5 Portionen Obst & Gemüse? Was die WHO heute wirklich rät

Bestimmt kennen Sie die goldene Regel der Ernährung: Fünf Portionen Obst und Gemüse soll man pro Tag essen. Doch woher kommt dieser Richtwert, wie aktuell ist er noch und – die wichtigste Frage – wie schafft man das im Alltag? Als Coach sehe ich täglich, dass die Umsetzung die eigentliche Hürde ist. Lassen Sie uns gemeinsam Klarheit schaffen.
Der Ursprung der „5 am Tag“-Regel
Die „5-am-Tag“-Empfehlung ist Teil einer weltweiten Initiative, die in den 90er Jahren in den USA als „5 A Day – For a better Health“ begann. Federführend war damals das National Cancer Institute, da es wissenschaftliche Hinweise gab, dass ein höherer Verzehr von Obst und Gemüse bestimmten Krebserkrankungen vorbeugen könnte. Im Jahr 2000 kam die Kampagne nach Deutschland, getragen von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Das Ziel war klar: den Obst- und Gemüseverzehr in der Bevölkerung zu steigern.
Was bedeutet „eine Portion“ wirklich?

Die Faustregel „fünf Hände voll“ sollte die Empfehlung einprägsam machen. Eine Portion ist dabei das, was in Ihre persönliche Hand passt. Das ist ein geniales System, denn es passt sich automatisch an Ihre Körpergröße an – die Hand eines Kindes ist kleiner als die eines erwachsenen Mannes.
Doch was zählt alles als eine Portion? Die Antwort ist breiter als viele denken:
- Frisches Obst: 1 Apfel, 1 Banane, eine Handvoll Beeren oder Weintrauben.
- Gemüse (roh oder gekocht): 1 Tomate, eine halbe Paprika, 3-4 Brokkoliröschen, eine kleine Schüssel Salat.
- Hülsenfrüchte: eine kleine Tasse (ca. 75-80 g gekocht) Linsen, Bohnen oder Kichererbsen. Sie sind fantastische Protein- und Ballaststoffquellen.
- Tiefkühlprodukte: Ein wichtiger Praxistipp! Tiefgekühltes Obst und Gemüse ist genauso nährstoffreich wie frisches – oft sogar nährstoffreicher, da es direkt nach der Ernte schockgefrostet wird. Eine Handvoll gefrorener Beeren im Müsli oder Erbsen in der Nudelsoße sind einfache Wege, eine Portion zu integrieren.
- Nüsse und Säfte? Ursprünglich wurden auch sie gezählt. Heute sehen Experten das differenzierter. Nüsse sind gesund, aber sehr kalorienreich. Säfte enthalten kaum Ballaststoffe und viel konzentrierten Zucker. Sie sollten daher eher eine Ausnahme bleiben und keine ganze Obstportion ersetzen.
Der Unterschied zwischen Obst und Gemüse – und warum Sie keine Angst vor Fruchtzucker haben müssen

