Nur in dieser Hinsicht ist die Kritik an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2024 sinnvoll – ein Kommentar

Die Olympischen Spiele 2024 stehen vor der Tür – aber was bedeutet das für die Geschlechtergerechtigkeit im Sport? Entdecke die spannenden Widersprüche.

von Sabina Karlev
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Queere Kunst und Ausdrucksformen sind aufgrund ihrer Tabuisierung provokant, sexualisiert und dekadent zugleich. Spannungen mit der Kirche sind nicht neu. Doch gerade im Bereich des Spitzensports kollidieren die Werte der sozialen Gerechtigkeit mit dem Konzept der sportlichen Fairness, denn es sind menschliche Körper und nicht Genderidentitäten, die Sport treiben. Die weibliche Exzellenz im Sport ist in den Medien sowieso unterrepräsentiert und braucht genau aus diesem Grund spezielle Aufmerksamkeit. Sie mag durch die Anwesenheit von Transfrauen in der weiblichen Kategorien der nicht-geschlechtsneutralen Sportarten bedroht sein. Der Grund ist die männliche Pubertät, die durch den Einfluss von Hormonen wie Testosteron die physikalischen Vorteile von Männern in Sachen Körpergroße, Muskelmasse und Knochendichte ermöglicht. Das betrifft Transfrauen im Sport, die sich eine Operation gemacht haben.

Nur in dieser Hinsicht ist die queere Kritik an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2024 sinnvoll – ein Kommentar

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Die Kritik an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2024 konzentrierte sich überwiegend auf ästhetische Repräsentationen und nicht aufs Kernproblem

Die Bildsprache des Tableau Leonardo Da Vincis wurde in Form von einem Catwalk mit Dragqueens und einem weiblichen Äquivalent von Jesus Christus inszeniert. Die Kadrage, die Gruppierung der Figuren sowie eine allmähliche Totalaufnahme riefen sofortige Assoziationen mit Das letzte Abendmahl hervor.

Kritik an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2024

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Das sorgte für Empörung und viele Kritiker:innen – kirchliche Gremien, Konservative und Rechtspolitiker:innen meldeten sich zu Wort, dass dieselbe Provokation unmöglich mit anderen Religionen gewesen sei. Warum immer wieder das Christentum? Ist das nicht ein leichtes Angriffsziel? Im Wesentlichen ist es bloß ein Klischee.

Es war überwiegend eine Kritik an der Repräsentation der Queer-Ästhetik – weibliche Sportarten sind aber traditionell in den Medien unterrepräsentiert

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Der visuelle Kanon der Drag-Ästhetik hat sich seit den 70ern nicht wesentlich verändert – Trash, Camp, Parodie – John Walters immer wieder. Es steht außer Frage, dass diese konkrete dekadente Ästhetik aus einer andauernden Menschenrechtsverletzung in unseren Gesellschaften resultiert. Aber in der langen Tradition von Voltaire, Molière, Marquis de Sade, André Breton und Georges Bataille wirkte die Drag-Performance in der Eröffnungsfeier in Wirklichkeit ein wenig banal und gar nicht so originell. Genau daran ist es möglichst gescheitert und aus diesem Grund ist die Kontroverse um die Repräsentation der queeren Kunst und deren Auseinandersetzung mit der christlichen Ikonografie vollkommen uninteressant. Das haben wir mehrmals gesehen.

Die Inklusion ist in diesem Aspekt problematisch

Es sind die menschlichen Körper, die den Sport treiben. Der Sport muss ein Bereich bleiben, in dem die Kategorisierung auf dem biologischen Geschlecht und nicht auf der Geschlechtsidentität beruht. Der medizinische Fortschritt machte geschlechtsangleichende Operationen möglich, was sich auf den weiblichen Elitesport auswirkte. Trans-Athletinnen (Sportlerinnen, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen haben) kämpften um ihr Recht, gegen Cis-Frauen (Cis-Frau ist der politisch-korrekte Begriff für eine Person, die bei Geburt als weiblich klassifiziert wurde und sich auch als Frau identifiziert, Anm.d.Red.) anzutreten. Ihnen dieses Recht zu verweigern, sei eine Verletzung ihrer Menschenrechte, meinen sie.

 Soll Inklusion um Preis der weiblichen Spitzenleistung im Sport stattfinden?

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Aber: Den aktuellen Olympischen Spielen 2024 in Paris ging die folgende Geschichte voraus.

Im Jahr 2022 konkurrierte zum ersten Mal die USA College-Schwimmerin Lia Thomas nach ihrer Transition gegen Cis-Frauen. Vor ihrer Transition und dem Beginn der Testosteron-Unterdrückung und der Hormonersatztherapie war Lia Thomas 65. im 500 m-Freistil-Schwimmen der Männer und wurde nach dem Gewinn der NCAA-Meisterschaft im März 2022 in den USA Erste in der weiblichen Kategorie.

Passionierte Debatten um die Teilnahme von Transfrauen in den weiblichen Kategorien

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Dies löste den Unmut aus, der von den amerikanischen konservativen Medien angeheizt wurde, und als Folge davon haben die Weltverbände für Leichtathletik, Radsport, Schwimmen, Rugby und Cricket transsexuelle Frauen verboten, in weiblichen Kategorien anzutreten. Das betrifft die Olympischen Spiele 2024 in Paris auch.

Voraussetzung für eine Teilnahme ist, dass Transsportlerinnen nach dem Beginn ihrer Transition die Pubertät durchlaufen haben – die Grenze für eine Operation zur Geschlechtsangleichung soll vor dem 12. Lebensjahr (Phase 2. der Pubertät) liegen. Die Motivation dahinter basiert auf dem Ziel, unfaire körperliche Leistungsvorteile gegenüber Cis-Frauen, die mit der männlichen Pubertät zusammenhängen, nach einer Transition auszuschließen. Das macht es unmöglich, dass transsexuelle Sportlerinnen in vielen Sportarten der Olympiade 2024 starten. Darunter auch Lia Thomas. Und das muss so sein: Inklusion darf wohl nicht um Preis von Fairness, darunter die Exzellenz der weiblichen Körper in Elitensport leiden kann, stattfinden.

Lia Thomas wird auf der Olympiade 2024 nicht starten dürfen

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Welche Regeln bisher galten

Zuvor hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) Richtlinien herausgegeben, die es jeder Transgender-Sportlerin erlaubten, als Frau an Wettkämpfen teilzunehmen. Ihr Testosteronspiegel sollte allerdings mindestens 12 Monate vor ihrem ersten Wettkampf unter 10 Nanomol pro Liter liegen.

Verschärfte Regeln bei einigen Sportarten

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Die aktuellen Anforderungen wurden nach ganz passionierte Debatten und Kampagnen jedoch geändert, um eine Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Frauen auszuschließen. Das lag an den einzelnen internationalen Sportverbänden und diese der Leichtathletik, des Schwimmens und des Radsports haben den Takt angegeben.

Die Problematik existiert nicht im Männersport

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Dies gilt jedoch nicht für Transgender-Personen, die sich keiner Geschlechtsumwandlung unterzogen haben und in der Kategorie des ihnen von Natur aus zugewiesenen Geschlechts antreten. Dazu gehören auf der Olympiade 2024 der kanadische Fußballstar Quin und die nicht-binäre Läuferin Nikki Hitz.

Sabina Karlev

Sabina Karlev ist dreisprachige Autorin und Journalistin und studierte Medienwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität zu Köln. Als Kommunikationsspezialistin hat sie für kulturelle und wissenschaftliche Institutionen gearbeitet, u. A. für die Max-Planck-Gesellschaft.