Mehr als nur Gold: Was beim Film wirklich zählt – Ein ehrlicher Blick hinter die Kulissen

Die Oscars sind nur der Anfang! Entdecke, warum Cate Blanchett als Jury-Präsidentin in Venedig die Filmwelt auf den Kopf stellen wird.

von Michael von Adelhard

Ich weiß noch genau, wie ich das erste Mal in Venedig war. Als junger Kameramann für eine kleine deutsche Produktion stand ich da, die Luft roch nach Meer und altem Stein, und überall hingen diese Festivalplakate. Das war eine elektrisierende Atmosphäre. Man hat förmlich gespürt: Hier werden nicht nur Filme gezeigt, hier werden Karrieren gemacht – oder beerdigt. Damals war der Goldene Löwe für uns eine Art Mythos, das ultimative Zeichen, dass man es in der Kunstform Kino geschafft hat.

Heute, viele Jahre und unzählige Projekte später, sehe ich das Ganze mit anderen Augen. Wenn heute eine Nachricht die Runde macht, dass zum Beispiel eine bekannte, hochrespektierte Schauspielerin zur Jury-Präsidentin ernannt wird, ist das für mich mehr als nur eine verdiente Ehre. Ich sehe darin ein Signal. Ein Statement darüber, was in der Filmwelt gerade wichtig ist. Es geht nicht mehr nur darum, welche Geschichten wir erzählen, sondern vor allem, wie wir sie erzählen.

blauer himmel und eine frau mit blondem haar, pinkem sakko und goldenen halsketten, die schauspielerin cate blanchett

Die unsichtbare Arbeit: Was eine Festival-Jury wirklich leistet

Viele stellen sich die Arbeit in einer Jury unglaublich glamourös vor. Bequeme Kinosessel, tolle Filme und abends Diskussionen bei einem Glas Wein. Ehrlich gesagt? Es ist ein knallharter Job. Die Jury-Präsidentschaft ist dabei keine reine Ehrensache. Man ist nicht nur eine Stimme unter vielen, sondern auch Moderator, Diplomat und manchmal die treibende Kraft, die eine festgefahrene Debatte wieder flottmachen muss.

Stell dir den Tagesablauf vor: Oft drei, manchmal sogar vier Filme am Tag. Das ist ein Marathon. Nach jedem Film gibt es eine erste, kurze Diskussion, abends dann die langen, intensiven Sitzungen. Und hier knallen die Welten aufeinander. Ein Regisseur achtet auf völlig andere Dinge als ein Schauspieler, ein Drehbuchautor bewertet eine Story anders als ein Kritiker. Die Kunst der Leitung ist es, all diese Perspektiven zu einer gemeinsamen Entscheidung zu bündeln. Das erfordert enorm viel Fingerspitzengefühl – zuhören, aber auch mal auf den Tisch hauen, wenn eine Debatte aus dem Ruder läuft.

die schauspielerin cate blanchett, frau mit blondem haar und blauen augen, cate blanchett wird jurypräsidentin bei den internationalen filmfestspielen in venedig

Warum gerade eine erfahrene Schauspielerin oft eine gute Wahl ist? Weil sie beide Seiten der Medaille kennt: die riesigen Hollywood-Produktionen und die kleinen, anspruchsvollen Independent-Filme. Wer selbst schon mal die Besessenheit für eine Rolle verkörpern musste oder die Kunst der kleinsten Geste beherrscht, entwickelt ein feines Gespür für die Arbeit anderer. Solche Profis erkennen, ob eine Regieentscheidung wirklich mutig ist oder nur reine Effekthascherei. Sie spüren die Qualität eines Drehbuchs selbst dann, wenn die Inszenierung vielleicht mal schwächelt.

Die Ökonomie eines Festivals: Kunst trifft auf knallhartes Geschäft

Man darf nie vergessen: Ein großes Filmfestival ist auch eine gewaltige Wirtschaftsmaschine. Ein Hauptpreis in Venedig, Cannes oder Berlin ist wie ein goldenes Gütesiegel. Er öffnet Türen bei Verleihern auf der ganzen Welt und kann den kommerziellen Weg eines Films komplett verändern.