Lange wurde empfohlen, mehr Gemüse als Obst zu essen (3 Portionen Gemüse, 2 Portionen Obst). Der Grund: Obst enthält von Natur aus mehr Fruchtzucker (Fruktose) und hat somit eine höhere Energiedichte. Zu viel Fruktose, insbesondere in isolierter Form wie in Softdrinks oder verarbeiteten Lebensmitteln, wird mit Gesundheitsrisiken in Verbindung gebracht.
Als Coach rate ich jedoch zur Entspannung: Der Fruchtzucker in einem ganzen Apfel ist etwas völlig anderes. Er kommt im Paket mit Ballaststoffen, Vitaminen, Wasser und sekundären Pflanzenstoffen. Diese verlangsamen die Zuckeraufnahme, fördern die Sättigung und nähren Ihren Körper. Das Problem ist nicht das Obst, sondern der zugesetzte Zucker in Fertigprodukten. Solange Sie ganze Früchte essen, ist die natürlich enthaltene Fruktose im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung unbedenklich.
Die Realität in Deutschland: Ein Ziel, das viele verfehlen
Trotz der bekannten Kampagne zeigt die Realität ein anderes Bild. Der Ernährungsbericht der DGE offenbarte, dass nur 15 % der Frauen und 7 % der Männer die empfohlenen fünf Portionen erreichen. Im Durchschnitt essen Frauen nur 3,1 und Männer 2,4 Portionen pro Tag. Der Verein „5 am Tag e.V.“ wurde 2023 sogar aufgelöst.
Das zeigt: Eine Regel zu kennen, ist eine Sache. Sie im stressigen Alltag umzusetzen, eine andere. Die häufigsten Hürden, die ich in meiner Praxis sehe, sind Zeitmangel, hohe Kosten und fehlende Ideen.
So knacken Sie die 5-Portionen-Marke im Alltag: Realistische Tipps
Anstatt sich unter Druck zu setzen, lassen Sie uns das Ziel mit smarten Strategien angehen, die wirklich funktionieren.
1. Die Hürde „Zeit“ überwinden
Meal Prep light: Nehmen Sie sich am Sonntag 30 Minuten Zeit. Waschen und schneiden Sie Karotten, Paprika oder Gurken und lagern Sie sie in Dosen im Kühlschrank. So haben Sie immer einen gesunden Snack griffbereit.
Trick 17 für warme Mahlzeiten: Werfen Sie immer eine Handvoll Tiefkühl-Gemüse (z.B. Erbsen, Spinat, Sojabohnen) in Ihre Nudelsoße, Suppe oder Ihr Curry. Das dauert 30 Sekunden und fügt mühelos eine Portion hinzu.
Smoothie-Power: Ein Smoothie am Morgen ist ein schneller Weg für 1-2 Portionen. Mischen Sie eine Banane, eine Handvoll gefrorenen Spinat (man schmeckt ihn kaum!) und Beeren mit etwas Wasser oder Pflanzenmilch.
2. Die Hürde „Kosten“ meistern
Gesunde Ernährung muss nicht teuer sein. In Deutschland haben wir großartige Möglichkeiten, budgetfreundlich einzukaufen.
- Saisonal & Regional: Kaufen Sie, was gerade Saison hat. Ein Blick in den Saisonkalender lohnt sich. Auf dem Wochenmarkt oder direkt beim Bauern ist es oft günstiger und frischer.
- Tiefkühl-Held: Wie erwähnt, ist Tiefkühlgemüse eine fantastische und günstige Alternative. Die Eigenmarken von Supermärkten wie Aldi, Lidl oder Rewe bieten hier ein super Preis-Leistungs-Verhältnis.
- Hülsenfrüchte nutzen: Linsen, Bohnen und Kichererbsen aus der Dose oder getrocknet sind extrem preiswert (oft unter 1-2 € pro Dose/Packung) und zählen als Gemüseportion.
Was empfehlen DGE und WHO denn nun wirklich?
Anfang 2024 hat die DGE ihre Empfehlungen aktualisiert. Die WHO hat ebenfalls eine klare Richtlinie. Auch wenn die Zahlen leicht abweichen, ist die Kernbotschaft dieselbe.
- Die DGE empfiehlt: Mindestens 550 Gramm Obst und Gemüse pro Tag. Sie betonen, dass die Mischung zählt, aber der Fokus darauf liegen sollte, überhaupt *mehr* davon zu essen. Wer auf seine Energiezufuhr achtet, sollte den Gemüseanteil höher halten.
- Die WHO empfiehlt: Mindestens 400 Gramm Obst und Gemüse pro Tag, um das Risiko für chronische Krankheiten zu senken.
Die wichtigste Erkenntnis: Ob 400 g oder 550 g – die Richtung ist klar. Jede Portion zählt. Eine englische Studie zeigte sogar, dass Menschen, die sieben oder mehr Portionen aßen, ein deutlich geringeres Sterberisiko hatten. Mehr ist also besser, aber fangen Sie dort an, wo Sie stehen.
So könnte ein Tag mit 5 Portionen aussehen:
- Frühstück: Porridge mit einer Handvoll gefrorener Beeren. (1 Portion)
- Mittagessen: Eine große Schüssel gemischter Salat als Beilage zum Kantinenessen. (1-2 Portionen)
- Snack am Nachmittag: Ein Apfel und eine kleine Handvoll Mandeln. (1 Portion)
- Abendessen: Zum Abendbrot eine geschnittene Tomate und ein paar Gurkenscheiben oder eine große Portion Brokkoli als Beilage. (1 Portion)
Fazit: Fortschritt statt Perfektion ist der Schlüssel
Die „5 am Tag“-Regel ist auch heute noch ein exzellenter und einfacher Richtwert. Die Wissenschaft ist sich einig: Eine Ernährung, die reich an Obst und Gemüse ist, ist fundamental für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden.
Mein wichtigster Rat als Coach: Setzen Sie sich nicht unter Druck. Wenn Sie aktuell nur eine Portion am Tag essen, ist das Ziel für die nächste Woche, zwei Portionen zu schaffen. Das ist ein riesiger Erfolg! Es geht um nachhaltige Gewohnheiten, nicht um dogmatische Regeln. Eine gesunde Ernährung soll Energie geben und Freude machen, keinen zusätzlichen Stress verursachen.
Wichtiger Hinweis: Jeder Körper ist anders. Wenn Sie unter Verdauungsproblemen wie einem Reizdarmsyndrom leiden, kann eine große Menge Rohkost problematisch sein. Gekochtes und gedünstetes Gemüse ist oft besser verträglich. Sprechen Sie bei gesundheitlichen Bedenken oder Vorerkrankungen die Umstellung Ihrer Ernährung immer mit Ihrem Hausarzt oder einer zertifizierten Ernährungsberatung ab. Die Kosten hierfür werden unter bestimmten Voraussetzungen sogar von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst.