Dein Pickup-Coupé Projekt: Vom Garagenfund zum H-Kennzeichen – Ein Werkstatt-Insider packt aus

Ein Film, der mit nur einem Wort die Erinnerungen an eine legendäre Serie weckt – „El Camino“ ist kein gewöhnlicher Weg, sondern ein Abenteuer.

von Michael von Adelhard

Kennst du das? Du siehst in einem Film ein cooles altes Auto und denkst dir: So eins will ich auch! Oft ist das ein sogenanntes Pickup-Coupé, ein faszinierender Mix aus PKW und LKW. Für die meisten ist es nur eine coole Requisite, aber für uns Schrauber ist es der Anfang von etwas Großem: einem echten Restaurierungsprojekt.

Ganz ehrlich, in meiner Werkstatt habe ich schon einige dieser amerikanischen Klassiker gesehen. Manche kamen als rostiger Garagenfund, andere als hoffnungsvoller Import aus Übersee. Die Faszination ist immer dieselbe, aber der Weg zum glänzenden Schmuckstück mit H-Kennzeichen ist oft steinig. In diesem Beitrag nehme ich dich mit auf diese Reise – ohne Schönrednerei, dafür mit echten Einblicken aus dem Werkstattalltag. Was kostet der Spaß wirklich? Wo lauern die Fallen? Und wie packt man es richtig an?

Was ist das für ein Auto? Die Technik dahinter verstehen

Bevor wir auch nur eine Schraube anfassen, müssen wir kurz klären, womit wir es zu tun haben. Dieses Fahrzeug ist kein normaler Pickup. Es ist ein „Coupe Utility“ – also im Grunde eine Limousine, der man eine Ladefläche verpasst hat. Der riesige Vorteil: Es fährt sich viel komfortabler und PKW-ähnlicher als ein bockiger Lastwagen, bietet aber trotzdem Platz für den Einkauf im Baumarkt oder das Surfbrett.

der schauspieler charles baker in der rolle von skinny pete in dem film el camino a breaking bad movie von netflix, büro und ein handy

Die meisten Modelle, die du hierzulande findest, basieren auf gängigen Plattformen großer amerikanischer Hersteller. Das ist pures Gold für Restauratoren! Viele Teile des Fahrwerks, der Bremsen und des Motors sind identisch mit denen von weit verbreiteten Limousinen aus der gleichen Ära. Das macht die Ersatzteilsuche, und glaub mir, die wird kommen, um ein Vielfaches einfacher.

Die Konstruktion ist klassisch amerikanisch: ein stabiler Leiterrahmen, auf den die Karosserie aufgeschraubt ist. Diese „Body-on-Frame“-Bauweise ist ein Segen. Man kann die Karosserie komplett vom Rahmen abheben und beide Teile getrennt voneinander bearbeiten. So kommt man an Stellen, von denen Besitzer moderner Autos nur träumen können. Aber Achtung: Der massive Rahmen kann heimtückisch von innen nach außen durchrosten. Das volle Ausmaß des Schreckens siehst du oft erst, wenn alles zerlegt ist.

Die erste Besichtigung: Augen auf beim Autokauf!

Der aufregendste Moment ist die erste Begutachtung. Ein verlockend günstiger Preis kann sich schnell als Geldgrab entpuppen. Aus meiner Erfahrung als Meister und Sachverständiger habe ich eine feste Checkliste im Kopf, die schon so manche böse Überraschung verhindert hat.

der film em camino a breaking bad movie, der offizielle poster zu dem film mit einem kleinen auto chevrolet el camino

Profi-Tipp: Nimm einen kleinen Magneten mit! Ein einfacher Kühlschrankmagnet reicht schon. Wo er nicht hält, ist kein Blech mehr, sondern eine dicke Schicht Spachtel. Ein unschätzbar wertvoller Trick, der in Sekunden die Wahrheit ans Licht bringt!