Ganz konkret: Ein kleiner, unbekannter Film aus, sagen wir, dem Iran oder Rumänien, wird durch einen Preis plötzlich für den internationalen Markt interessant. Für die Verkaufsagenten ist diese Auszeichnung das stärkste Verkaufsargument. Wir reden hier über zusätzliche Einnahmen, die schnell im sechs- oder siebenstelligen Bereich liegen. Dieses Geld fließt dann wieder zurück und finanziert oft erst die nächsten Projekte. Ein wichtiger Kreislauf.

eine frau mit schwarzem sakko und blondem haar, die schauspielerin cate blanchett wird jurypräsidentin bei den filmfestspielen in venedig

Parallel zum Glamour auf dem roten Teppich läuft übrigens der eigentliche Motor des Festivals: der Filmmarkt. In Venedig nennt sich das „Venice Production Bridge“. Hier herrscht eine ganz andere Atmosphäre. Weniger schicke Kleider, mehr harte Verhandlungen in kleinen Büros oder an überfüllten Café-Tischen. Hier treffen Produzenten auf Finanziers, Regisseure pitchen neue Ideen. Eine gute Presse im Wettbewerb stärkt deine Verhandlungsposition am Markt sofort.

Kleiner Tipp für alle, die ein Projekt vorstellen wollen: Was gehört in ein gutes Pitch-Deck? Denk daran, es kurz und knackig zu halten. Unverzichtbar sind:

  • Logline: Dein Film in einem Satz.
  • Synopsis: Eine knappe Zusammenfassung der Handlung (maximal eine Seite).
  • Director’s Statement: Warum musst gerade du diesen Film machen? Was ist deine Vision?
  • Budget-Top-Sheet: Eine grobe Übersicht der Kosten. Niemand will eine Excel-Tabelle, nur die wichtigsten Posten.
  • Team-Biografien: Wer ist an Bord und was haben sie bisher gemacht?

Das Ganze kostet natürlich auch. Eine Einreichung bei einem großen Festival kann je nach Kategorie und Deadline zwischen 50 € und 300 € kosten. Das sollte man im Budget einplanen.

die schauspielerin cate blanchett wird jury chefin bei den filmfestspielen in venedig, eine frau mit blondem haar und mit goldenen ohrringen

Die wahre Kunst: Was eine Jury im Filmhandwerk sucht

Wenn Profis einen Film bewerten, schauen sie viel tiefer als das normale Publikum. Sie nehmen ihn quasi auseinander und analysieren die handwerklichen Entscheidungen. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen.

Das Fundament: Drehbuch und Regie

Alles, wirklich alles, beginnt mit dem Drehbuch. Ist die Geschichte originell? Sind die Charaktere echt? Funktionieren die Dialoge? Ein schwaches Skript kann auch der brillanteste Regisseur kaum retten. Die Regie ist dann die Vision, die dieses Skript zum Leben erweckt. Wie führt der Regisseur die Schauspieler? Wie nutzt er die Kamera, den Schnitt, den Ton, um seine Geschichte zu erzählen? Man sieht sofort, ob jemand die volle Kontrolle hat oder ob der Film ihm entglitten ist.

Die visuelle Sprache: Kamera und Licht

Als Kameramann schlägt hier natürlich mein Herz. Die Wahl der Kamera und der Objektive ist eine Grundsatzentscheidung. Drehen wir digital mit einer Kamera, die für weiche, organische Bilder bekannt ist? Stell es dir vor wie ein Ölgemälde – weich, filmisch. Oder nehmen wir ein anderes System, das für seine gestochen scharfen, fast klinischen Bilder bekannt ist? Das wäre dann eher wie ein ultrapräzises Digitalfoto – modern und sauber. Beides hat seine Berechtigung und bestimmt die Grundstimmung.

