Mehr als nur Farbeimer: Wie Film-Profis ein ganzes Haus zur Falle machen
Ein Klassiker wird neu interpretiert! Entdecke, warum das Remake von „Kevin – Allein zu Haus“ ein heiß diskutiertes Thema ist.
„Ich bin kein Fan von Remakes“, soll Shakespeare einst gesagt haben, während er die Theaterbühne mit einer leeren Wohnung verglich. Genau hier, in einem leeren Raum voller Erinnerungen, wird die Geschichte von Kevin neu entfaltet. Ein Junge, der nicht nur sein Zuhause, sondern auch unser Herz verteidigt, wird in einer modernen Neuauflage auf die Probe gestellt.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich damals als junger Schreinergeselle von diesem neuen Kinohit aus Amerika hörte. Alle in der Werkstatt haben darüber geredet und später im Kino über die genialen Streiche gelacht. Ich natürlich auch! Aber ehrlich gesagt, habe ich noch etwas anderes gesehen. Ich sah die schwingenden Farbeimer, die spiegelglatte Treppe und diesen verflucht glühenden Türknauf. Und in meinem Kopf ratterte es: Wie zur Hölle haben die das gemacht, ohne dass jemand ernsthaft verletzt wird?
Inhaltsverzeichnis
Heute, viele Jahre und unzählige Filmkulissen später, bin ich Meister in meinem Fach. Und wenn jetzt die Rede von einem möglichen Remake ist, sehe ich vor allem eins: einen gigantischen handwerklichen Aufwand. Die Leute werfen mit Zahlen wie 50 oder 100 Millionen Euro um sich. Ich kann euch aus der Praxis erzählen, wo diese Unsummen wirklich landen. Und glaubt mir, das sind nicht nur die Gagen der Stars.
Das Fundament: Ein Haus, das mehr können muss
Das Herzstück des Ganzen ist natürlich das Haus. Man kann nicht einfach irgendeine Villa nehmen. Sie muss dem Original ähneln, um die Nostalgie zu wecken, aber gleichzeitig fit für ein modernes Filmset sein. Das bedeutet fast immer: Wir bauen das Ding oder zumindest wichtige Teile davon im Studio nach.

Und so ein Nachbau ist kein Puppenhaus. Die Wände müssen tonnenschwere Kamerakräne, Scheinwerfer und die gesamte Crew tragen. Wir sprechen hier von stabilen Holz- und Stahlkonstruktionen, die später nur verkleidet werden. Der Clou: Jede Wand und jede Decke ist so gebaut, dass man sie in Minuten entfernen kann. Nur so bekommt der Kameramann seine perfekte Einstellung.
Ach ja, und dann kommt der Brandschutz. Auf einem Set mit all der heißen Technik ist das Thema Nummer eins. Jedes Material, von der Holzplatte bis zur Tapete, muss mindestens „schwer entflammbar“ sein. Gut zu wissen: Eine normale Gipskartonplatte kostet dich im Baumarkt vielleicht 4-5 € pro Quadratmeter. Die B1-zertifizierte Variante für ein Filmset? Rechne mal locker mit dem Doppelten bis Dreifachen. Sicherheit ist hier nicht verhandelbar, Punkt.
Die Physik der Fallen: Kontrolliertes Chaos für die Kamera
Jetzt wird’s spannend: die Fallen! Jede einzelne ist ein kleines Meisterwerk, ein Zusammenspiel aus Requisitenbau, Stunt-Koordination und cleveren Tricks. Es geht darum, die Physik so zu manipulieren, dass es gefährlich aussieht, aber absolut sicher ist.

Stellen wir doch mal die Illusion und die handwerkliche Realität gegenüber:
Die Illusion: Der glühend heiße Türknauf.
