Italiens Klippendorf: 314 Einwohner trotzen dem Meer

von Amandine Hach
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Manarola. Schon der Name klingt wie eine Melodie. Als ich das erste Mal aus dem kleinen Bahnhofstunnel trat und das Licht meine Augen traf, blieb mir für einen Moment die Luft weg. Vor mir lagen diese unglaublichen, in allen Farben leuchtenden Häuser, die sich seit 700 Jahren waghalsig an die Steilklippen der Cinque Terre klammern. Es ist ein Anblick, den man von tausend Fotos kennt, aber ihn mit eigenen Augen zu sehen, ist etwas völlig anderes. Dieses Dorf mit seinen offiziell nur 314 Einwohnern ist kein Freilichtmuseum – es ist ein lebendiges, atmendes Wunderwerk menschlicher Hartnäckigkeit.

Vom Fischerdorf zur Postkarten-Ikone – zurecht?

Die Verwandlung Manarolas von einem bescheidenen Fischerdorf zu einem der meistfotografierten Orte der Welt ist beeindruckend, aber auch eine Bürde. Die dicht gedrängten Turmhäuser, die sich scheinbar der Schwerkraft widersetzend an den Fels schmiegen, sind ein Zeugnis jahrhundertealter Baukunst. Ich bin durch die engen Gassen, die hier caruggi heißen, geschlendert und habe mich gefragt, wie man hier jemals Möbel hochbekommen hat. Alles ist steil, alles ist eng, aber hinter jeder Biegung wartet ein neuer, atemberaubender Ausblick auf das tiefblaue Ligurische Meer.

Mein wichtigster Tipp: Laufen Sie einfach mal los! Verlassen Sie die Hauptachse, die vom Bahnhof zum Hafen führt. Steigen Sie die steilen Treppen hinauf in Richtung Friedhof. Von dort oben haben Sie nicht nur eine fantastische Aussicht, sondern auch eine himmlische Ruhe, selbst wenn unten die Touristenmassen vorbeiziehen. Hier oben spürt man noch den ursprünglichen Charakter des Ortes.

Praktische Tipps für Ihren Besuch in Manarola

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Bevor Sie sich von den Bildern verzaubern lassen, ein paar ehrliche Worte zur Logistik. Nach Manarola mit dem Auto zu fahren, ist eine wirklich schlechte Idee. Die Straßen sind eng, die Parkplätze sind extrem rar, teuer (rechnen Sie mit 3-4 € pro Stunde) und weit außerhalb des Dorfzentrums. Tun Sie sich den Stress nicht an.

Die mit Abstand beste Methode ist der Zug. Die Cinque Terre Treno MS Card ist hier Ihr bester Freund. Für aktuell etwa 19 € (Stand 2024, Preis variiert je nach Saison) können Sie einen ganzen Tag lang unbegrenzt zwischen La Spezia und Levanto pendeln und alle fünf Dörfer besuchen. Die Züge fahren in der Hauptsaison alle 15-20 Minuten. Kaufen Sie die Karte am besten online, um die langen Schlangen an den Bahnhöfen zu umgehen.

Die beste Reisezeit ist für mich ganz klar die Nebensaison. Im April, Mai, September und Oktober sind die Temperaturen angenehm, die Farben der Natur intensiv und die Menschenmassen erträglicher. Im Juli und August ist es oft unerträglich voll und heiß. Da schiebt man sich mehr durch die Gassen, als dass man sie genießt.

Die Wiedergeburt einer Legende: Via dell’Amore

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Die große Neuigkeit, die alle Cinque-Terre-Fans elektrisiert: Nach Jahren der Sperrung wegen eines Erdrutsches ist die legendäre Via dell’Amore, der Liebespfad, der Manarola mit Riomaggiore verbindet, seit 2024 wieder teilweise geöffnet und soll 2025 komplett zugänglich sein. Ich erinnere mich an Spaziergänge auf diesem Pfad vor seiner Schließung – die Ausblicke sind wirklich spektakulär romantisch. Der Weg ist kurz und fast eben, also für jeden machbar.

