Lernturm selber bauen – Der ehrliche Guide aus der Werkstatt

Entdecken Sie, warum ein Learning Tower nicht nur ein Möbelstück, sondern der Schlüssel zu kreativem Lernen für Ihr Kind ist!

von Elisa Meyer

Ich seh’s noch genau vor mir: Mein eigener Sohn fängt an zu laufen und die Küche wird plötzlich zum spannendsten Ort der Welt. Alles, was auf der Arbeitsplatte passiert, ist pures Gold. Ständig hat er sich an meinen Hosenbeinen hochgezogen, um auch nur einen kurzen Blick zu erhaschen. Ein normaler Stuhl? Viel zu wackelig, ehrlich gesagt, das war mir zu heiß. Das war der Moment, in dem der erste Lernturm in meiner Werkstatt entstand – nicht aus einer Laune, sondern aus purer Notwendigkeit.

So ein Lernturm, manchmal auch Küchenturm genannt, ist eben kein Spielzeug. Er ist ein Werkzeug, das deinem Kind die Welt auf Augenhöhe eröffnet. Das stärkt nicht nur das Selbstvertrauen, sondern auch die Bindung, wenn man gemeinsam schnippelt und rührt. Viele fragen mich, warum fertige Türme oft mehrere hundert Euro kosten und ob man die nicht einfach selbst bauen kann. Und die Antwort ist: Ja, absolut! Aber es ist mehr als nur ein paar Bretter zusammenschrauben. Es geht um Stabilität, das richtige Material und vor allem um die Sicherheit deines Kindes.

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Also, hier teile ich mal mein gesammeltes Werkstatt-Wissen, damit du eine solide Entscheidung treffen kannst – egal, ob du kaufst oder selbst zur Säge greifst.

Stop! Bevor es losgeht: Dein wichtigstes Maß

Bevor du auch nur einen Gedanken an Holz oder Schrauben verschwendest, mach mal Folgendes: Geh in deine Küche, schnapp dir einen Zollstock und miss die Höhe deiner Arbeitsplatte. Schreib dir diese Zahl auf. Das ist die absolute Basis für DEINEN perfekten Lernturm.

Das A und O: Warum ein Lernturm nicht kippen darf

Ein Lernturm muss bombenfest stehen. Das ist keine Magie, sondern simple Physik. Die goldene Regel lautet: Die Standfläche am Boden muss immer größer sein als die Plattform, auf der das Kind steht. Stell dir eine Pyramide vor – unten breit, oben spitz. Genau deshalb ist sie so stabil. Ein guter Lernturm macht sich dieses Prinzip zunutze.

Die Beine sollten also leicht nach außen gespreizt sein, ein Winkel von 5 bis 10 Grad ist da ideal. Das vergrößert die Grundfläche und macht das ganze Gebilde unheimlich kippsicher. Sieht nicht nur schicker aus, sondern ist pure, funktionale Sicherheit.

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Für alle, denen das mit den Schrägschnitten zu heikel ist, gibt es einen Trick: Du kannst auch eine einfache, rechtwinklige Kastenform bauen. Damit die aber genauso sicher ist, muss die Bodenplatte einfach ein Stück breiter und tiefer sein als der obere Teil des Turms. So schaffst du die nötige Standfläche auch ohne komplizierte Sägeeinstellungen.

Ein paar Maße aus der Praxis: Die Gesamthöhe des Turms sollte sich an deiner eben gemessenen Arbeitsplatte orientieren (meistens so um die 90 cm). Die Stehplattform fürs Kind ist dann auf etwa 40 bis 45 cm Höhe perfekt. So kann es bequem drüberschauen. Die Grundfläche sollte mindestens 50 x 50 cm haben, gerne auch etwas mehr. Und ganz wichtig: Dein Kind muss von drei Seiten umschlossen sein! Obenrum sollte eine Brüstung auf Bauchhöhe sein, und hinten ein Sicherheitsbügel, der verhindert, dass es rückwärts rauskullert.

Holz ist nicht gleich Holz: Die richtige Materialwahl

Jetzt wird’s spannend: das Material. Hier entscheidet sich, ob dein Projekt ein Erfolg wird oder eine wackelige Angelegenheit. Und da Kinder auch gerne mal an Dingen nuckeln, ist die Auswahl doppelt wichtig.