In Wirklichkeit wird hier niemand gegrillt. Der Knauf selbst ist oft aus einem speziellen Kunststoff, in den wir winzige, aber superhelle LEDs einbauen. Die werden per Funk ausgelöst und leuchten rot auf. Der aufsteigende „Dampf“? Kommt aus einem hauchdünnen Schlauch, der durch die Tür geführt wird und an einer kleinen Nebelmaschine hängt. Die verbrannte Hand ist am Ende nur ein Meisterwerk der Maskenbildner mit etwas Silikon und Farbe.
Die Illusion: Die spiegelglatte Kellertreppe.
Echtes Eis würde unter den Scheinwerfern sofort schmelzen. Stattdessen gießen die Profis oft eine Schicht klares Acrylharz oder Silikon auf die Stufen. Das sieht täuschend echt aus, bietet aber eine berechenbare Rutschfläche. Die Stuntleute tragen dabei fast unsichtbare Sicherungsseile und spezielle Schuhe. Ihr Sturz ist eine perfekt choreografierte Nummer, die auf weichen Matten außerhalb des Kamerabildes endet.
Die Illusion: Herabfallende Bügeleisen und Farbdosen.
Ganz ehrlich, die Gegenstände, die auf die Köpfe der Einbrecher krachen, sind niemals echt. Das Bügeleisen wäre eine Attrappe aus leichtem Hartschaum, die vielleicht nur 300 Gramm wiegt – also etwa so viel wie ein Päckchen Butter. Es wird nur so bemalt, dass es wie zwei Kilo Gusseisen aussieht. Die schwingenden Farbeimer? Aus Weichgummi. Und die „Farbe“ darin ist eine harmlose Mischung. Kleiner Tipp, falls ihr mal Filmfarbe für ein Projekt braucht: Mischt einfach Wasser mit Speisestärke (für die Konsistenz) und Lebensmittelfarbe. Völlig ungiftig und lässt sich super auswaschen. So ähnlich machen wir das auch!

Die unsichtbaren Kosten: Wo das Geld wirklich versickert
Jetzt mal Butter bei die Fische: Warum ist das alles so teuer? Ein großer Teil des Budgets verschwindet in Dingen, die man im Film nie sieht. Ganz grob über den Daumen gepeilt, könnte man bei so einem Projekt sagen: 50 % gehen für das Personal drauf (und das sind hunderte Leute!), 20 % für Material und Bauten, 10 % für Miete von Studios und Technik und gut 20 % für alles andere, inklusive Sicherheit, Versicherungen und unzählige Wiederholungen.
Nehmen wir die Szene mit den Federn. Im Film ein kurzer Lacher. Am Set? Ein Albtraum. Allein um die Federn nach diesem einen Gag wieder aufzusammeln, kann ein Team von vier Leuten locker zwei Stunden beschäftigt sein, bevor die nächste Klappe fallen kann. Jeder einzelne Take kostet also nicht nur Zeit, sondern bares Geld – ein Drehtag kann schnell über 100.000 Euro kosten.
Das Gleiche gilt für Requisiten, die kaputtgehen. Fensterscheiben werden aus „Zuckerglas“ hergestellt, das sicher zerbricht. Davon brauchen wir aber nicht eine, sondern vielleicht zwanzig identische Scheiben, weil der Stunt selten beim ersten Mal perfekt sitzt. Kleiner Fun Fact am Rande: Zuckerglas ist eine echte Diva. Es ist extrem empfindlich gegenüber Luftfeuchtigkeit. Lässt man es zu lange offen liegen, wird es klebrig und zerbricht nicht mehr realistisch. Darum wird es oft erst Sekunden vor dem Dreh ausgepackt!

Sicherheit zuerst: Das ungeschriebene Gesetz am Set
Ich kann es nicht oft genug sagen: Die größte und teuerste Aufgabe ist die Sicherheit. Als Meister trage ich Verantwortung. Bei uns in Deutschland muss zum Beispiel jede noch so kleine Aufhängung für einen Stunt von einem Statiker abgenommen werden, oft schaut sogar der TÜV vorbei. Das kostet Zeit und Geld, ist aber unser Sicherheitsnetz.
