Mehr als nur ’ne Romanze: Was ein Kinohit uns wirklich über das Leben in Hongkong verrät

Könnte Liebe in der Hektik Hongkongs wirklich das größte Abenteuer sein? Entdecken Sie die fesselnde Geschichte von „Hello, Love, Goodbye“.

von Dagmar Brocken

Manche Filme schaut man und vergisst sie wieder. Und dann gibt es Filme, die bleiben hängen. Die nagen an einem, weil sie etwas anstoßen, das echt ist. „Hello, Love, Goodbye“ ist genau so ein Film. Klar, auf dem Papier ist es eine Liebesgeschichte, die an den Kinokassen mega erfolgreich war. Aber ganz ehrlich? Wer hier nur die Romanze sieht, verpasst das Beste – und das Wichtigste.

Ich beschäftige mich schon lange mit den Geschichten von Menschen, die ihre Heimat verlassen, um woanders ein besseres Leben aufzubauen. Deshalb sehe ich diesen Film mit anderen Augen. Er ist ein Fenster in eine Realität, die für Hunderttausende von philippinischen Arbeitskräften in Hongkong Alltag ist. Also, vergiss die typische Filmkritik. Wir tauchen heute mal richtig tief ein und schauen hinter die glitzernde Fassade der Wolkenkratzer.

Für alle, die es eilig haben – hier die Kernaussagen:

  • Mehr als nur Liebe: Der Film ist ein starkes Sozialdrama über die Opfer, Träume und die harte Realität von Arbeitsmigrantinnen.
  • Hongkong im Fokus: Er zeigt authentisch den Alltag von über 200.000 philippinischen „Domestic Helpers“ in einer der teuersten Städte der Welt.
  • Die Wahrheit ist härter: So gut der Film auch ist, er mildert die Realität ab. Die echten Gefahren wie Ausbeutung und Schuldenfallen sind oft noch brutaler.
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Warum eigentlich weg von zu Hause? Das große „Warum“

Um die Hauptfigur Joy zu verstehen, müssen wir uns eine fundamentale Frage stellen: Warum verlässt jemand seine Familie, seine Kinder, sein ganzes Leben? Die einfache Antwort „Geld“ greift viel zu kurz. Es ist ein Netz aus wirtschaftlicher Not, Verantwortung und der verzweifelten Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Auf den Philippinen ist es für viele schlicht unmöglich, mit einem lokalen Gehalt eine Familie durchzubringen, den Kindern eine gute Ausbildung zu finanzieren oder die kranken Eltern zu versorgen. Die Arbeit im Ausland ist oft der einzige Ausweg. Diese Menschen werden oft als „moderne Helden“ gefeiert, und das zu Recht. Ihre Überweisungen nach Hause sind ein unfassbar wichtiger Wirtschaftsfaktor für das ganze Land. Wusstest du, dass diese Gelder fast 10 % der gesamten philippinischen Wirtschaftsleistung ausmachen? Ein irrer Wert!

Hongkong ist dabei ein beliebtes Ziel. Die Gesetze scheinen auf den ersten Blick klar geregelt. Es gibt einen Standardvertrag mit einem gesetzlichen Mindestlohn. Der liegt bei etwa 4.870 Hongkong-Dollar im Monat, was ungefähr 580 Euro entspricht. Dazu kommen entweder freie Kost und Logis oder eine Verpflegungspauschale.

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Klingt erst mal okay, oder? Aber jetzt kommt der Realitätscheck: Hongkong ist eine der teuersten Städte der Welt. Von diesen 580 Euro geht ein riesiger Teil direkt per Überweisung an die Familie. Für den Rest muss man hier leben. Ein einfaches Mittagessen in einem Garküchen-Lokal kostet schnell mal 8 bis 10 Euro. Die Lebenshaltungskosten fressen das Gehalt quasi auf. Sparen ist ein Kampf.

Die Kunst, Realität auf die Leinwand zu bannen

Die Macher des Films haben hier wirklich ganze Arbeit geleistet. Sie nutzen Hongkong nicht nur als schicke Kulisse, sondern die Stadt selbst wird zum Mitspieler, der die Zerrissenheit der Charaktere spiegelt.

Achte mal auf die Bildsprache: Wenn Joy und Ethan zusammen unterwegs sind, in den Parks oder den belebten Straßen, ist die Kamera oft weit weg. Wir sehen die Lichter, die Weite, die Möglichkeiten. Es fühlt sich frei an. Sobald Joy aber bei der Arbeit ist oder in ihrer winzigen Kammer, klebt die Kamera förmlich an ihr. Alles ist eng, bedrückend, fast klaustrophobisch. Dieser visuelle Kontrast ist genial, denn er zeigt uns genau, wie sie sich fühlt: gefangen in der Realität, träumend von der Freiheit.