Wichtiger Hinweis: Der Zugang wird voraussichtlich streng reguliert sein. Man wird wohl ein Ticket für ein bestimmtes Zeitfenster online buchen müssen. Rechnen Sie mit Kosten um die 5 € pro Person. Das ist kein Versuch, Geld zu machen, sondern eine notwendige Maßnahme, um den fragilen Pfad zu schützen und die Besucherströme zu lenken. Informieren Sie sich also unbedingt vorab online und buchen Sie Ihr Ticket, sobald es verfügbar ist!

Zwischen Pesto, Wein und Touristenfallen

Manarola kämpft, wie alle Dörfer hier, darum, seine Seele nicht an den Massentourismus zu verkaufen. Die terrassierten Weinberge, die das Dorf umgeben, sind nicht nur Kulisse. Hier wächst die Traube für den berühmten, süßen Dessertwein Sciacchetrà. Eine Kostprobe in einer kleinen Enoteca ist ein Muss – aber erwarten Sie keine Schnäppchen, eine kleine Flasche kann gut und gerne 50 € und mehr kosten.

Was das Essen angeht, gibt es eine berühmte Adresse: das Nessun Dorma. Es ist eine Bar mit der absolut besten Aussicht auf Manarola, perfekt für einen Aperitivo bei Sonnenuntergang. Die Kehrseite: Sie können nicht reservieren und die Schlange ist oft endlos lang. Ich habe dort einmal über eine Stunde gewartet. Lohnt es sich? Für das eine perfekte Instagram-Foto vielleicht. Für ein entspanntes Erlebnis? Eher nicht.

Mein ehrlicher Rat: Genießen Sie den Ausblick vom öffentlichen Aussichtspunkt direkt daneben (kostet nichts!) und suchen Sie sich zum Essen eine der Trattorien oben im Dorf, wie die Trattoria Dal Billy. Dort sitzen Sie abseits des Trubels, essen fantastischen frischen Fisch und erleben authentischere Gastfreundschaft. Planen Sie für ein gutes Abendessen mit Wein etwa 40-50 € pro Person ein – jeden Cent wert!

Das wahre Juwel entdecken

Manarolas wahre Magie entfaltet sich, wenn die Tagestouristen verschwunden sind. Wenn Sie die Möglichkeit haben, übernachten Sie direkt in einem der Dörfer. Ich habe das einmal gemacht und es war eine Offenbarung. Am frühen Morgen gehört der Ort fast Ihnen allein. Man hört nur das Rauschen des Meeres und die Fischer, die ihre Boote vorbereiten. Abends, wenn die Lichter angehen und die untergehende Sonne die Häuser in ein warmes, goldenes Licht taucht, spürt man, warum Menschen seit Jahrhunderten an diesem unwirtlichen, aber wunderschönen Fleckchen Erde festhalten.

Manarola ist mehr als nur ein schönes Foto. Es ist ein Ort, der uns daran erinnert, dass die größten Wunder oft auf kleinstem Raum entstehen – mit Mut, Gemeinschaftssinn und einer tiefen Verbundenheit mit der Natur. Nehmen Sie sich die Zeit, hinter die Fassade zu blicken. Es lohnt sich.

Amandine Hach

Als Französin in Berlin verbindet Amandine Hach das Beste aus zwei Welten und teilt ihre Entdeckungen auf ihrem Blog „Les Berlinettes“. Mit einem besonderen Fokus auf das Reisen mit Kindern inspiriert sie Familien dazu, die Welt gemeinsam zu erkunden – sei es die eigene Nachbarschaft in der Hauptstadt oder ferne Ziele. Amandine zeigt auf authentische und stilvolle Weise, wie man Abenteuerlust und Familienalltag wunderbar miteinander vereinen kann, und gibt wertvolle Tipps für unvergessliche Erlebnisse mit den Kleinsten.