Ich habe mal einen jungen Kollegen erwischt, der bei einer Stützwand Schrauben einsparen wollte. Ich hab ihn zur Seite genommen und gesagt: „Hör zu, diese Wand sieht unwichtig aus. Aber wenn der Star sich dagegenlehnt und sie nachgibt, verstaucht er sich den Knöchel. Das stoppt die Produktion für Wochen und kostet Hunderttausende. Deine eine Schraube ist eine Versicherungspolice.“ Diese Lektion hat er, glaube ich, nie wieder vergessen.
Bei einem Remake käme heute natürlich auch viel mehr Computertechnik (CGI) ins Spiel. Die berühmte Tarantel im Gesicht? Würde man heute wohl digital einfügen, das ist sicherer für alle. Aber die besten Regisseure wissen: Die echte, physische Reaktion eines Schauspielers, wenn wirklich (sicher gemachte) Dinge um ihn herum passieren, kann man kaum digital fälschen. Die Kunst liegt darin, das Beste aus beiden Welten zu vereinen.

Ein Remake ist also so viel mehr als eine Kopie. Es ist eine komplette Neuinterpretation mit den Mitteln und Sicherheitsstandards von heute. Und wenn ich mir die ganzen Fallen so anschaue, weiß ich: Das ist ein Projekt, das Respekt verlangt. Respekt vor dem Original, aber vor allem Respekt vor dem unsichtbaren Handwerk dahinter.
Inspirationen und Ideen
Wie wurde der Türknauf wirklich zum Glühen gebracht, ohne den Schauspieler zu verbrennen?
Vergessen Sie echte Hitze. Der Trick war reines Licht! Im Inneren der Tür wurde eine extrem helle, rot gefärbte Leuchte montiert, die ihr Licht durch ein kleines, präzise gebohrtes Loch auf die Rückseite des Türknaufs warf. Der Knauf selbst war ein Requisit aus einem speziellen Material, das das Licht aufnahm und es so aussehen ließ, als würde es von innen glühen. Ein simpler, aber genialer Effekt, der null Verbrennungsgefahr birgt.
Auf einem Filmset gibt es keinen „versehentlichen“ Sturz. Jeder einzelne Fall, sei er noch so klein, wird auf speziell angefertigten, versteckten Polstern aus hochdichtem Schaumstoff gelandet. Selbst unter Teppichen oder in Kleidung werden millimeterdünne, aber extrem effektive Pads eingenäht.
Die wahren Helden bei solchen Drehs sind oft die Requisiteure. Für die Szene, in der Marv barfuß auf Christbaumkugeln tritt, mussten sie Dutzende von „Kugeln“ aus sprödem Kandiszucker oder hauchdünnem Harz herstellen. Jede einzelne musste identisch aussehen, aber bei der kleinsten Berührung sicher zerbrechen. Für jeden Take wurden neue, perfekte Kugeln ausgelegt. Eine Sisyphusarbeit, die im fertigen Film nur wenige Sekunden dauert.
- Ein Darsteller rutscht perfekt auf Kommando auf einer trockenen Veranda aus.
- Ein anderer verliert auf einem scheinbar normalen Fliesenboden den Halt.
- Eine Verfolgungsjagd auf blankem Asphalt wirkt wie auf Glatteis.
Das Geheimnis hinter diesem kontrollierten Ausrutschen? Oft ist es Methocel, ein klares, auf Zellulose basierendes Gel. Es ist unsichtbar, extrem glitschig, kann präzise aufgetragen werden und lässt sich nach dem Dreh einfach mit Wasser abwaschen.
Das Geheimnis des splitternden Glases: Wenn im Film eine Fensterscheibe zerbricht, handelt es sich fast nie um echtes Glas. Man verwendet sogenanntes „Zuckerglas“ oder moderne Kunstharze wie „SMASH! Plastic“. Diese Materialien sind so konzipiert, dass sie spektakulär in unzählige stumpfe, ungefährliche Krümel zerspringen und dabei den exakten Klang von echtem Glas erzeugen – ohne das Risiko von Schnittwunden.
Über 70 % der Geräusche, die Sie in einem Actionfilm hören, werden nicht am Set aufgenommen, sondern nachträglich von einem Foley Artist (Geräuschemacher) erzeugt.
Das ikonische „Klonk“ der Farbeimer, die die Einbrecher treffen, entstand wahrscheinlich nicht durch den Aufprall der leichten Requisiten. Stattdessen schlägt ein Foley Artist im Studio vielleicht mit einem Hammer auf eine Blechtonne oder wirft einen Kohlkopf gegen eine Holzwand, um den perfekten, schmerzhaft klingenden Sound zu kreieren. Der Knochenbruch-Sound? Oft das Geräusch von Sellerie, das nahe am Mikrofon zerbrochen wird. Die Akustik der Fallen ist eine ganz eigene Kunstform.
Eis für die Optik: Leichte Kunststoffflocken, oft „Cryo-Flakes“ genannt, sind perfekt, um Oberflächen sanft zu bedecken. Sie wirbeln wunderschön im Wind einer Windmaschine.
Eis für den Stunt: Um eine spiegelglatte, gefährlich aussehende Fläche zu erzeugen, kommt ein transparentes Polymer-Gel zum Einsatz. Es ist rutschig, aber kontrollierbar und schmilzt nicht unter den heißen Studioscheinwerfern.
Der Profi kombiniert oft beides: eine Gelschicht für den Glanz und eine dünne Schicht Flocken für die Textur.
Warum nicht einfach echten Schnee verwenden? Weil er schmilzt, seine Form verändert und die Konsistenz von Szene zu Szene ruiniert – ein Albtraum für die Kontinuität am Filmset. Deshalb greifen Profis auf ein ganzes Arsenal an Kunstschnee zurück:
- Für den Look: „Snowcel“, ein Produkt aus recyceltem Papier, ist der Industriestandard für realistisch aussehenden, liegenden Schnee. Es ist biologisch abbaubar und leicht zu formen.
- Für fallende Flocken: Leichte Polymer-Flocken oder sogar speziell präparierte Seifenschaum-Mischungen werden von großen Maschinen in die Luft geblasen, um einen magischen Schneefall zu erzeugen.
- Für Schneewehen: Große Blöcke aus weiß gestrichenem Styropor bilden die Basis, die dann mit einer Schicht feinerem Kunstschnee überzogen wird, um die Illusion perfekt zu machen.
- Breakaway-Requisiten: Jedes Objekt, das den Stuntman trifft (wie die Farbeimer), besteht aus weichem Balsaholz oder speziellem Schaumstoff.
- Versteckte Seilzüge: Oft werden Darsteller an kaum sichtbaren Seilen gesichert, um die Richtung und Geschwindigkeit eines Falls zu kontrollieren.
- Kommunikation: Ein klares Zeichen oder ein Codewort zwischen Stunt-Koordinator und Schauspieler löst die Aktion exakt im richtigen Moment aus.
- Probeläufe: Nichts wird dem Zufall überlassen. Jede Falle wird unzählige Male in Zeitlupe und mit Dummys getestet.
In einer Ära, in der CGI fast alles möglich macht, erlebt der handgemachte Stunt eine Renaissance. Die Physik lässt sich eben nicht digitalisieren. Das Publikum spürt instinktiv, wenn ein Sturz echt ist, wenn ein Objekt tatsächlich durch den Raum fliegt. Die kreative Problemlösung, wie sie bei den Fallen in „Kevin – Allein zu Haus“ zelebriert wird, inspiriert auch heute noch Filmemacher. Denn der Nervenkitzel einer cleveren, praktischen Falle ist oft wirkungsvoller als jede computergenerierte Explosion.