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Mein absoluter Favorit für so ein Projekt ist Birke-Multiplex. Das sind viele dünne Holzschichten, die kreuzweise verleimt sind. Das macht die Platten extrem stabil und verzugsfrei. Eine Stärke von 18 mm oder 21 mm ist perfekt. Die Kanten mit den sichtbaren Schichten sehen dazu noch richtig cool aus.

Der ultimative Anfänger-Hack: Du musst die Teile nicht selbst sägen! Geh mit deiner Zuschnittliste in einen Baumarkt (wie Hornbach, Bauhaus oder den örtlichen Holzhändler). Die haben riesige, präzise Sägen und schneiden dir die Platten auf den Millimeter genau zu. Das kostet ein paar Euro extra, aber erspart dir Frust, ungerade Kanten und die Anschaffung einer teuren Säge. Das ist der beste Trick, um ein professionelles Ergebnis zu bekommen!

Natürlich geht auch Massivholz. Buche ist der Klassiker für Kindermöbel – super hart, splittert kaum, ist aber auch recht schwer. Eiche ist ebenfalls robust mit einer tollen Maserung. Ahorn ist eine sehr helle und edle, aber auch teurere Variante. Und Kiefer? Ehrlich gesagt, lass für die tragende Konstruktion die Finger davon. Das Holz ist zu weich und bekommt sofort Dellen.

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Achtung! Wovon du dich unbedingt fernhalten solltest, sind MDF- und Spanplatten. Die quellen bei Feuchtigkeit sofort auf, was in der Küche schnell passiert. Noch schlimmer: Schrauben halten in den Kanten von Spanplatten quasi gar nicht. Das ist ein Sicherheitsrisiko, das man nicht eingehen will.

Die Oberfläche: Sicherer Schutz für Holz und Kind

Das Holz einfach so lassen? Keine gute Idee. Feuchtigkeit und Essensreste ziehen sofort ein. Die Oberfläche muss also geschützt werden, und zwar kindersicher. Achte unbedingt auf die Norm DIN EN 71-3. Das bedeutet, das Produkt ist „speichel- und schweißecht“ und unbedenklich, wenn dein Kind daran leckt.

Ich persönlich schwöre auf Hartwachsöle. Die ziehen ins Holz ein, schützen es von innen und die Oberfläche fühlt sich immer noch nach Holz an, nicht nach Plastik. Aus meiner Erfahrung haben sich hier die Produkte von Osmo oder Clou bewährt, die findest du im Fachhandel oder online. Die Verarbeitung ist einfach: dünn auftragen, 20 Minuten warten und dann den Überschuss restlos mit einem Baumwolltuch abreiben. Das ist super wichtig, sonst klebt es am Ende.

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WICHTIGER SICHERHEITSHINWEIS: Mit Öl getränkte Lappen können sich von selbst entzünden! Das ist kein Märchen, das passiert durch Oxidation. Also: Lappen nach Gebrauch entweder flach an der frischen Luft trocknen lassen oder in einem luftdichten Glas- oder Metallbehälter aufbewahren und dann entsorgen.

Jetzt geht’s los: Dein Lernturm-Projekt

Ein Lernturm ist ein super Projekt für Heimwerker mit etwas Grundausstattung. Plane mal ein gutes Wochenende dafür ein, da allein das Öl Zeit zum Trocknen braucht.

Deine Einkaufsliste (ungefähre Preise):

  • Birke-Multiplexplatte (18 mm, ca. 120 x 80 cm): Rechne hier mit ca. 40-60 €, je nach Baumarkt.
  • Gute Holzschrauben (z.B. Spax 4 x 40 mm): Eine Packung kostet um die 8-10 €. Bitte keine Trockenbauschrauben nehmen!
  • Wasserfester Holzleim (D3-Qualität): ca. 7-12 €.
  • Kindersicheres Hartwachsöl (DIN EN 71-3): Eine kleine Dose reicht, ca. 20-30 €.
  • Schleifpapier (Körnung 120 & 180): ca. 5 €.