1. Rost – Der Erzfeind jedes Klassikers
Amerikanischer Stahl aus dieser Zeit war zwar dick, aber der werkseitige Rostschutz war, sagen wir mal, optimistisch. Schau dir diese Stellen ganz genau an:

  • Der Rahmen: Klopf den Rahmen mit einem kleinen Hammer oder dem Griff eines Schraubendrehers ab. Klingt es dumpf oder gibt das Material sogar nach? Finger weg! Besonders die Bögen über der Hinterachse und die vorderen Enden sind anfällig. Ich hatte mal einen Kandidaten in der Werkstatt, bei dem ich mit dem Schraubendreher ohne Kraft ein Loch in den Hauptträger stechen konnte. Die Reparatur allein hat über eine Woche gedauert.
  • Die Ladefläche: Unter Gummimatten oder Holzeinlagen sammelt sich über Jahrzehnte Wasser. Heb alles hoch! Ein durchgerosteter Ladeflächenboden ist eine riesige und teure Baustelle.
  • Schweller und Bodenbleche: Die Klassiker. Drück ruhig mal fest mit dem Daumen dagegen. Fühlt es sich weich oder knusprig an, weißt du Bescheid.
  • Hinter dem Rückfenster: Manche Modelle haben hier ein kleines, verstecktes Staufach. Eine geniale Idee, aber leider auch eine perfekte Feuchtigkeitsfalle. Rost an dieser Stelle ist extrem aufwendig zu reparieren.

2. Motor und Technik
Die V8-Motoren sind meist robuste und simple Gesellen. Trotzdem gilt:

der schauspieler charles baker in der rolle von skinny pete in der serie breaking bad von amc, ein mann mit hut
  • Motorstart: Springt er willig an? Blauer Rauch aus dem Auspuff bedeutet verbranntes Öl (teure Motorrevision), weißer Rauch kann auf Wasser im Brennraum hindeuten (Zylinderkopfdichtung).
  • Die Flüssigkeiten: Das Motoröl sollte nicht pechschwarz oder gar milchig-schaumig sein. Das Getriebeöl muss rot sein und darf auf keinen Fall verbrannt riechen.
  • Probefahrt: Poltert es bei jedem Schlagloch? Zieht das Auto beim Bremsen schief? Verschlissene Buchsen sind zwar ein überschaubarer Kostenpunkt, aber es läppert sich.

3. Die Papiere – Wichtiger als der Lack!
Ein Auto ohne saubere Papiere ist nur ein Haufen teures Altmetall. Bei einem Importfahrzeug brauchst du ZWINGEND:

  • Den US-Title: Das ist der amerikanische Fahrzeugbrief. Ohne ihn ist eine Zulassung in Deutschland quasi unmöglich.
  • Zoll-Unbedenklichkeitsbescheinigung: Sie bestätigt, dass alle Abgaben bezahlt sind. Fehlt dieses Papier, fordert das Hauptzollamt die Nachzahlung. Und das ist teuer: Rechne mit 10 % Zoll plus 19 % Einfuhrumsatzsteuer auf den geschätzten Fahrzeugwert. Ein Fehler, der dich schnell mehrere Tausend Euro kosten kann!

Ach ja, und wo findet man solche Schätze überhaupt? Neben den üblichen Portalen wie Mobile.de oder Kleinanzeigen lohnt sich ein Blick in spezialisierte US-Car-Foren oder sogar auf US-amerikanische Verkaufsseiten, wenn du einen Import nicht scheust.

szene aus der serie von amc breaking bad, der schauspieler aaron paul in der rolle von jesse pinkman, ein junger mann mit bart

Vom Blech zum Glanz: Die Restaurierung Schritt für Schritt

Eine „Frame-Off“-Restaurierung, also die komplette Trennung von Rahmen und Karosserie, ist die Königsklasse. So gehen wir Profis vor:

1. Die Zerlegung: Der wichtigste Schritt
Ein Leitsatz, den jeder Azubi bei mir lernt: „Mach mehr Fotos, als du für nötig hältst. Dein zukünftiges Ich wird es dir danken!“ Jede Schraube, jeder Halter, jedes Kabel wird fotografiert und in beschrifteten Tüten sortiert. Nichts ist frustrierender, als beim Zusammenbau vor einem Berg von Teilen zu stehen und nicht zu wissen, wohin damit.

2. Entrosten und Entlacken
Sandstrahlen ist effektiv, aber für dünne Karosseriebleche zu aggressiv – die Gefahr von Hitzeverzug ist riesig. Hier nutzen wir schonendere Verfahren wie Glasperlen- oder Kunststoffstrahlen. Der massive Rahmen verträgt aber die volle Dröhnung. Die sauberste, aber auch teuerste Methode ist ein chemisches Tauchbad. Das Ergebnis ist eine perfekte, porentief reine Rohkarosse.

