Guntersblum: 5 Fehler kosten das 100-Keller-Erlebnis

Ich erinnere mich noch an mein erstes Mal auf dem Guntersblumer Kellerwegfest. Ich kam an einem Samstagnachmittag an, die Sonne brannte, und ich war überwältigt von der schieren Menge an Menschen. Ich dachte, ich wüsste, wie deutsche Weinfeste funktionieren. Aber Guntersblum ist anders. Es ist ein 1 Kilometer langes, unterirdisches Labyrinth aus über 100 historischen Weinkellern, das selbst erfahrene Weinkenner wie mich überrascht. An diesem ersten Tag habe ich fast jeden Fehler gemacht, den man machen kann. Heute weiß ich es besser und teile meine Erfahrungen, damit Sie nicht dasselbe Lehrgeld zahlen und das volle, authentische 100-Keller-Erlebnis genießen.
Fehler 1: Den perfekten Zeitpunkt verpassen
Der erste und vielleicht häufigste Fehler ist, zur falschen Zeit zu kommen. Viele Besucher, so wie ich damals, strömen am frühen Nachmittag auf die Festmeile. Doch die wahre Magie des Kellerwegfests entfaltet sich erst, wenn die Dämmerung einsetzt. Die absolut beste Zeit für eine Verkostung ist zwischen 17 und 20 Uhr. Warum? Weil die Keller eine konstante Temperatur von 10-12°C haben. In dieser Kühle entfalten die Weine – besonders der Riesling und der Silvaner – ihr volles Aroma, das in der Nachmittagshitze draußen verloren ginge.
Aber es geht nicht nur um die Temperatur. Am späten Nachmittag übernehmen oft die Winzerfamilien selbst den Ausschank. Man steht dann nicht nur in einem historischen Gewölbe, sondern spricht mit dem Menschen, dessen Hände die Trauben gelesen haben. Das sind die Momente, die man nicht vergisst. Mein Tipp: Nehmen Sie sich auch an einem heißen Augusttag eine dünne Jacke oder einen Pullover mit. Der Temperatursturz beim Betreten eines Kellers ist enorm, und Sie wollen ja gemütlich verkosten, ohne zu frösteln.
Fehler 2: Die exklusiven Kellerführungen ignorieren

Die meisten Besucher schlendern einfach von Keller zu Keller, was auch schön ist. Aber sie verpassen damit die Seele des Festes. Ein gravierender Fehler ist es, die Keller(weg)führungen zu ignorieren. Diese werden von lokalen Experten und Winzern im Ruhestand geleitet und müssen unbedingt im Voraus gebucht werden, da sie extrem schnell ausverkauft sind.
Ich habe letztes Jahr eine für rund 15 € mitgemacht und es war die beste Investition des Wochenendes. Unser Führer hat uns nicht nur in Keller gebracht, die für die Öffentlichkeit verschlossen sind, sondern auch Geschichten erzählt, die in keinem Reiseführer stehen. Er zeigte uns versteckte architektonische Juwelen wie das „Salettl“, einen unterirdischen Pavillon, und erklärte, wie die Keller während des Krieges genutzt wurden. Buchen Sie diese Führungen mindestens einen Monat im Voraus über die offizielle Webseite des Verkehrsbvereins Guntersblum. Ohne diese Insider-Einblicke kratzt man nur an der Oberfläche.
Fehler 3: Sich von den Massen treiben lassen