Und dann das Licht. Licht ist unser Pinsel, mit dem wir Emotionen malen. Ein hartes Licht von oben lässt eine Figur isoliert und verletzlich wirken. Weiches, seitliches Licht schafft Wärme und Nähe. In Deutschland arbeiten wir traditionell oft mit indirekter Beleuchtung, um eine natürliche Atmosphäre zu schaffen. Dafür nutzen wir oft spezielle Leuchtröhren oder LED-Panels, die wir durch große Stoffrahmen (sogenannte Diffusoren) noch weicher machen.

Gut zu wissen: Dein erster Kurzfilm mit Null Budget – 3 Licht-Hacks für Zuhause!

  1. Die weiße Wand: Nimm eine einfache Schreibtischlampe und leuchte damit nicht die Person, sondern eine weiße Wand daneben an. Das zurückgeworfene Licht ist wunderbar weich und sieht professionell aus.
  2. Das Backpapier-Wunder: Du hast eine starke Lampe, aber das Licht ist zu hart? Klebe oder klemme ein Stück Backpapier davor (Achtung, nicht zu nah an die heiße Birne!). Das wirkt wie ein teurer Diffusor und kostet fast nichts.
  3. Die Styropor-Platte: Hol dir für 2 € eine Styropor-Platte aus dem Baumarkt. Wenn du eine Person von einer Seite beleuchtest, wird die andere Seite sehr dunkel sein. Halte die Platte auf die dunkle Seite – sie reflektiert das Licht und hellt die Schatten natürlich auf. Voilà, dein erster Reflektor!

Der Rhythmus: Schnitt und Ton

Der Schnittraum ist der Ort, an dem ein Film ein zweites Mal geboren wird. Der Editor gibt dem Material seinen Rhythmus. Lange, ruhige Einstellungen erzeugen eine ganz andere Wirkung als schnelle, hektische Schnittfolgen. Ein wirklich guter Schnitt ist unsichtbar, er dient einzig und allein der Geschichte.

Aber der Ton… ach ja, der Ton wird so oft vernachlässigt und ist doch die halbe Miete. Ich kann es nicht oft genug sagen: Guter Originalton vom Set ist Gold wert! Ich hatte mal ein Projekt, da hatten wir fantastische Bilder, aber der Ton war wegen eines schlechten Mikrofons unbrauchbar. Die Nachvertonung im Studio hat Monate gedauert, Unsummen gekostet und klang am Ende trotzdem künstlich. Ein gutes Ansteckmikro für unter 100 € kann dir den Hintern retten und ist oft wichtiger als ein 1000-Euro-Objektiv.

Übung für dich: Schau dir heute Abend eine Szene aus deinem Lieblingsfilm mal ohne Ton an. Worauf lenkt die Regie deinen Blick? Und dann dieselbe Szene nochmal mit geschlossenen Augen. Was erzählt dir allein die Tonspur? Das ist eine unglaubliche Schule für das eigene Empfinden.

Lehren aus der Praxis: Wenn Projekte scheitern

Man lernt am meisten aus den Dingen, die schiefgehen. Legendäre Flops werden oft als Beispiele für schlechtes Management genannt, aber die wahren Probleme sind oft viel subtiler und lehrreicher.

Der häufigste Fehler, den ich immer wieder sehe: mit einem unfertigen Drehbuch in die Produktion zu gehen. Ich war selbst mal bei so einer Produktion dabei. Der Produzent stand unter Druck, die Finanzierung war an einen Drehstart geknüpft. Das Ende vom Lied? Eine Katastrophe. Wir schrieben am Set Szenen um, die Schauspieler waren verunsichert, die Story brach auseinander. Die Lektion ist simpel, aber brutal wichtig: Geh NIEMALS mit einem unfertigen Skript in den Dreh. Der Druck mag groß sein, aber die Kosten, die durch Probleme am Set entstehen, sind am Ende immer höher.

