40 Millionen für eine Serie? Was am Filmset WIRKLICH das Geld verschlingt

Die Schatten Berlins verbergen mehr als nur Geheimnisse. Entdecke die Welt von „Babylon Berlin“ und lass dich von Staffel 3 fesseln!

von Michael von Adelhard

Immer wieder liest man von diesen gigantischen Zahlen. 40 Millionen Euro für eine einzige Staffel. Klar, dass da viele staunen und sich fragen, wo dieses ganze Geld eigentlich hinfließt. Und ganz ehrlich? Ich kann das total verstehen. Von außen betrachtet wirken diese Summen einfach nur absurd.

Aber wenn man wie ich schon eine halbe Ewigkeit in der deutschen Filmproduktion arbeitet, sieht man das mit ganz anderen Augen. Man sieht nicht die Millionen. Man sieht die unzähligen Arbeitsstunden, das Herzblut und das unfassbare handwerkliche Können von hunderten von Menschen.

Ich habe damals als kleiner Assistent in der Requisite angefangen und gelernt, wie man eine historische Pistole so präpariert, dass sie sicher ist und trotzdem echt aussieht. Später stand ich als Aufnahmeleiter im strömenden Regen und habe verzweifelt versucht, einen völlig aus dem Ruder gelaufenen Drehplan zu retten. Heute helfe ich dabei, solche Großprojekte von Anfang an zu planen. Und ich sage dir eins: Eine große historische Serie ist nicht einfach nur teuer. Sie ist aufwendig. Und das ist ein gewaltiger Unterschied. Lass mich dir zeigen, was das wirklich bedeutet.

ein junger mann mit einem grauen hut und mantel, eine szene aus der deutschen serie babylon berlin von sky

Das Fundament: Wenn Geschichte auf pures Handwerk trifft

Alles, aber auch wirklich alles, beginnt mit der historischen Genauigkeit. Das ist das Fundament. Für eine Serie, die zum Beispiel in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts spielt, reicht es nicht, sich ein paar alte Fotos anzuschauen. Du musst die Zeit verstehen. Du musst wissen, wie sich die Dinge angefühlt haben, wie sie gerochen haben, wie sie funktioniert haben. Das ist keine schnelle Google-Recherche, das ist eine fast wissenschaftliche Arbeit.

Wir arbeiten dafür mit Historikern und Fachberatern zusammen, um Details hinzubekommen, die dir als Zuschauer vielleicht nie bewusst auffallen, die aber die ganze Atmosphäre ausmachen. Ein gutes Beispiel sind Uniformen. Es reicht nicht, eine alte Uniform zu kopieren. Wir müssen wissen: Welcher Stoff wurde damals verwendet? Eine schwere Wolle für den Winter oder ein leichterer Stoff für den Innendienst? Gab es regionale Unterschiede? Diese Details müssen einfach stimmen.

Oder nehmen wir das Szenenbild, also die Kulissen. Ein altes Büro bestand nicht nur aus einem Schreibtisch. Die Telefone waren aus schwerem Bakelit, die Tinte in den Fässchen war Eisengallustinte – die riecht komplett anders als moderne Tinte. Unsere Requisiteure, die wahren Helden im Hintergrund, verbringen Wochen damit, solche Originale aufzutreiben oder detailgetreu nachzubauen. Ein historisch akkurates Telefon? Rechne mal mit 500 bis 1.500 Euro für eine Einzelanfertigung, wenn es perfekt sein soll.

eine junge frau und mann mit einem hut und einem mantel, ein poster zu der der deutschen serie babylon berlin von sky

Manchmal müssen wir aber auch tricksen. Ein originaler Seidenstoff aus der Zeit wäre für eine Tanzszene heute viel zu brüchig und würde sofort reißen. Also suchen die Profis im Kostüm nach einem modernen Stoff, der die gleiche Optik hat. Anschließend wird er künstlich gealtert, damit er gebraucht aussieht. Dieser Prozess nennt sich „Patinieren“ – eine Kunst für sich.

Die Maschinerie am Set: Ein hochpräzises Uhrwerk

Ein Drehtag ist wie ein Schweizer Uhrwerk. Jedes einzelne Rädchen muss perfekt ins andere greifen. Hunderte von Menschen arbeiten gleichzeitig an einem einzigen Ziel: die paar Minuten Film zu schaffen, die für diesen Tag im Drehbuch stehen. Und dieser Tag beginnt für viele schon Stunden vor dem Rest der Crew.