3. Schweißen wie ein Profi
Jetzt kommt die Wahrheit ans Licht. Jede befallene Stelle wird großzügig bis ins gesunde Blech herausgetrennt. Dann werden neue Bleche passgenau angefertigt und stumpf, also Kante an Kante, eingeschweißt. Überlappende Bleche sind tabu, da sich dazwischen wieder Feuchtigkeit sammeln kann – eine Todsünde im Karosseriebau!

4. Der Lackaufbau – Das Fundament für den Spiegelglanz
Der zeitaufwendigste Teil der ganzen Arbeit! Hier wird nicht gespart. Auf das blanke, geschliffene Metall kommt als Allererstes eine 2K-Epoxid-Grundierung. Sie versiegelt das Blech wasserdicht und ist der beste Rostschutz, den es gibt. Erst danach werden winzige Unebenheiten gespachtelt und das Ganze mit einem dicken Füller überzogen. Dann kommt der Knochenjob: das Blockschleifen. Mit einem langen Schleifklotz wird der Füller von Hand geschliffen, immer wieder, bis die Oberfläche so glatt ist wie ein Babypopo. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen und hier entsteht die Basis für einen Lack, in dem du dich spiegeln kannst.

Technik-Upgrades, die sich wirklich lohnen

Während die Karosserie in der Lackierkabine verschwindet, kümmern wir uns um die Technik. Der Rahmen wird oft pulverbeschichtet, das ist robuster als jeder Lack. Und dann kommt die große Frage bei den Fahrwerksbuchsen.

Du hast die Wahl: traditionelle Gummibuchsen oder moderne Polyurethan-Buchsen (PU)? – Gummibuchsen sind wie das Original: Sie bieten mehr Komfort und ein weicheres Fahrgefühl, verschleißen aber auch schneller. – PU-Buchsen sind die sportliche Alternative: Sie sind härter, extrem langlebig und verleihen dem Auto ein viel direkteres, strafferes Fahrverhalten. Meiner Meinung nach für jeden, der gerne auch mal eine kurvige Landstraße genießt, die bessere Wahl. Ein kompletter Satz kostet meist zwischen 150 € und 250 €.

Ein weiteres, extrem sinnvolles Upgrade ist die Bremse. Viele dieser Klassiker haben rundum Trommelbremsen. Für den heutigen Verkehr ist das, ehrlich gesagt, grenzwertig. Eine Umrüstung auf Scheibenbremsen, zumindest an der Vorderachse, ist eine der besten Investitionen in deine Sicherheit. Ein Umrüstkit kostet etwa 500 € bis 900 € und wird auch vom TÜV-Prüfer sehr gerne gesehen.

Kleiner Tipp für Fortgeschrittene: Der serienmäßige Small-Block-V8 ist oft eher ein gemütlicher Cruiser. Ein beliebtes und H-Kennzeichen-konformes Upgrade ist eine modernere Ansaugspinne mit einem passenden Vierfach-Vergaser von bekannten Zubehörmarken. Das ist zeitgenössisch, relativ einfach zu montieren und sorgt für spürbar mehr Fahrspaß, ohne den Motor selbst zerlegen zu müssen.

Die letzte Hürde: TÜV und H-Kennzeichen

Ein perfekt restauriertes Auto ist wertlos ohne Straßenzulassung. Für einen Import ist eine Vollabnahme nach § 21 StVZO nötig. Die Anforderungen für das begehrte H-Kennzeichen sind klar definiert: Der Zustand muss gut und das Fahrzeug weitgehend original oder zeitgenössisch umgebaut sein.

Hier ist eine kleine „Einkaufsliste“ für den TÜV: – Beleuchtung: Sie muss auf europäische Standards mit E-Prüfzeichen umgerüstet werden. Rote Blinker hinten sind verboten. Rechne hier mit 200 € bis 400 €. – Datenblatt: Da es keinen deutschen Brief gibt, brauchst du ein technisches Datenblatt. Das erstellen spezialisierte Abteilungen der großen Prüforganisationen oder unabhängige Sachverständige. Plan dafür ein paar hundert Euro ein. – Reifen und Bremsen: Müssen natürlich in einwandfreiem Zustand sein.

