Pforzheims Plan: Deutschlands modernste Schmuckmetropole?

Ich gebe es zu: Pforzheim stand lange nicht auf meiner Reiseliste. Die „Goldstadt“ klang für mich immer ein wenig nach verstaubter Industrie und komplizierter Nachkriegsarchitektur. Doch der Ruf als Deutschlands verborgene Schatzkammer hat mich neugierig gemacht. Und was ich fand, war eine Stadt im Wandel, ein faszinierendes Zusammenspiel aus glänzendem Erbe und mutiger Zukunftsvision, das besonders im Herbst 2025 seinen Höhepunkt erreichen könnte.
Goldene Zahlen und ehrliches Handwerk
Die Fakten sind beeindruckend und der Grund, warum Pforzheim seinen Beinamen trägt: Seit 1945 kommen über 50% des deutschen Schmucks von hier. Und die Branche boomt weiter. Allein im ersten Quartal 2024 lag der Exportwert bei unglaublichen 723,5 Millionen Euro. Aber hinter diesen Zahlen steckt eine Greifbarkeit, die ich so nicht erwartet hatte. Man spürt das Handwerk in der DNA der Stadt. Es ist kein abstraktes Wirtschaftsdatum, sondern gelebte Realität.
Mein erster Weg führte mich ins weltberühmte Schmuckmuseum im Reuchlinhaus. Planen Sie hierfür mindestens zwei Stunden und die rund 8 Euro Eintritt ein – es ist jeden Cent wert. Die Reise durch 5.000 Jahre Schmuckgeschichte ist überwältigend. Mich hat besonders die antike etruskische Goldschmiedekunst fasziniert – filigrane Arbeiten, die zeigen, dass wahre Kunst zeitlos ist. Im Gegensatz dazu stehen die Schmuckwelten, eine Art kommerzielles Erlebniszentrum. Hier kann man die Handwerkskunst live erleben und natürlich auch kaufen. Es ist glänzender, lauter, aber perfekt, um die enorme Vielfalt des Pforzheimer Schaffens zu begreifen – vom klassischen Goldring bis zu avantgardistischen Stücken, die auch an Stars wie Lady Gaga zu sehen sind.
Architektonische Juwelen, die eine Geschichte erzählen

Pforzheim glänzt eben nicht nur mit Gold. Die Stadt ist ein oft verkanntes Freilichtmuseum der Nachkriegsmoderne. Der Grund ist ein tragischer: Bei einem Bombenangriff 1945 wurde die Innenstadt fast vollständig zerstört. Der Wiederaufbau in den 50er- und 60er-Jahren prägt das Stadtbild bis heute. Was mancher als „hässlich“ abtut, ist in Wahrheit ein mutiges Zeugnis des Wiederaufbauwillens.
Das beste Beispiel ist der Hauptbahnhof von 1958. Als ich aus dem Zug stieg, war ich von seiner klaren, kubischen Form beeindruckt. Er wirkt nicht protzig, sondern ehrlich und funktional. Seit 1989 steht er unter Denkmalschutz, und das zu Recht. Es lohnt sich, beim Spaziergang durch die Stadt die Augen offenzuhalten: Fassaden mit Mosaiken, geschwungene Treppenhäuser und die typische Fenstergestaltung dieser Epoche finden sich überall. Mein Tipp: Schauen Sie nach oben! Die interessantesten Details verstecken sich oft über den modernen Ladenfronten.
Was Sie sonst nicht verpassen sollten

Ein absolutes Highlight, das in vielen Reiseführern zu kurz kommt, ist der Gasometer Pforzheim. In einem ehemaligen Gasspeicher werden gigantische 360°-Panoramen des Künstlers Yadegar Asisi gezeigt. Ich habe mir das Panorama „PERGAMON“ angesehen und war sprachlos. Man steht auf einer riesigen Plattform und taucht komplett in eine andere Welt ein. Der Eintritt ist mit rund 15 Euro nicht ganz billig, aber das Erlebnis ist unvergesslich und eine perfekte Ergänzung zum Stadtprogramm.
Für einen Moment der Ruhe und einen fantastischen Ausblick empfehle ich einen Abstecher auf den Wallberg. Die aufgeschütteten Trümmer der zerstörten Stadt bilden heute einen Hügel, der als Mahnmal und zugleich als Ort der Hoffnung dient. Besonders zum Sonnenuntergang ist die Stimmung hier oben, mit Blick über das neue Pforzheim, sehr bewegend.
Praktische Tipps für Ihre Reise nach Pforzheim
Die Anreise ist denkbar einfach. Pforzheim liegt verkehrsgünstig an der A8 zwischen Stuttgart und Karlsruhe und ist hervorragend ins ICE-Netz der Bahn eingebunden. Vom Hauptbahnhof aus sind die meisten Sehenswürdigkeiten bequem zu Fuß erreichbar.
Bei der Unterkunft gibt es für jeden Geldbeutel etwas. Ich habe gute Erfahrungen mit zentral gelegenen Hotels wie dem Parkhotel gemacht, von wo aus man direkt am Stadtgarten und an der Enz ist. Die Preise liegen hier im Schnitt bei 120-150 Euro pro Nacht. Es lohnt sich, frühzeitig zu buchen, besonders wenn Messen in der Region stattfinden.
Und kulinarisch? Pforzheim bietet ehrliche badisch-schwäbische Küche. Meiden Sie die typischen Ketten in der Fußgängerzone und suchen Sie nach einem traditionellen Gasthaus. Ich bin im „Kupferhammer“ gelandet und habe für unter 20 Euro hervorragende Maultaschen gegessen. Das ist die Art von authentischem Erlebnis, die eine Reise ausmacht.
Warum Herbst 2025 die perfekte Zeit ist
Der Herbst 2025 wird als ideale Zeit für einen Besuch gehandelt, und ich kann dem nur zustimmen. Die Stadt ist dann nicht von Touristen überlaufen. Das milde Herbstlicht taucht die 50er-Jahre-Fassaden in ein warmes, fast goldenes Licht und die Parks entlang der Flüsse Enz und Nagold leuchten in bunten Farben. Es ist die perfekte Atmosphäre, um Pforzheims einzigartige Mischung aus rauer Architektur und feinem Handwerk auf sich wirken zu lassen.
Pforzheim ist vielleicht keine Liebe auf den ersten Blick. Es ist keine pittoreske Fachwerkstadt. Aber es ist eine ehrliche, überraschende und unglaublich spannende Stadt, die ihre Geschichte nicht versteckt. Sie belohnt jeden, der bereit ist, genauer hinzusehen – mit Gold, mit Beton und mit unzähligen Geschichten dazwischen. Geben Sie der Goldstadt eine Chance. Sie hat es verdient.