Mit 35.000 bis 40.000 Besuchern an zwei Wochenenden wird es, vor allem samstagabends, extrem voll. Der Fehler ist, sich einfach in die Hauptschlagader zu stürzen und dort zu bleiben, wo es am vollsten ist. Die Kunst besteht darin, antizyklisch zu denken.
Meine erprobten Strategien: Der Freitagnachmittag direkt nach der Eröffnung ist fantastisch. Es ist noch nicht überlaufen, und die Winzer haben Zeit für ein Schwätzchen. Auch der Sonntagvormittag ist herrlich entspannt, perfekt für eine ruhige Verkostung. Wenn Sie am Samstag kommen müssen, nutzen Sie die Zeit zwischen 13 und 18 Uhr für eine der Traktor-Rundfahrten zum Römerturm. Das entzerrt den Tag und Sie sehen etwas von der wunderschönen rheinhessischen Landschaft. Logistik-Tipp: Versuchen Sie gar nicht erst, im Ortskern zu parken. Es ist ein Albtraum. Nutzen Sie die ausgewiesenen Parkplätze am Ortsrand und gehen Sie 10 Minuten zu Fuß. Noch besser: Reisen Sie mit der Bahn an. Der Bahnhof Guntersblum ist nur wenige Gehminuten vom Kellerweg entfernt und die Verbindung aus Mainz oder Mannheim ist hervorragend.
Fehler 4: Die historische Dimension übersehen
Ein fataler Fehler ist es, Guntersblum nur als Partymeile zu sehen und die reiche Geschichte zu ignorieren. Nehmen Sie sich eine Stunde Zeit und spazieren Sie zum Heidenturm der evangelischen Kirche, dessen Fundamente bis ins Jahr 1101 zurückreichen. Er ist nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern ein stummer Zeuge der fast tausendjährigen Weinbautradition des Ortes. Von dort oben hat man einen atemberaubenden Blick über das Rebenmeer bis zum Rhein. Mir persönlich hilft dieser Ausblick immer, den Wein, den ich später trinke, viel mehr wertzuschätzen, weil ich sehe, wo er herkommt.
Wenn Winzer vom „Terroir“ sprechen, meinen sie genau das. Der Boden hier, geprägt von Löss und Kalkmergel, verleiht den Weinen ihre einzigartige Mineralität. Wer diese historische und geologische Dimension ignoriert, trinkt nur Wein – aber er erlebt ihn nicht wirklich.
Fehler 5: Nur bekannte Weine und Speisen probieren
Der letzte, aber entscheidende Fehler: Viele halten sich an das, was sie kennen – Grauburgunder, Riesling, Bratwurst. Damit verpassen sie die wahren Schätze. Jeder Winzer hat seine Spezialitäten, oft lokale Rebsorten oder besondere Lagenweine, die man sonst nirgends bekommt. Seien Sie mutig! Fragen Sie den Winzer direkt: „Was ist Ihr persönlicher Lieblingswein?“ oder „Was muss ich probiert haben, das es nur hier bei Ihnen gibt?“ So habe ich schon fantastische Entdeckungen gemacht, wie eine trockene Huxelrebe oder einen eleganten Frühburgunder.
Das Gleiche gilt für das Essen. Statt der zehnten Bratwurst sollten Sie nach lokalen Spezialitäten Ausschau halten. Probieren Sie unbedingt den rheinhessischen Klassiker „Spundekäs mit Brezeln“, eine Art Frischkäsezubereitung, oder ein saftiges Winzersteak vom Schwenkgrill. Das ist authentischer Genuss. Ein Probierglas Wein (0,1l) kostet meist zwischen 2,50 € und 4,00 €. Man kauft am Anfang ein offizielles Festglas für ein paar Euro plus Pfand und lässt es sich immer wieder nachfüllen.
Ihr authentisches Guntersblum-Erlebnis
Guntersblum ist vielleicht kein internationaler Name wie Bordeaux, aber es bietet eine Ehrlichkeit und Herzlichkeit, die man in berühmten Weinregionen oft vermisst. Planen Sie Ihren Besuch strategisch: Kommen Sie am späten Nachmittag, buchen Sie eine Kellerführung im Voraus und parken Sie am Ortsrand. Verlieren Sie sich in den Gassen abseits des Hauptstroms, probieren Sie Weine, deren Namen Sie noch nie gehört haben, und sprechen Sie mit den Menschen, die sie machen. Ein letzter, wichtiger Rat zur Unterkunft: Buchen Sie Ihr Zimmer in Guntersblum oder den Nachbarorten Oppenheim und Alsheim mindestens sechs Monate im Voraus. Zum Fest ist alles ausgebucht. Dann steht einem Weinfesterlebnis, das Sie so schnell nicht vergessen werden, nichts mehr im Wege.