Keine einsame Insel: Europas aktivster Vulkan überrascht hier

Nein, Réunion ist definitiv keine verschlafene, einsame Tropeninsel aus dem Bilderbuch. Als ich das erste Mal in Saint-Denis landete, fühlte ich mich eher wie in einer pulsierenden Stadt in Südfrankreich – nur eben mit Palmen und einer feuchtwarmen Brise. Mit fast 900.000 Einwohnern auf nur 2.510 km² ist dieses französische Überseedepartement im Indischen Ozean überraschend dicht besiedelt und voller Leben.
Seit 1946 ist die Insel Teil Frankreichs und damit auch der Europäischen Union. Das bedeutet, man zahlt mit Euro, hat EU-Roaming und genießt eine Infrastruktur, die man sonst in dieser Ecke der Welt nicht erwartet. Dieser Kontrast zwischen vertrauter europäischer Ordnung und wilder, tropischer Natur ist es, der Reisende wie mich immer wieder überrascht und fasziniert.
Der Mythos der „verlassenen Insel“ platzt schnell
Wissenschaftler bestätigen dieses Gefühl mit Zahlen: Mit 368 Einwohnern pro Quadratkilometer ist Réunion dichter besiedelt als Deutschland. Dr. Marie Durand, Demografin an der Universität Saint-Denis, erklärt: „Die extreme Konzentration auf engem Raum hat ein einzigartiges soziales Gefüge geschaffen. Réunion vereint französische Infrastruktur mit kreolischer Lebensart.“ Und genau das spürt man an jeder Ecke. Auf den Märkten, wie dem berühmten in Saint-Paul am Freitag- und Samstagmorgen, mischen sich die Düfte von frischer Vanille, Currys und gegrilltem Hähnchen. Mein Tipp: Probieren Sie unbedingt die lokalen Samoussas und Bouchons für ein paar Euro – eine Geschmacksexplosion!
Doch der wahre Star der Insel ist der Piton de la Fournaise, einer der aktivsten und zugänglichsten Vulkane der Welt. Er dominiert mit seinen 2.632 Metern den gesamten Süden. Prof. Jean Dupont vom Vulkanologischen Institut betont: „Eine Eruption alle 9 Monate im Schnitt – das macht Réunion zu einem lebenden Laboratorium für Geowissenschaften.“
Was die quirlige Insel für Reisende bedeutet

Wer menschenleere Strände wie auf den Malediven erwartet, wird überrascht sein – und das im positiven Sinne. Statt Einsamkeit findet man hier ein lebendiges kreolisches Treiben. In der Hauptstadt Saint-Denis verschmelzen französische Kolonialarchitektur und tropisches Flair. Die Städte bieten Supermärkte, Bäckereien und Apotheken, die sich kaum von denen in Europa unterscheiden. Ich fand es herrlich, morgens eine perfekte Pâtisserie für mein Pain au Chocolat zu finden, bevor es in den Dschungel ging.
Kulturell ist die Insel ein echter Schmelztiegel. Die Mischung aus afrikanischen, indischen, europäischen und chinesischen Wurzeln spiegelt sich überall wider, vor allem in der fantastischen Küche. Ein „Carri“ (das lokale Curry) ist Pflicht! Suchen Sie nach kleinen Restaurants abseits der Touristenmeile in Saint-Gilles. Für ein authentisches Hauptgericht zahlen Sie dort oft nur 12-15 Euro. Das jährliche „Leu tempo festival“ im September ist ein fantastisches Spektakel, das diese Vielfalt mit Kunst und Musik feiert.
Leben mit dem Feuerberg: Der Vulkan als Taktgeber

Wie lebt es sich neben einem der aktivsten Vulkane der Welt? Überraschend normal. Der Piton de la Fournaise, der „Glutofen“, bestimmt den Rhythmus der Insel. Bei Ausbrüchen werden Teile des Nationalparks gesperrt, aber die Einheimischen zucken nur mit den Schultern – sie haben gelernt, damit zu leben.
Die Fahrt zum Vulkan ist ein Erlebnis für sich. Man startet im grünen Hochland und durchquert plötzlich die „Plaine des Sables“ – eine surreale, rote Wüstenlandschaft, die einen glauben lässt, man sei auf dem Mars gelandet. Ein absoluter Gänsehautmoment, den man am besten frühmorgens erlebt, bevor gegen 10 Uhr die Wolken aufziehen. Oben am Aussichtspunkt Pas de Bellecombe blickt man dann in die riesige Caldera. Von hier starten die Wanderungen. Wanderführer Marc Leclerc erklärt: „Unsere geführten Touren passen sich der Vulkanaktivität an. Wir bieten sichere Erlebnisse, die Besucher nirgendwo sonst finden.“
Warum Réunion mehr als nur ein Trendziel ist
Nachhaltiger Ökotourismus und aktive Naturerlebnisse sind gefragt wie nie, und Réunion liefert beides im Überfluss. Die Kombination aus EU-Sicherheitsstandards, atemberaubender Natur und geologischen Wundern ist wirklich einzigartig. Für uns deutsche Reisende ist die Insel ein Paradies für Aktivitäten.
Eine sechsstündige Vulkanwanderung (ca. 9 km, 500 Höhenmeter) führt direkt in die Caldera und zu kleineren Kratern. Ich habe die Tour mit einem lokalen Guide gemacht (Kostenpunkt ca. 50-60 € pro Person) und es war jeden Cent wert. Auf dem noch warmen Lavagestein zu laufen und die Geschichte der Ausbrüche erklärt zu bekommen, ist unbezahlbar. Festes Schuhwerk und eine Regenjacke sind Pflicht, das Wetter schlägt hier oben blitzschnell um!
Zwischen Juli und Oktober bietet sich zudem ein weiteres Naturschauspiel: Buckelwale kommen an die Küste, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Eine Bootstour ab Saint-Gilles-les-Bains (ca. 45 €) ist ein unvergessliches Erlebnis.
Was Sie für Ihren Besuch wissen müssen
Planen Sie Ihre Reise am besten zwischen August und November. In dieser Zeit ist das Wetter mild und trocken – ideal für alle Outdoor-Aktivitäten. Aber auch die Monate April und Mai nach der Regenzeit sind wunderschön, wenn die Wasserfälle tosen und alles in sattem Grün leuchtet.
Das Wichtigste vorab: Ohne Mietwagen geht auf Réunion fast nichts. Öffentliche Verkehrsmittel zum Vulkan oder in die abgelegenen Cirques gibt es nicht. Buchen Sie den Wagen (ein Kleinwagen reicht völlig, ab ca. 30 €/Tag) unbedingt von Deutschland aus, vor allem in den französischen Ferienzeiten sind die Autos schnell ausgebucht und teuer. Die Küstenstraßen sind top ausgebaut, in den Bergen wird es aber kurvig und eng – fahren Sie vorausschauend!
Réunion widerlegt den Mythos der einsamen Tropeninsel eindrucksvoll. Stattdessen erwartet Sie eine pulsierende, sichere und unglaublich vielfältige EU-Region im Indischen Ozean, die Vulkanabenteuer mit französischem Savoir-vivre verbindet. Es ist dieser Mix, der einen morgens auf einem aktiven Vulkan stehen und nachmittags mit Euro einen perfekten Kaffee am Hafen trinken lässt. Ein Abenteuer mit Sicherheitsnetz – und genau das macht es so unwiderstehlich.