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Und das Ende? Ehrlich gesagt, das ist der mutigste Teil des ganzen Films. In jeder typischen Hollywood-Romanze würden die beiden alles für die Liebe hinschmeißen. Aber Joy tut es nicht. Sie wählt ihren Traum, ihren Plan, nach Kanada zu gehen. Sie wählt sich selbst. Das ist so eine starke und realistische Botschaft. Für unzählige dieser Frauen ist die Verpflichtung gegenüber der Familie und die Chance auf ein besseres Leben einfach wichtiger als eine Romanze. Der Film zollt dieser harten Entscheidung Respekt.

Hongkong ist nicht gleich Hongkong: Ein Blick auf die „Sunday Culture“

Diese Geschichte könnte so nicht überall spielen. Die Verbindung zwischen den Philippinen und Hongkong ist historisch gewachsen. Seit Jahrzehnten kommen Frauen hierher, um als Hausangestellte zu arbeiten. Daraus ist eine ganz eigene Kultur entstanden: die berühmte „Sunday Culture“.

An ihrem einzigen freien Tag in der Woche verwandeln sich öffentliche Plätze wie der Victoria Park in ein kleines Manila. Tausende Frauen breiten Pappkartons als Picknickdecken aus, sie essen zusammen, lachen, tanzen, schneiden sich die Haare, tauschen die neuesten Geschichten aus. Der Film fängt diese Atmosphäre unglaublich lebendig ein. Das ist mehr als nur Freizeit. Es ist ein Akt der Selbstbehauptung, ein wöchentliches Aufladen der Batterien und ein lebenswichtiges soziales Netz, um das Heimweh zu überleben.

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Kleiner, aber wichtiger Vergleich: Im Gegensatz zu vielen Ländern im Nahen Osten, wo das sogenannte „Kafala-System“ die Arbeiterinnen quasi zum Eigentum ihres Arbeitgebers macht, bietet Hongkong zumindest auf dem Papier mehr Schutz. Es gibt den Mindestlohn und den gesetzlich verankerten freien Tag. Im Kafala-System sind die Frauen oft komplett rechtlos, können den Job nicht wechseln und sind Willkür schutzlos ausgesetzt. Das heißt nicht, dass in Hongkong alles super ist – ganz und gar nicht. Aber es gibt einen rechtlichen Rahmen, auf den man sich im Notfall berufen kann.

Achtung: Die ungeschönte Wahrheit hinter der Fiktion

Ein Kinofilm muss natürlich auch unterhalten. Deshalb ist es wichtig zu wissen, dass „Hello, Love, Goodbye“ die Realität an manchen Stellen weicher zeichnet. Aus meiner Erfahrung und aus Berichten von Hilfsorganisationen weiß ich: Das Leben vieler Frauen ist leider noch viel härter.

Die Schuldenfalle: Ein riesiges Problem sind die illegalen Gebühren der Vermittlungsagenturen. Stell dir vor, du musst die ersten drei bis sechs Monatsgehälter komplett an eine Agentur abtreten, obwohl gesetzlich vielleicht nur eine kleine Gebühr erlaubt wäre. In dieser Zeit arbeitest du quasi umsonst und bist extrem erpressbar. Verlierst du den Job, stehst du mit einem riesigen Schuldenberg da. Eine absolute Katastrophe.

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Sicherheitsrisiko: Verbale, psychische und leider auch physische oder sexuelle Gewalt sind keine Seltenheit. Viele Arbeitgeber nehmen den Frauen ihre Pässe ab (was illegal ist), um sie vollständig zu kontrollieren. Die Isolation in einer fremden Wohnung macht es unglaublich schwer, Hilfe zu holen. Der Film zeigt eine strenge, aber keine bösartige Arbeitgeberin. Die Realität kann viel düsterer sein.

Die seelische Last: Vergessen wir nie die psychische Belastung. Die Trennung von den eigenen Kindern, die man über Jahre nur per Videoanruf aufwachsen sieht, ist brutal. Depressionen und Angstzustände sind weit verbreitet. Joys Stärke im Film ist bewundernswert, aber sie ist nicht selbstverständlich.

Was der Film uns über unsere Welt verrät

Wenn man noch einen Schritt weiter geht, ist der Film auch eine leise, aber scharfe Kritik. Joys Geschichte ist zutiefst feministisch. Sie bricht mit dem alten Klischee der Frau, die ihre Träume für einen Mann aufgibt. Sie ist die Architektin ihres eigenen Schicksals und stellt ihre Unabhängigkeit an erste Stelle. Eine unglaublich moderne und wichtige Haltung.

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Gleichzeitig hält uns der Film den Spiegel vor. Ein globales System, das es nötig macht, dass eine Mutter ihr Kind verlässt, um das Kind einer reichen Familie am anderen Ende der Welt großzuziehen, hat doch irgendwo einen grundlegenden Fehler, oder? Der Film zeigt die menschlichen Kosten dieser globalen Ungleichheit, ohne mit dem Finger zu zeigen.

Was bleibt – und was du jetzt tun kannst

„Hello, Love, Goodbye“ ist mehr als nur ein Film. Er ist ein Weckruf. Er gibt den unsichtbaren Heldinnen des Alltags endlich ein Gesicht. Wenn du das nächste Mal durch eine Großstadt läufst und diese Gruppen von Frauen siehst, die ihren freien Sonntag genießen, siehst du sie vielleicht mit anderen Augen.

Und falls du dich jetzt fragst: „Okay, und was jetzt?“ – hier ein paar ganz konkrete Ideen:

  • Schau den Film: Falls du ihn noch nicht gesehen hast, tu es! Du findest ihn normalerweise auf Streaming-Plattformen wie Netflix. Such einfach mal danach.
  • Unterstütze Organisationen: Es gibt fantastische Organisationen in Hongkong, die diesen Frauen helfen. Schau dir mal die Webseiten von „HELP for Domestic Workers“ oder der „Mission for Migrant Workers“ an. Schon eine kleine Spende kann dort einen riesigen Unterschied machen.
  • Teile die Geschichte: Sprich mit Freunden über den Film. Teile diesen Artikel. Je mehr Menschen die Realität hinter der Glitzerfassade verstehen, desto besser. Bewusstsein ist der erste Schritt zur Veränderung.

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Doch wie weit kommt man mit dem gesetzlichen Mindestlohn von ca. 580 Euro in einer der teuersten Städte der Welt?

Obwohl Unterkunft und Verpflegung im Haus des Arbeitgebers oft vertraglich geregelt sind, muss von diesem Gehalt alles andere bestritten werden. Der Löwenanteil fliesst direkt als Überweisung (remittance) an die Familie auf den Philippinen. Vom Rest müssen persönliche Ausgaben, Transportkosten am freien Tag und vor allem die oft hohen Gebühren der Vermittlungsagenturen bezahlt werden. Ein einfaches Essen in einem günstigen Lokal in Hongkong kostet schnell 8-10 Euro. Viel Spielraum für Ersparnisse oder unvorhergesehene Ausgaben bleibt da nicht, was viele Frauen in einer prekären Abhängigkeit hält.

Hallo, Love, Goodbye Joy und Ethan gehen durch Hongkong auf dem Poster Hello, Love, Goodbye
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An Sonntagen verwandeln sich die Fussgängerbrücken und öffentlichen Plätze in Central und am Victoria Park in ein Meer aus Pappkartons und Picknickdecken.

Dieses Phänomen ist das sichtbarste Zeichen der philippinischen Gemeinschaft in Hongkong. Da die „Domestic Helpers“ in den oft winzigen Wohnungen ihrer Arbeitgeber leben und nur einen freien Tag pro Woche haben, erobern sie sich den öffentlichen Raum für ihr Sozialleben. Hier wird geredet, gelacht, gegessen und per Videoanruf mit der Familie in der Heimat telefoniert. Es ist ein beeindruckendes Schauspiel von Solidarität und Resilienz.

Filmische Fiktion: „Hello, Love, Goodbye“ nutzt eine Liebesgeschichte, um die Lebensumstände der philippinischen Arbeitskräfte emotional zugänglich zu machen, mildert aber zwangsläufig die härtesten Aspekte ab.

Dokumentarische Realität: Für einen ungefilterten Einblick lohnt sich der preisgekrönte Dokumentarfilm „Sunday Beauty Queen“ (2016). Er begleitet eine Gruppe von Hausangestellten, die an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen – ihre einzige Flucht aus einem Alltag voller Isolation und Ausbeutung. Der Film zeigt die ungeschönte Wahrheit hinter der glitzernden Fassade.

Dagmar Brocken

Dagmar Brocken hat Medienwissenschaft in Bonn absolviert und innerhalb fünf Jahren ist Teil von bekannten deutschen Nachrichtenteams.