Ein anderes Thema, das mir am Herzen liegt, ist die Sicherheit am Set. In Deutschland gibt es dafür klare Vorschriften, zum Beispiel von der Berufsgenossenschaft (einfach mal nach BG ETEM suchen). Es geht um Arbeitszeiten, Pausen und die Absicherung von Gefahren. Ein guter Produktionsleiter sorgt dafür. Ich habe leider schon Unfälle erlebt, die durch pure Müdigkeit oder Nachlässigkeit passiert sind. Echte Professionalität zeigt sich nicht nur im künstlerischen Ergebnis, sondern auch im Umgang mit der eigenen Crew.

Und zu guter Letzt: die finanzielle Absicherung. Jeder professionelle Film hat eine sogenannte Film-Ausfallversicherung. Sie garantiert den Geldgebern, dass der Film fertiggestellt wird. So eine Versicherung kostet Geld, für einen Kurzfilm können das schon mal ein paar Tausend Euro sein, aber sie ist ein wichtiges Sicherheitsnetz. Wenn die Versicherung ihr Okay gibt, ist das auch ein Zeichen für die Seriosität deines Projekts.

Die Zukunft des Kinos: Leinwand oder Wohnzimmer?

Die Branche ist im Umbruch. Streaming-Dienste haben alles verändert. Das stellt auch die großen Festivals vor neue Fragen. Lange galt die Regel: Ein Wettbewerbsfilm muss zuerst ins Kino. Inzwischen gibt es eine Annäherung, denn viele der interessantesten Projekte werden heute von Streaming-Plattformen finanziert. Die Grenzen verschwimmen.

Ich persönlich glaube fest an die Kraft der großen Leinwand. Manche Filme entfalten ihre Wirkung nur dort, im Dunkeln, ohne Ablenkung. Aber die Realität ist eben auch, dass Streaming für viele Menschen der einfachste Zugang zu Filmen ist. Die Herausforderung für uns ist es, Filme zu machen, die entweder auf beiden Plattformen funktionieren oder so konsequent fürs Kino gedacht sind, dass die Leute einen echten Grund haben, ihr Haus zu verlassen.

Ein letztes Wort: Worauf es wirklich ankommt

Die Wahl einer bestimmten Person zur Jury-Spitze ist am Ende vor allem eine Feier des Handwerks. Eine Anerkennung dafür, dass ein großer Film die Summe aus tausenden klugen und mutigen Entscheidungen ist – vom ersten Wort im Skript bis zur finalen Tonmischung. Ein Preis wie der Goldene Löwe sollte an die gehen, die dieses Handwerk meisterhaft beherrschen.

Und für dich, wenn du in diese Branche willst, hab ich einen einfachen Rat: Lerne dein Handwerk. Egal ob du schreibst, Regie führst oder die Kamera bedienst. Versteh die Technik, aber verlieb dich in die Geschichte. Sei neugierig. Schau dir an, wie manche Regisseure Zeit fast schon meditativ einsetzen oder wie andere das ganz Persönliche, fast Tagebuchartige, filmisch umsetzen. Und vor allem: Sei verdammt hartnäckig. Der Weg ist steinig. Aber die Chance, eine Geschichte zu erschaffen, die Menschen berührt, ist jede Mühe wert. Darum geht es. Nicht um den roten Teppich, sondern um das Licht auf der Leinwand.

Michael von Adelhard

Michael von Adelhard ist 31 Jahre alt. Er arbeitet seit vielen Jahren als Journalist für einige der erfolgreichsten Nachrichten-Portale Deutschlands. Autor vieler Bücher und wissenschaftlicher Publikationen zum Thema «Einfluss sozialer Medien auf Jugendliche«. Schreibt über Themen wie Lifestyle, Umweltschutz, sowie Tech and Gadgets. In seiner Freizeit ist er häufig mit dem Fahrrad unterwegs – so schöpft er Inspiration für seine neuen Artikel.