Omas Rezept: Gurken in Zucker mit feinem Ananasgeschmack

Manche Rezepte sind mehr als nur eine Anleitung – sie sind ein Stück Familiengeschichte. Dieses Rezept für „Gurken in Zucker“, das klingt wie ein seltsames Experiment, ist genau das: ein Erbstück meiner Urgroßmutter, aufgeschrieben in einem vergilbten Notizbuch. Wer es zum ersten Mal hört, ist skeptisch. Wer es aber probiert, erlebt eine kulinarische Überraschung: Die Gurken entwickeln durch das langsame Einkochen einen erstaunlich fruchtigen, exotischen Geschmack, der verblüffend an Ananaskompott erinnert.
In Zeiten, in denen man aus dem, was der Garten hergab, das Beste machen musste, entstanden solche genialen Kreationen. Wenn die Gurkenernte im Spätsommer überhandnahm und die großen, schon leicht gelblichen Exemplare übrig blieben, war das ihre große Stunde. Anstatt sie wegzuwerfen, verwandelte meine Urgroßmutter sie in eine süß-säuerliche Delikatesse, die den ganzen Winter über Freude bereitete. Lassen Sie uns dieses fast vergessene Juwel der deutschen Vorratskammer wiederentdecken.
Das Geheimnis hinter dem Ananas-Geschmack
Wie kann eine Gurke wie eine Ananas schmecken? Die Magie liegt in der Zubereitung. Durch das lange, sanfte Köcheln in einer Essig-Zucker-Lösung passieren mehrere Dinge:
- Texturveränderung: Die Zellstruktur der Gurke bricht auf. Das feste, wässrige Fruchtfleisch wird weich, zart und nimmt die Aromen des Sirups vollständig auf.
- Geschmackstransformation: Die Kombination aus Säure (Essig) und einer großen Menge Zucker, langsam reduziert, erzeugt ein komplexes Aromaprofil. Die typische „grüne“ Note der Gurke tritt in den Hintergrund, während die fruchtigen Ester, die durch die Reaktion von Säure und Zucker entstehen, in den Vordergrund treten. Die Zitrone verstärkt diesen Effekt.
- Kandier-Effekt: Die Gurkenstücke werden quasi kandiert. Der Sirup dringt tief ein und konserviert sie, während er ihnen diese glasige, fast durchscheinende Optik verleiht, die man von Kompottfrüchten kennt.
Das Ergebnis ist kein schlichter Gurkensalat, sondern ein echtes Konfekt, das die Grenzen zwischen Gemüse und Obst verschwimmen lässt.
Die richtigen Zutaten: Darauf kommt es an

Für dieses Rezept braucht man keine exotischen Zutaten. Der Schlüssel liegt in der Auswahl und Qualität der wenigen Komponenten, die Sie in jedem deutschen Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt finden.
Die perfekte Gurke
Was Sie brauchen: Ideal sind sogenannte Schmorgurken oder große, überreife Landgurken. Das sind die dicken, oft schon leicht gelblichen Exemplare, die für den Salat zu groß und kernig geworden sind. Ihr Vorteil: Sie haben ein festeres Fruchtfleisch und einen geringeren Wassergehalt als junge Salatgurken. Das macht sie perfekt für dieses Rezept, da sie beim Kochen nicht zerfallen.
Wo zu finden: Auf dem Wochenmarkt im Spätsommer (August/September) oder fragen Sie beim Gemüsehändler. Manchmal werden sie günstig als „Einmachgurken“ verkauft. Normale Salatgurken funktionieren notfalls auch, müssen aber eventuell kürzer gekocht werden, um nicht matschig zu werden.
Menge: Sie benötigen ca. 1,5 kg Gurken nach dem Schälen und Entkernen. Planen Sie also gut 2 kg Rohgewicht ein.
Zutatenliste für ca. 4-5 Gläser (à 350 ml)
- Gurken: ca. 2 kg große Schmorgurken (ergibt ca. 1,5 kg netto)
- Wasser: 500 ml
- Essig: 250 ml Weißweinessig (5 % Säure). Apfelessig geht auch für eine mildere Note.
- Zucker: 750 g weißer Haushaltszucker
- Zitrone: 1 große Bio-Zitrone
Anleitung: Schritt für Schritt zum perfekten Ergebnis

Nehmen Sie sich für die Zubereitung etwa 2 bis 2,5 Stunden Zeit. Der meiste Aufwand ist das Warten, während die Gurken sanft köcheln. Ein guter Plan (Mise en Place) ist hier die halbe Miete.
Schritt 1: Die Vorbereitung der Gurken (ca. 20 Minuten)
Schälen Sie die Gurken gründlich mit einem Sparschäler. Halbieren Sie sie dann der Länge nach. Mit einem Teelöffel schaben Sie das wässrige Kerngehäuse komplett heraus. Dieser Schritt ist wichtig, damit das Endergebnis nicht wässrig wird. Schneiden Sie die entkernten Gurkenhälften in ca. 5 mm dicke Scheiben oder mundgerechte Stücke.
Schritt 2: Das erste Kochen (ca. 10 Minuten)
Geben Sie das Wasser und den Essig in einen großen, breiten Topf und bringen Sie die Mischung zum Kochen. Geben Sie die vorbereiteten Gurkenstücke hinein. Lassen Sie alles einmal kräftig aufkochen. Dieser Schritt dient dazu, die Gurken zu erhitzen und sie für die Aufnahme des Zuckers vorzubereiten.
Schritt 3: Das langsame Einkochen (ca. 1,5 Stunden)
Reduzieren Sie die Hitze sofort, sodass die Flüssigkeit nur noch ganz leicht simmert – sie sollte kaum noch blubbern. Lassen Sie die Gurken nun für etwa 90 Minuten in dem Essigwasser ziehen. In dieser Zeit werden sie weicher und nehmen den sauren Geschmack auf. Sie beginnen, leicht durchscheinend zu werden.
Schritt 4: Die Verwandlung zur Süßigkeit (ca. 30-45 Minuten)
Waschen Sie die Bio-Zitrone heiß ab und schneiden Sie die Schale mit einem Sparschäler in langen, dünnen Streifen ab. Achten Sie darauf, so wenig wie möglich von der weißen, bitteren Haut mitzunehmen. Geben Sie nun den Zucker und die Zitronenschalenstreifen zu den Gurken in den Topf. Rühren Sie vorsichtig um, bis sich der Zucker aufgelöst hat.
Profi-Tipp: Kochen Sie die Mischung nun bei niedriger bis mittlerer Hitze weiter, bis die Gurkenstücke glasig aussehen und der Sirup merklich eingedickt ist. Das ist der wichtigste visuelle Hinweis! Die Flüssigkeit sollte die Konsistenz von dünnem Honig haben. Dies kann je nach Wassergehalt der Gurken 30 bis 45 Minuten dauern.
Schritt 5: Heiß abfüllen und konservieren (ca. 15 Minuten)
Während die Gurken kochen, sterilisieren Sie Ihre Einmachgläser und Deckel. Am einfachsten geht das, indem Sie sie für 10 Minuten in kochendes Wasser legen oder bei 120 °C für 15 Minuten in den Backofen stellen. Füllen Sie die heiße Gurkenmischung sofort bis zum Rand in die sauberen, heißen Gläser. Achten Sie darauf, dass die Gurkenstücke gut vom Sirup bedeckt sind. Verschließen Sie die Gläser sofort fest und stellen Sie sie für 5-10 Minuten auf den Kopf. Dadurch entsteht ein Vakuum, das die Gläser sicher versiegelt.
Häufige Fragen & Variationen vom Chef
Meine Gurken sind matschig geworden. Was lief falsch?
Wahrscheinlich haben Sie zu hoch gekocht oder eine zu wässrige Gurkensorte verwendet. Das Geheimnis liegt im sanften Simmern, nicht im sprudelnden Kochen. Beim nächsten Mal die Hitze reduzieren und die Garzeit im Auge behalten.
Kann ich auch andere Gewürze hinzufügen?
Absolut! Das Grundrezept ist eine fantastische Basis für Experimente. Probieren Sie es mal mit:
- Einer aufgeschlitzten Vanilleschote für ein warmes, exotisches Aroma.
- Einem Sternanis und einer Zimtstange für eine weihnachtliche Note.
- Ein paar Ingwerscheiben für eine leichte Schärfe.
Serviervorschläge und Lagerung
Nach dem Abkühlen an einem kühlen, dunklen Ort (z.B. im Keller oder in der Speisekammer) lagern. Die Ananasgurken sollten mindestens 2-3 Wochen durchziehen, bevor Sie sie genießen – dann ist der Geschmack am besten. Gut verschlossen sind sie mindestens ein Jahr haltbar.
Diese süße Spezialität ist unglaublich vielseitig:
- Zum Dessert: Fantastisch zu Vanilleeis, Waffeln oder Kaiserschmarrn.
- Zur Käseplatte: Ein wunderbarer süß-saurer Kontrast zu kräftigem Bergkäse oder cremigem Brie.
- Zu Fleisch: Als Beilage zu gebratenem Geflügel, Wildgerichten oder auf einem kalten Bratenbuffet.
Probieren Sie dieses alte Rezept aus und bewahren Sie ein Stück kulinarische Geschichte. Es ist die perfekte Art, die Fülle des Sommers im Glas einzufangen und sich an kalten Tagen ein Stück süße Nostalgie zu gönnen.