskennt, sondern einen Fachanwalt für Musikrecht. Ja, der kostet Geld. Rechne für eine erste, gründliche Vertragsprüfung mal mit 500 bis 2.500 Euro. Das klingt nach viel, ist aber die beste Versicherung für deine gesamte Karriere. Ein guter Anwalt kennt die Tricks der Labels, verhandelt Klauseln zu deinen Gunsten und ist dein Schutzschild. Einen Vertrag ohne eigenen Anwalt zu unterschreiben, ist wie ohne Helm Motorrad zu fahren. Kann gut gehen, aber wenn nicht, ist der Schaden riesig.
Kleiner Tipp zum Finden: Google „Fachanwalt für Musikrecht + deine Stadt“, frag in Musiker-Foren oder Facebook-Gruppen nach Empfehlungen und vereinbare bei zwei, drei Kanzleien ein Erstgespräch – das ist oft sogar kostenlos.
Der Manager: Partner oder Problem?
Ein guter Manager ist Gold wert. Er kümmert sich ums Geschäftliche, damit du dich auf die Musik konzentrieren kannst. Dafür bekommt er meist 15-20 % deiner Bruttoeinnahmen. Aber es gibt schwarze Schafe. Deshalb: Checkliste! 1. Sprich mit anderen Künstlern, die diese Person betreut. Sind die happy? 2. Lass den Management-Vertrag von DEINEM Anwalt prüfen, nicht von seinem. 3. Gibt es klare Laufzeiten und Kündigungsfristen? Wenn nicht: Finger weg! Du willst nicht auf ewig an jemanden gebunden sein.
Deine Strategie: So behältst du die Kontrolle
Früher war der Künstler vom Label abhängig, um die Fans zu erreichen. Heute haben sich die Machtverhältnisse verschoben. Deine direkte Verbindung zu deinen Fans ist dein größtes Kapital.
Bau dir deine eigene Community auf. Dein E-Mail-Newsletter, dein Discord-Server, dein Telegram-Kanal – das ist deine Macht. Das ist dein Hebel in jeder Verhandlung. Wenn du 10.000 Leute hast, die direkt bei dir ein Ticket oder ein T-Shirt kaufen, bist du für jedes Label unendlich viel interessanter und kannst ganz andere Konditionen aushandeln.
Und was die Master-Rechte angeht: Auch als Newcomer kann man verhandeln. Versuch, eine Klausel reinzubekommen, die dir nach 10 oder 15 Jahren das Recht gibt, die Master zum dann aktuellen Marktwert zurückzukaufen. Das ist ein fairer Kompromiss, auf den sich viele Labels heute einlassen.
Letzte Worte: Dein Realitätscheck
Seien wir ehrlich: Die Musikindustrie ist kein Wohltätigkeitsverein. Leute wollen Geld verdienen. Das ist auch okay. Deine Aufgabe ist es, die Grenze zwischen einem harten, aber fairen Geschäft und reiner Ausbeutung zu erkennen und dich zu schützen.
Du wirst als neuer Künstler nicht jede Forderung durchsetzen können. Aber du musst wissen, wofür du kämpfst und welche Kompromisse du eingehen kannst. Und, ganz wichtig: Du musst wissen, wann du aufstehen und gehen musst. Manchmal ist der beste Deal der, den man nicht macht.
Deine Musik hat einen unschätzbaren kreativen Wert. Sorge dafür, dass sie auch einen geschäftlichen Wert für DICH hat. Lerne das Handwerk hinter der Kunst. Das ist die beste Investition, die du jemals tätigen wirst.