Der Oberbeleuchter, den wir am Set nur „Gaffer“ nennen, plant mit seinem Team die komplette Lichtsetzung. Er ist quasi der Meister des Lichts und muss nicht nur für eine schöne Optik sorgen, sondern auch die Stimmung der Szene treffen. Ein düsteres Verhör braucht eben ein anderes Licht als eine ausgelassene Party. Gleichzeitig ist er für die Sicherheit verantwortlich. Achtung: Am Set arbeiten wir mit Starkstrom! Jedes Kabel muss absolut sicher verlegt sein. Hier gelten extrem strenge Vorschriften der Berufsgenossenschaften, denn ein Fehler kann hier lebensgefährlich sein. Jeder im Licht-Team ist daher eine ausgebildete Elektrofachkraft.

ein junger mann mit einer krawatte und einem grauen hut und mantel , eine frau mit grünem hut, ein posterzu der deutschen serie babylon berlin von sky

Gleichzeitig bauen die Bühnenbauer, bei uns „Grips“ genannt, die Schienen für die Kamerafahrten (die „Dollys“) oder montieren riesige Kamerakräne. Jede Bewegung muss butterweich sein. Ein kleiner Ruckler, und die ganze Aufnahme ist für die Tonne. So ein professioneller Kamera-Dolly ist übrigens auch nicht billig. Die Miete allein kann schon mal 300 bis 600 Euro pro Tag kosten, ohne das Personal, das ihn bedient.

Ein Drehtag ist streng geregelt, meist auf 10 Stunden inklusive Pause. Jede Überstunde kostet ein Vermögen, weil die gesamte Crew bezahlt werden muss. Und müde Menschen machen Fehler. Deshalb ist ein guter Aufnahmeleiter so wichtig. Er ist der Dirigent, der dafür sorgt, dass der Zeitplan eingehalten wird, ohne dass Qualität oder Sicherheit leiden.

Die Großstadt als Darsteller: Die Jagd nach der perfekten Kulisse

Historische Serien leben von ihren Schauplätzen. Die Stadt selbst spielt eine Hauptrolle. Aber eine Metropole von heute ist eben nicht die Metropole von damals. Das ist unsere größte Herausforderung und ein enormer Kostenfaktor.

szene aus der der deutschen serie babylon berlin von sky , ein junger mann mit einem grauen mantel und mit einem grauen hut und einer grauen krawatte und einem weißen hemd

Stell dir mal vor, wir wollen für einen Tag eine große Straße im Zentrum sperren. Das ist ein Albtraum aus Bürokratie und Kosten. Nur mal als grobe Hausnummer für EINEN einzigen Außendrehtag in einer Großstadt:

Genehmigungen und Gebühren können gut und gerne 8.000 € kosten. Die Crew mit etwa 120 Leuten schlägt mit rund 60.000 € zu Buche. Dann noch 150 Komparsen für ca. 15.000 € und die Technikmiete mit vielleicht 10.000 €. Zack, bist du bei fast 100.000 Euro – und da ist noch keine einzige Sekunde Film gedreht worden!

Dann muss die Straße verwandelt werden. Moderne Straßenschilder, Ampeln, Parkautomaten, alles muss weg oder verdeckt werden. Oft geht das aber nicht. Und dann kommt die digitale Magie ins Spiel: die visuellen Effekte (VFX). Wir drehen dann vor einer riesigen grünen Leinwand, dem Greenscreen. Das sieht am Set erstmal total absurd aus. Später am Computer zaubern die VFX-Künstler dann ganze historische Fassaden, Zeppeline am Himmel oder riesige Menschenmengen hinein. Wo vorher nur Grün war, steht plötzlich eine pulsierende Welt aus einer anderen Zeit.

Das Herz der Produktion: Menschen, Können und der Weg dorthin

Am Ende sind es immer die Menschen, die eine Produktion zum Leben erwecken. Jede Abteilung ist ein Meisterbetrieb. Eine große Kulisse ist keine billige Pappwand. Das ist eine komplexe Konstruktion aus Holz und Stahl, die von einem Statiker geprüft werden muss. Oft ist sogar eine Abnahme durch den TÜV oder die Bauaufsicht nötig, genau wie bei einem echten Gebäude. Brandschutz ist ein riesiges Thema, weshalb wir spezielle, schwer entflammbare Materialien verwenden (B1-zertifiziert nach DIN 4102-1), die natürlich teurer sind.

Oder das Kostüm. Ein maßgeschneidertes Hauptkostüm für eine historische Produktion? Da bist du schnell bei 1.500 bis 5.000 Euro. Das ist kein Anzug von der Stange, das ist textile Baukunst, die eine Geschichte über den Charakter erzählt.