Dazu brauchst du einen Akkuschrauber, Holzbohrer, Zollstock und ein paar Schraubzwingen.

Schritt für Schritt zum Ziel

1. Zuschnitt: Entweder lässt du das im Baumarkt machen (siehe Hack oben) oder du legst selbst los. Miss zweimal, säg einmal! Hier eine Beispiel-Stückliste (Maße unbedingt an deine Bedürfnisse anpassen!):

  • 2 Seitenteile: 90 cm hoch, unten 50 cm breit, oben 40 cm breit (für die Schräge)
  • 1 Stehplattform: 45 cm breit, 35 cm tief
  • 1 vordere Brüstung: 45 cm breit, 15 cm hoch
  • 2 hintere Streben (oben und als Sicherheitsbügel): je 45 cm breit, 10 cm hoch

2. Schleifen, schleifen, schleifen: Bevor du auch nur eine Schraube ansetzt, wird alles glatt geschliffen. Und ganz wichtig: Alle Kanten müssen „gebrochen“ werden, also leicht abgerundet. Eine scharfe Holzkante ist für Kinderhaut wie ein Messer. Fahr am Ende mit der Hand über alle Flächen. Es darf nichts mehr rau sein.

3. Der Zusammenbau: Immer erst Leim auf die Verbindungsflächen, dann schrauben. Das macht die Konstruktion erst richtig stabil. Bohre die Löcher für die Schrauben vor, damit das Holz nicht reißt. Dann verschraubst du die Seitenteile mit der Plattform und den Brüstungen. Ach ja, und überschüssigen Leim SOFORT mit einem feuchten Tuch abwischen. Ich erinnere mich an ein Projekt, bei dem ich das vergessen habe. Den getrockneten Leim abzuschleifen war die Hölle. Mach den Fehler nicht!

Kleiner Tipp für Fortgeschrittene: Wenn du die Plattform höhenverstellbar machen willst, bohre einfach in beide Seitenteile auf verschiedenen Höhen (z.B. alle 10 cm) durchgehende Löcher. Dann kannst du die Plattform später mit vier Schlossschrauben und Flügelmuttern ganz einfach umhängen.

4. Das Finish: Wenn der Leim komplett trocken ist (meist 24 Stunden), kommt das Öl drauf. Wie oben beschrieben: auftragen, warten, abwischen. Meistens sind zwei Durchgänge nötig für ein perfektes Ergebnis.

Gekauft oder gebaut? Eine ehrliche Abwägung

Lohnt sich der ganze Aufwand also? Das musst du selbst entscheiden.

Für den Eigenbau spricht ganz klar:

  • Die Kosten: Mit Werkzeug kommst du mit reinen Materialkosten von unter 100-120 € hin.
  • Der Stolz: Etwas mit den eigenen Händen für sein Kind zu bauen, ist unbezahlbar. Du kannst Größe und Design perfekt anpassen.
  • Die Kontrolle: Du weißt ganz genau, was drin und dran ist. Keine versteckten Schadstoffe.

Für den Kauf spricht aber auch einiges:

  • Geprüfte Sicherheit: Ein hochwertiger, gekaufter Turm hat meist ein GS-Zeichen („Geprüfte Sicherheit“). Der Hersteller haftet.
  • Die Zeit: So ein Projekt kostet dich ein Wochenende, das du vielleicht lieber anders verbringen möchtest.
  • Perfektion: Professionelle Hersteller haben Maschinen, die eine Präzision ermöglichen, die von Hand schwer zu erreichen ist.

Wenn du also Freude am Handwerken hast und dir der Verantwortung bewusst bist, ist der Bau eines Lernturms ein fantastisches Projekt. Wenn du aber unsicher bist oder einfach keine Zeit hast, ist die Investition in ein geprüftes Modell eine absolut gute Entscheidung für die Sicherheit deines Kindes.

Elisa Meyer

Elisa Meyer ist eine der Hauptautoren des Archzine Online Magazins und hat über 1000 interessante Artikel verfasst. Ihr akademischer Weg begann in Bremen am Hermann-Böse-Gymnasium und führte sie zum Studium der Journalistik und Kommunikation an der Universität Leipzig.