Hinter der Bühne: Ein Profi packt aus, was für deine Sicherheit bei Konzerten wirklich zählt
Ein Strandkonzert mit 20.000 Fans – wie klingt das? Mark Forster bringt den Baldeneysee zum Beben, trotz aller Sorgen!
„Ich hätte nie gedacht, dass der Wind meine größte Angst werden könnte.“ So könnte Mark Forster in einem fiktiven Tagebucheintrag über sein jüngstes Konzert am Baldeneysee reflektieren. Dort, wo die Wellen sanft ans Ufer plätschern, versammelten sich 20.000 Fans, um den Beat der Musik zu spüren – und doch schwebte ein Schatten über der Feier. Ein schrecklicher Vorfall liegt in der Luft, doch die Liebe zur Musik lässt die Herzen höher schlagen.
Ich bin Meister für Veranstaltungstechnik. Klingt vielleicht erstmal trocken, aber mein Job ist einer der coolsten der Welt: Seit über zwei Jahrzehnten baue ich riesige Bühnen auf, hänge Lautsprecher in schwindelerregender Höhe auf und sorge dafür, dass Zehntausende Menschen eine unvergessliche und vor allem sichere Zeit haben.
Inhaltsverzeichnis
- Das Fundament: Der unsichtbare Papierkrieg
- Die Physik der Sicherheit: Wenn der Wind zum Gegner wird
- Ton & Licht: Mehr als nur laut und hell
- Worauf du als Besucher achten kannst
- Der schlimmste Fall: Was tun, wenn evakuiert wird?
- Warum dein Ticket so viel kostet, wie es kostet
- Ein letzter Gedanke…
- Bildergalerie
Wenn du auf einem Konzert bist, siehst du die Künstler, die Lichter, die riesigen Leinwände. Du spürst den Bass im ganzen Körper. Was du aber nicht siehst, ist das gewaltige, unsichtbare Uhrwerk aus Planung, Physik und purer Verantwortung, das im Hintergrund tickt. Und genau darüber will ich heute mal aus dem Nähkästchen plaudern.
Wir alle haben schon mal von Festivals gehört, bei denen plötzlich ein Unwetter aufzog und die Situation brenzlig wurde. Solche Ereignisse sind für unsere Branche der absolute Albtraum. Aber sie sind auch Weckrufe, die uns immer wieder daran erinnern, warum wir unseren Job so verdammt ernst nehmen. Es geht nicht nur darum, eine coole Show auf die Beine zu stellen. Es geht darum, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem man unbeschwert feiern kann. Meine Azubis lernen das vom ersten Tag an: Sicherheit ist kein Punkt auf einer Checkliste, den man abhakt. Sie ist das Fundament von allem.

Also, komm mal mit mir hinter die Kulissen. Ich zeig dir, was bei einem großen Open-Air-Konzert am See wirklich alles passieren muss, bevor der erste Ton gespielt wird.
Das Fundament: Der unsichtbare Papierkrieg
Lange bevor der erste Lkw aufs Gelände rollt, beginnt die eigentliche Arbeit am Schreibtisch. Jede öffentliche Veranstaltung in Deutschland unterliegt strengen Regeln, allen voran der Versammlungsstättenverordnung (VStättVO). Das ist quasi unsere Bibel. Jedes Bundesland kocht da übrigens sein eigenes Süppchen, die Details können sich also unterscheiden. Ein Konzert in Süddeutschland hat teils andere Auflagen als eines im Norden.
Für ein großes Open-Air ist ein umfassendes Sicherheitskonzept absolute Pflicht. Und das ist kein einfaches Formular, sondern ein dicker Ordner, der in wochenlanger Abstimmung mit den Behörden entsteht:
- Polizei: Kümmert sich um die An- und Abfahrtswege und die allgemeine Sicherheit.
- Feuerwehr: Checkt den Brandschutz, die Zufahrten für Löschfahrzeuge und die Wasserversorgung.
- Ordnungsamt: Erteilt die Genehmigungen und achtet auf Dinge wie Lärm- und Jugendschutz.
- Sanitätsdienst: Legt fest, wie viele Sanitäter, Ärzte und Unfallhilfsstellen nötig sind.
In diesem Konzept wird jeder erdenkliche Notfall durchgespielt. Was tun wir bei einem Gewitter? Wie evakuieren wir das Gelände, ohne eine Panik auszulösen? Wer hat das Sagen? Ein guter Veranstalter hat immer einen Plan B und C in der Tasche. Das ist kein Pessimismus, das ist Professionalität.