Mein wichtigster Rat: Such dir eine Prüfstelle, die Erfahrung mit US-Fahrzeugen hat! Ein Prüfer, der diese Autos kennt, weiß, was original ist und welche Umbauten in Ordnung gehen. Das erspart unglaublich viel Frust und Geld.

Butter bei die Fische: Was kostet so ein Projekt wirklich?

Jetzt wird’s ernst. Die romantische Vorstellung, für 5.000 € einen coolen Klassiker zu bauen, ist leider ein Märchen. Hier sind realistische Zahlen:

  • Anschaffung: Ein fahrbereites, aber sanierungsbedürftiges Projektfahrzeug liegt zwischen 8.000 € und 15.000 €. Für eine gute, rost- und spachtelarme Basis bist du schnell bei 20.000 € oder mehr.
  • Import (falls nötig): Transport, Zoll und Steuern summieren sich auf ca. 3.000 € bis 5.000 €.
  • Restaurierung: Hier hängt alles von deinem Können ab.
    • Wenn du alles selbst machst: Plane allein für Material (Lack, Grundierung, Bleche, Technik-Teile, Reifen etc.) mindestens 15.000 € bis 25.000 € ein. Werkzeug und eine Halle noch nicht mitgerechnet.
    • Vom Profi machen lassen: Eine komplette Frame-Off-Restaurierung in einer Fachwerkstatt ist eine massive Investition. Je nach Zustand und Anspruch sind 60.000 € bis über 100.000 € realistisch. In so einem Projekt stecken schnell 1.500 Arbeitsstunden und mehr.

    Gut zu wissen: Die Teileversorgung ist top! Du kannst vieles direkt bei großen Online-Shops in den USA bestellen (Achtung, Zoll und Lieferzeit!) oder bei spezialisierten Händlern in Deutschland kaufen, die oft schneller liefern und bei Fragen helfen können.

    Sicherheit in der Garage – Nimm das bitte ernst!

    Wer selbst schraubt, muss die Gefahren kennen. Ich sage das ganz direkt, weil ich schon schlimme Unfälle gesehen habe:

    • Auto anheben: NIEMALS nur mit dem Wagenheber arbeiten! Sichere das Auto immer mit massiven Unterstellböcken auf einem festen, ebenen Boden ab. Ein Auto, das von der Hebebühne oder dem Wagenheber rutscht, gibt dir keine zweite Chance.
    • Schweißen & Schleifen: Trage immer eine Automatik-Schweißmaske, feuerfeste Kleidung und Handschuhe. Funkenflug kann blitzschnell einen Brand auslösen. Und die Dämpfe, die beim Schweißen oder Schleifen von altem Lack und Grundierung entstehen, sind hochgiftig. Gute Belüftung ist das A und O!
    • Chemikalien: Lösungsmittel, Lacke, Verdünner – das Zeug ist aggressiv. Eine gute Atemschutzmaske (A2/P2-Filter), Schutzbrille und chemikalienfeste Handschuhe sind absolute Pflicht.

    Ein letzter Gedanke aus der Werkstatt

    So ein Pickup-Coupé ist ein fantastischer Einstieg in die Welt der US-Klassiker. Die Technik ist verständlich, die Teileversorgung super. Aber der Weg dorthin erfordert Schweiß, Geduld und ein realistisches Budget. Am Ende geht es aber um so viel mehr als nur das fertige Auto. Es geht um das Handwerk, das du lernst. Um das unbezahlbare Gefühl, ein Stück rostiges Blech mit den eigenen Händen wieder zum Leben erweckt zu haben.

    Und wenn du dann an einem warmen Sommertag mit deinem selbst restaurierten Schmuckstück über die Landstraße cruist und den V8 blubbern hörst, dann weißt du: Jede einzelne verdammte Stunde in der kalten Garage hat sich gelohnt.

Michael von Adelhard

Michael von Adelhard ist 31 Jahre alt. Er arbeitet seit vielen Jahren als Journalist für einige der erfolgreichsten Nachrichten-Portale Deutschlands. Autor vieler Bücher und wissenschaftlicher Publikationen zum Thema «Einfluss sozialer Medien auf Jugendliche«. Schreibt über Themen wie Lifestyle, Umweltschutz, sowie Tech and Gadgets. In seiner Freizeit ist er häufig mit dem Fahrrad unterwegs – so schöpft er Inspiration für seine neuen Artikel.