Mit 120 km/h über Italiens schönstes Bergdorf fliegen

von Brittany Alaine Koehler
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Stellen Sie sich vor, Sie schweben mit 120 km/h über mittelalterliche Dächer, während unter Ihnen ein winziges 705-Einwohner-Dorf an den Felsen klebt. Das ist keine Fantasie. Willkommen in Castelmezzano, Italiens verstecktem Juwel in der Basilikata. Ich erinnere mich noch genau an meine erste Anfahrt: Nachdem man eine kurvenreiche Straße durch eine fast surreale Landschaft aus Sandsteinfelsen gefahren ist, biegt man um eine letzte Ecke und da liegt es – wie eine Fata Morgana, direkt aus dem Stein gewachsen. Ein Anblick, der einem den Atem raubt, lange bevor man auch nur an die berühmte Zipline denkt.

Warum Castelmezzano die bessere Alternative zu den Dolomiten ist

Auf 750 Metern Höhe in den „Dolomiti Lucane“ gelegen, überrascht Castelmezzano mit seinem rauen Charme und einem Abenteuer, das man hier niemals vermuten würde. Während die berühmten Dolomiten im Norden oft von Touristenmassen überrannt werden, hat sich dieser Ort seine Seele bewahrt. Hier fühlt man sich nicht wie ein anonymer Besucher, sondern wie ein Entdecker. Mit nur 705 Einwohnern erleben Sie hier noch das echte, unverfälschte süditalienische Dorfleben – ganz ohne überfüllte Parkplätze und stundenlanges Anstehen.

Das Herzstück dieses Abenteuers ist der „Volo dell’Angelo“ (Engelsflug), eine Zipline, die selbst mich als erfahrenen Reisenden ins Schwitzen brachte. Aber es ist ein Erlebnis, das so viel mehr ist als nur ein Adrenalinkick. Es ist die Kombination aus Nervenkitzel und der unfassbaren Schönheit der Natur, die es einzigartig macht.

Der Engelsflug: Ein Erlebnis, das man nie vergisst

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Castelmezzano gehört zu Recht zu den „Borghi Più Belli d’Italia“ (schönsten Dörfern Italiens). Pastellfarbene Häuser schmiegen sich an die Felswände, als wären sie Teil einer lebendigen Krippe. Doch hinter dieser Idylle wartet der Stahlseil-Nervenkitzel. Der „Volo dell’Angelo“ verbindet Castelmezzano mit dem Nachbardorf Pietrapertosa. Wichtig zu wissen: Es sind zwei Flüge. Man fliegt hin und nach einer kleinen Pause wieder zurück.

Ich stand auf der Startplattform, wurde in den Gurt eingeklinkt und blickte in die 400 Meter tiefe Schlucht. Ein kurzer Ruck, und dann: Stille. Man hört nur das Zischen des Windes und das eigene Herz pochen. Mit bis zu 120 km/h rast man bäuchlings über das Tal – die Häuser von Pietrapertosa kommen rasend schnell näher. Der Flug dauert nur etwa anderthalb Minuten, aber die Bilder brennen sich für immer ein. Es ist weniger angsteinflößend als vielmehr euphorisch. Man fühlt sich tatsächlich wie ein Vogel.

Praktische Tipps für den Volo dell’Angelo

Ein paar Dinge hätte ich gerne vorher gewusst: Die Zipline ist bis Mitte September meist täglich (außer mittwochs) geöffnet, danach nur noch an den Wochenenden bis Anfang November. Eine Winterpause ist üblich.

  • Kosten: Rechnen Sie mit etwa 40-45 Euro für einen Einzelflug an Wochentagen, am Wochenende etwas mehr. Der PaFlug, bei dem man nebeneinander fliegt, ist oft günstiger und kostet ca. 70-80 Euro für zwei Personen.
  • Buchung: Buchen Sie unbedingt online und im Voraus, besonders für Wochenenden! Sie erhalten ein festes Zeitfenster. Vor Ort gibt es oft keine Tickets mehr.
  • Ablauf: Vom Dorfzentrum in Castelmezzano bringt Sie ein Shuttlebus zum Startpunkt. Nach dem Flug nach Pietrapertosa muss man ein Stück durch das Dorf zur zweiten Startplattform für den Rückflug laufen. Planen Sie dafür mindestens eine Stunde ein, um auch Pietrapertosa kurz zu erkunden.