Ach ja, und dann gibt es da noch die „Fliegenden Bauten“. So nennen wir im Fachjargon alles, was nur temporär aufgebaut wird, wie Bühnen, Tribünen oder Lichttürme. Jede dieser Konstruktionen braucht ein Prüfbuch – quasi wie der TÜV beim Auto – und muss von einem Statiker abgenommen werden. Der rechnet ganz genau aus, ob alles sicher steht.
Die Physik der Sicherheit: Wenn der Wind zum Gegner wird
Wind ist eine gewaltige Kraft, die man niemals unterschätzen darf, besonders an offenen Flächen wie einem Seeufer. Eine Bühne ist im Grunde ein riesiges Segel. Die Dachplane und die Seitenverkleidungen bieten dem Wind eine massive Angriffsfläche.
Deshalb muss eine Bühne entweder fest im Boden verankert oder mit tonnenschwerem Gewicht beschwert werden. Wir nennen das Ballastierung. Dafür nutzen wir riesige Wassertanks oder Betonblöcke, die mehrere Tonnen wiegen. Die Menge ist keine Schätzung, sondern wird vom Statiker präzise berechnet. Die Formel ist komplex und berücksichtigt Bühnenhöhe, Planenfläche und die regional zu erwartende Windlast.

Ich erinnere mich an ein Festival im Norden. Der Wetterbericht änderte sich über Nacht dramatisch. Um vier Uhr morgens standen wir im strömenden Regen und haben mit dem Gabelstapler zusätzliche Betonklötze an die Bühnenfüße gefahren. Das war harte Arbeit, aber absolut notwendig. In diesem Job musst du auf die Realität reagieren, nicht nur auf den Plan.
Das Gleiche gilt für die großen LED-Wände. Moderne Wände sind clever konstruiert und haben eine gewisse Winddurchlässigkeit. Das reduziert die Last enorm. An jeder großen hängenden Konstruktion müssen außerdem Windmesser hängen. Überschreitet der Wind einen Grenzwert, wird die Show unterbrochen und die Wand muss runtergefahren werden. Keine Diskussion. Punkt.
Ton & Licht: Mehr als nur laut und hell
Die Technik soll ein geiles Erlebnis schaffen, aber niemanden gefährden. Und die Gefahren sind nicht immer sichtbar.
Die Kunst des guten (und sicheren) Klangs
Wusstest du, dass Schall sich über Wasser und große, offene Flächen ganz anders verhält? Gleichzeitig wollen wir die Anwohner nicht zur Verzweiflung bringen. Deshalb nutzen Profis heute fast nur noch sogenannte Line-Array-Systeme. Das sind diese langen, gebogenen Lautsprecher-„Bananen“, die links und rechts von der Bühne hängen.

Der Clou: Mit spezieller Software können wir den Schall gezielt dorthin lenken, wo das Publikum steht, und die Bereiche dahinter und daneben aussparen. Das sorgt für klaren Sound und schont die Nerven der Nachbarn.
Ein zentrales Thema ist die Lautstärke. Eine spezielle DIN-Norm regelt den Schutz vor Gehörschäden. Wir müssen die Lautstärke permanent messen und dürfen einen bestimmten Mittelungspegel – meist 99 dB(A) – nicht überschreiten. Das ist schon ordentlich laut, vergleichbar mit einem Presslufthammer in 10 Metern Entfernung. Ganz ehrlich? Auch wenn wir die Grenzwerte einhalten, ist das eine Belastung für die Ohren.
Mein persönlicher Profi-Tipp: Investier ein paar Euro in guten Gehörschutz! Den gibt’s für 5 bis 15 Euro in jeder Drogerie oder online. Er rettet nicht nur dein Gehör für die nächsten Konzerte, sondern macht den Sound oft sogar angenehmer, weil er nur die schrillen, unangenehmen Frequenzen kappt.
Die unsichtbare Gefahr: Strom
Eine moderne Showproduktion verbraucht unglaublich viel Strom – genug, um eine kleine Wohnsiedlung zu versorgen. Der kommt meist aus riesigen Dieselgeneratoren. Jedes einzelne Kabel, jede Verteilung muss von einer ausgebildeten Elektrofachkraft für Veranstaltungstechnik geplant und verlegt werden. Ein zu dünnes Kabel wird heiß und kann einen Brand auslösen. Alle Stecker müssen bei einem Open Air absolut wetterfest sein. Pfuschen kann hier tödlich enden, daher ist das absolute Profi-Sache.

Worauf du als Besucher achten kannst
Jetzt weißt du, was wir im Hintergrund alles tun. Aber du kannst auch selbst einen kleinen Beitrag leisten und lernen, eine Veranstaltung einzuschätzen. Es gibt da so ein paar verräterische Anzeichen.
Gute Zeichen (Green Flags):
- Die Notausgänge sind groß, gut beleuchtet und klar mit den grünen Piktogrammen beschildert.
- Das Gelände ist sauber, und die Fluchtwege sind komplett frei – keine Mülltonnen, keine abgestellten Kisten.
- Es gibt sichtbares Sicherheitspersonal, das freundlich, aber aufmerksam wirkt.
- Es gibt erkennbare Sanitätsstationen, die klar ausgeschildert sind.
- Es fühlt sich nicht unangenehm überfüllt an; du hast noch genug Platz, dich zu bewegen.
Hier solltest du stutzig werden (Red Flags):
- Fluchtwege sind durch Verkaufsstände, Toilettenhäuschen oder Baumaterial blockiert.
- Du siehst rostige Traversen, durchhängende Planen oder Kabel, die lose über den Boden laufen und nicht abgedeckt sind.
- Das Sicherheitspersonal wirkt überfordert, aggressiv oder ist gar nicht zu sehen.
- Es gibt viel zu viele Menschen auf zu engem Raum (Massen-Gedränge schon am Eingang).
Wenn dir so etwas auffällt, sei lieber vorsichtig. Dein Bauchgefühl ist oft ein guter Ratgeber.