Kleiner Tipp für deinen nächsten Filmabend: Achte mal gezielt auf die Hände der Charaktere. Sind die Fingernägel eines Arbeiters sauber oder haben sie Schmutz unter den Rändern? Das ist kein Zufall, das ist das Werk unserer fantastischen Maskenbildner.

Ach ja, und weil ich oft gefragt werde: Wie kommt man eigentlich in diese verrückte Branche? Es gibt viele Wege. Für die Requisite oder Ausstattung fangen viele mit Praktika bei Produktionsfirmen oder im Theater an und arbeiten sich hoch. Eine Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik oder ein Studium in Szenenbild ist auch ein super Einstieg. Im Licht-Department (beim Gaffer) geht ohne eine abgeschlossene Ausbildung als Elektriker gar nichts. Und Aufnahmeleiter? Das ist oft der klassische Weg von ganz unten: Du fängst als Set-Runner an, bringst Kaffee, lernst jeden einzelnen Schritt und dirigierst eines Tages das ganze Orchester.

Die hohe Kunst der Täuschung: Technik, die es in sich hat

Neben dem traditionellen Handwerk spielt moderne Technik natürlich eine riesige Rolle. Besonders bei den Effekten. Eine echte Explosion am Set ist ein gutes Beispiel für den Aufwand. Dafür brauchen wir einen lizenzierten Pyrotechniker, unseren „Sprengmeister“. Er berechnet die Ladung exakt, damit sie eindrucksvoll aussieht, aber absolut niemanden gefährdet. Am Drehtag sind dann Feuerwehr und Sanitäter vor Ort. So ein Profi hat seinen Preis: Für einen Drehtag mit Vorbereitung musst du ab 1.000 Euro aufwärts rechnen, plus Materialkosten.

Für große, fließende Kamerabewegungen nutzen wir oft einen sogenannten Technocrane. Das ist ein riesiger Teleskop-Kamerakran, mit dem die Kamera scheinbar schwerelos durch einen Raum schweben kann. Das Ding ist der absolute Hammer, aber die Tagesmiete liegt auch locker bei 2.500 bis 4.000 Euro – ohne das hochspezialisierte Team, das ihn bedienen muss.

Was man nicht planen kann: Wenn die Realität zuschlägt

Du kannst planen, so viel du willst. Am Ende bleibt immer ein Restrisiko. Das Wetter kann einen teuren Außendreh ins Wasser fallen lassen. Ein Hauptdarsteller wird krank. Ein wichtiges Requisit geht kaputt. Ich erinnere mich an einen Dreh, bei dem ein Sturm über Nacht Teile unserer Kulisse zerstört hat. Der ganze Tag war verloren, die Kosten waren immens. Gagen, Miete, Catering – alles für die Katz.

Deshalb hat jede vernünftige Produktion einen Puffer im Budget, meist so 10 bis 15 Prozent, nur für solche unvorhergesehenen Katastrophen. Manchmal muss man einfach improvisieren und aus Fehlern lernen. Es ist ein Job, der dich Demut lehrt, jeden einzelnen Tag.

Ein Fazit aus der Praxis

Wenn du also das nächste Mal eine Zahl wie 40 Millionen Euro liest, sieh sie vielleicht mit anderen Augen. Sieh sie nicht als Verschwendung, sondern als Investition. Eine Investition in die Arbeitszeit und das unglaubliche Talent von hunderten hochqualifizierten Handwerkern, Technikern und Künstlern.

Jeder einzelne Euro fließt in diese gewaltige Maschinerie, um eine glaubwürdige Welt zu erschaffen. Eine Welt, in die du als Zuschauer für eine Stunde eintauchen und alles andere vergessen kannst. Und dieses Stück Magie, dieses unfassbare Handwerk, ist ehrlich gesagt jeden einzelnen Cent wert.

Michael von Adelhard

Michael von Adelhard ist 31 Jahre alt. Er arbeitet seit vielen Jahren als Journalist für einige der erfolgreichsten Nachrichten-Portale Deutschlands. Autor vieler Bücher und wissenschaftlicher Publikationen zum Thema «Einfluss sozialer Medien auf Jugendliche«. Schreibt über Themen wie Lifestyle, Umweltschutz, sowie Tech and Gadgets. In seiner Freizeit ist er häufig mit dem Fahrrad unterwegs – so schöpft er Inspiration für seine neuen Artikel.