Castelmezzano und Pietrapertosa erkunden

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Nehmen Sie sich Zeit, durch die Gassen zu schlendern. In Castelmezzano führt die „Gradinata Normanna“, eine in den Fels gehauene Treppe, zu den Überresten einer alten Normannenfestung. Der Aufstieg ist kurz, aber steil – der Panoramablick von oben ist die Belohnung und vielleicht der beste Fotospot des ganzen Ortes.

Pietrapertosa auf der anderen Seite des Tals ist nicht weniger beeindruckend und wird von einer arabisch-normannischen Burgruine gekrönt. Der Spaziergang durch das Dorf zum Startpunkt des Rückflugs ist ein Erlebnis für sich. Für Wanderfreunde gibt es den „Percorso delle Sette Pietre“ (Sieben-Steine-Weg), einen mystischen Pfad, der die beiden Dörfer verbindet und von lokalen Legenden erzählt. Er ist etwa 2 km lang und eine tolle Alternative zum Shuttlebus.

Wo man essen und schlafen sollte

In Castelmezzano habe ich in der „Trattoria da Peppe“ fantastisch gegessen. Ein kleines, familiengeführtes Lokal mit ehrlicher, lokaler Küche. Probieren Sie unbedingt die Pasta mit `Peperoni Cruschi` (knusprig frittierte Paprika), eine Spezialität der Region. Für ein komplettes Menü mit Wein zahlen Sie hier etwa 30-40 Euro pro Person – ein Bruchteil dessen, was man in touristischeren Gegenden Italiens bezahlt.

Für eine Übernachtung empfehle ich, nach einem `Albergo Diffuso` Ausschau zu halten. Das sind Hotels, deren Zimmer auf verschiedene historische Gebäude im Dorf verteilt sind. Man wohnt also mitten unter den Einheimischen und unterstützt die lokale Gemeinschaft. Es ist eine unglaublich authentische Erfahrung.

Anreise und beste Reisezeit

Die größte Hürde und gleichzeitig der Segen von Castelmezzano ist seine Abgeschiedenheit. Man braucht definitiv ein Auto. Die nächstgelegenen Flughäfen sind Bari (BRI) und Neapel (NAP), von beiden sind es etwa zwei Stunden Fahrt. Der Weg dorthin ist Teil des Abenteuers und führt durch eine spektakuläre Landschaft. Ein Besuch lässt sich perfekt mit einer Reise nach Matera (ca. 1,5 Stunden entfernt) oder an die Amalfiküste verbinden.

Die beste Reisezeit ist für mich der späte Frühling (Mai, Juni) oder der frühe Herbst (September, Oktober). Im Herbst taucht die Sonne die Felsen in ein magisches, goldenes Licht. Der Sommer ist ebenfalls schön, aber im August kann es durch italienische Urlauber voller und sehr heiß werden.

Ein unvergessliches italienisches Abenteuer

Castelmezzano ist dieser seltene Ort, der das Beste aus zwei Welten vereint: die Stille eines fast vergessenen Bergdorfes und den Nervenkitzel eines modernen Abenteuers. Es ist ein Beweis dafür, dass die größten Schätze Italiens oft abseits der ausgetretenen Pfade liegen. Ein Ort, der überrascht, begeistert und einem das Gefühl gibt, etwas wirklich Einzigartiges entdeckt zu haben – authentisch, atemberaubend und absolut unvergesslich.

Brittany Alaine Koehler

Brittany Koehler ist eine amerikanische Autorin und Bloggerin, die in Norddeutschland lebt. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Themen „Slow Living“, kulturelle Eingewöhnung und die persönlichen Veränderungen, die das Leben im Ausland mit sich bringt.