Der schlimmste Fall: Was tun, wenn evakuiert wird?
Niemand will es erleben, aber bei Unwettern kann es zu einer Unterbrechung oder Räumung kommen. Wenn du eine Durchsage hörst, die dazu auffordert:
- RUHE BEWAHREN. Panik ist der größte Feind. Atme tief durch.
- NICHT zum Haupteingang rennen. Tausende wollen dorthin. Suche den nächsten, ausgeschilderten Notausgang. Schau dich am besten schon beim Ankommen um, wo die sind.
- Anweisungen befolgen. Das Personal weiß, was zu tun ist. Hör auf sie.
- Hilf anderen. Siehst du jemanden, der unsicher oder panisch ist? Sprich ihn ruhig an. Zusammen seid ihr stärker.
Warum dein Ticket so viel kostet, wie es kostet
Ein Ticket für ein großes Konzert kostet oft 80 Euro oder mehr. Viele fragen sich, warum. Die Gage für den Künstler ist nur ein Teil der Wahrheit. Ein riesiger Batzen geht für die Sicherheit und Technik drauf.
Stell dir vor, dein Ticket kostet 80 Euro. Was passiert damit? Ungefähr so:


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Allein 24 bis 32 Euro davon fließen direkt in die Miete und den Aufbau der gesamten Technik: Bühne, Ton, Licht, Video, Strom. Und wir reden hier von geprüftem Profi-Material, das richtig Geld kostet. Billig-Traversen ohne Prüfsiegel sind ein Spiel mit dem Leben.
Weitere 16 bis 20 Euro gehen für das Personal drauf. Das ist die unsichtbare Armee aus Technikern, Riggern (die Kletter-Spezialisten), Staplerfahrern, Stagehands, Sicherheitskräften und Sanitätern. Die haben eine enorme Verantwortung und müssen fair bezahlt werden.
Dann kommen noch rund 12 bis 16 Euro für die Infrastruktur (Geländemiete, Zäune, Toiletten, Bodenschutz) und etwa 8 bis 12 Euro für Genehmigungen, Gebühren und die Erstellung des Sicherheitskonzepts dazu. Erst der Rest geht dann für Künstlergage, Booking und Marketing drauf.
Ein verdächtig billiges Ticket für eine riesige Produktion kann also ein Warnsignal sein. Oft wurde dann genau an Sicherheit, Personal oder Material gespart.
Ein letzter Gedanke…
Ich liebe meinen Beruf. Es gibt nichts Schöneres, als nach einer knochenharten Aufbauwoche am Regiepult zu stehen und in Tausende glückliche Gesichter zu blicken. Aber dieser magische Moment ist das Ergebnis von Präzision, Respekt vor der Physik und einem tiefen Verantwortungsbewusstsein.

Und mein letzter, ganz persönlicher Tipp: Wenn du das nächste Mal auf einem Konzert bist und auf den Beginn wartest, nimm dir diese 10 Sekunden. Schau dich um. Wo ist der nächste Notausgang? Allein dieses Bewusstsein ist ein riesiger Gewinn für deine eigene Sicherheit. Und jetzt: Viel Spaß bei der Show!
Bildergalerie


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Was hält eigentlich die tonnenschwere Licht- und Tontechnik über den Köpfen der Stars?
Das Zauberwort heißt „Rigging“ – die Kunst, Lasten sicher in der Höhe zu montieren. Dabei kommt es auf jedes Detail an. Die silbernen Gitterstrukturen, die Sie über der Bühne sehen, sind sogenannte Traversen, meist aus hochfestem Aluminium von Spezialisten wie Prolyte oder Global Truss. Angetrieben wird das Ganze von computergesteuerten Kettenzügen, wie dem D8+ von ChainMaster, die jeweils mehrere hundert Kilo heben können. Jeder einzelne Schäkel und jedes Stahlseil ist exakt berechnet und zertifiziert. Hier gibt es keine Toleranz für Fehler – die Physik ist unbestechlich.
Wussten Sie, dass eine dicht gedrängte Menschenmenge ab etwa sieben Personen pro Quadratmeter physikalische Eigenschaften einer Flüssigkeit annehmen kann?
Dieses Phänomen, bekannt als „Crowd Surge“, kann eine unkontrollierbare und gefährliche Welle auslösen. Genau deshalb sehen Sie vor großen Bühnen oft spezielle Wellenbrecher-Barrieren, zum Beispiel von Mojo Barriers. Sie sind nicht nur da, um die erste Reihe zu schützen, sondern um den Gesamtdruck in der Menge zu brechen und in kleinere, sicherere Zonen zu unterteilen. Ein unsichtbares, aber lebenswichtiges Detail der Crowd-Planung.

