Tetra Pak: Richtig entsorgen & was wirklich recycelt wird

Orangensaft, Hafermilch, passierte Tomaten – der Griff zum Getränkekarton im Supermarkt ist für viele Routine. Er ist leicht, praktisch und schützt seinen Inhalt zuverlässig. Ist er leer, landet er im Müll. Doch was dann passiert, ist eine der kompliziertesten und umstrittensten Geschichten in der Welt der Abfallwirtschaft. Wie entsorgt man einen Tetra Pak richtig, und was bedeutet „Recycling“ in diesem Fall wirklich?
Die Antwort ist weit mehr als eine einfache Anleitung zur Mülltrennung. Sie führt tief in die Materialwissenschaft, die Tücken des deutschen Recyclingsystems und den ständigen Konflikt zwischen ökologischem Anspruch und industrieller Realität. Denn der unscheinbare Karton ist ein hochkomplexes Verbundprodukt, dessen Entsorgung eine technologische und ökologische Herausforderung darstellt.
Ein Hightech-Verbund mit Tücken
Umgangssprachlich nennen wir sie alle „Tetra Paks“, doch hinter den Getränkekartons stehen mehrere große Hersteller wie Tetra Pak, SIG Combibloc oder Elopak. Ihr Aufbau ist ein kleines Meisterwerk der Verpackungstechnik, konzipiert für maximale Haltbarkeit und minimales Gewicht. Ein typischer Karton besteht aus bis zu sieben hauchdünnen Schichten, die untrennbar miteinander verbunden sind.
Im Durchschnitt macht Papier aus Frischfasern etwa 70-75% des Gewichts aus. Dieses Papier, oft aus nordischen Wäldern, wo Bäume langsamer wachsen, gibt dem Karton seine Stabilität. Im Inneren sorgt eine Schicht aus Polyethylen (PE-Kunststoff) für die Dichtigkeit. Eine ultradünne Aluminiumschicht – oft dünner als ein menschliches Haar – fungiert als Barriere gegen Licht und Sauerstoff, was den Inhalt ohne Kühlung haltbar macht. Weitere Kunststoffschichten verbinden die Materialien und schützen die äußere Bedruckung. Dieses komplexe Sandwich ist der Grund, warum die Entsorgung so entscheidend ist.
Die korrekte Entsorgung ist der erste und wichtigste Schritt im Recyclingprozess: Der leere Getränkekarton gehört in den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne. Nur so gelangt er in die spezialisierten Sortieranlagen, die für Leichtverpackungen zuständig sind. Eine Entsorgung im Altpapier wäre fatal, da die Anlagen dort nicht in der Lage sind, den Kunststoff- und Aluminiumanteil abzutrennen – der gesamte Karton würde als Störstoff aussortiert und verbrannt werden.
Was in der Sortieranlage wirklich geschieht

Haben die Kartons die Sortieranlage erreicht, beginnt der eigentliche Trennungsprozess. In großen Trommeln, sogenannten Pulpern, werden die zerkleinerten Verpackungen mit Wasser vermischt und aufgeweicht. Durch die mechanische Bewegung lösen sich die langen Papierfasern vom Kunststoff-Aluminium-Verbund. Dieser Faserbrei wird abgeschöpft und kann als Sekundärrohstoff in der Papierindustrie weiterverwendet werden – zum Beispiel für Wellpappe, Hygienepapiere oder Gipskartonplatten.
Hier endet jedoch für viele der eigentliche Recyclingkreislauf. Zurück bleibt ein nasser Mix aus Polyethylen- und Aluminiumresten. Dieser Verbund wird getrocknet und geht meist den Weg der sogenannten „energetischen Verwertung“. Das ist ein beschönigender Begriff für die Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme. Ein kleinerer Teil wird als Ersatzbrennstoff in Zementwerken eingesetzt. Technisch gesehen ist dies kein Recycling im Sinne eines geschlossenen Kreislaufs, sondern ein Downcycling oder eine thermische Verwertung. Die wertvollen Rohstoffe Aluminium und Kunststoff werden dabei vernichtet, nicht wiederaufbereitet.
Genau hier liegt der Kern der Kontroverse, die von Umweltverbänden wie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) seit Jahren geführt wird. Die Industrie und das Duale System verweisen auf offiziell hohe Recyclingquoten. Laut dem Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel (FKN) liegt die Recyclingrate für Getränkekartons in Deutschland bei über 76%. Die DUH hingegen kommt in ihren Berechnungen auf eine tatsächliche stoffliche Verwertungsquote von nur etwa 30-40%.
Wie kommt diese gewaltige Diskrepanz zustande? Sie liegt in der Definition. Laut dem deutschen Verpackungsgesetz gilt eine Verpackung bereits dann als „recycelt“, wenn sie einer Verwertungsanlage zugeführt wird. Ob am Ende alle Bestandteile tatsächlich zu neuen Produkten werden, spielt für diese Statistik eine untergeordnete Rolle. Die DUH rechnet anders: Sie zieht die rund 40% der Kartons ab, die falsch entsorgt werden (z.B. im Restmüll) und daher gar nicht erst in den Recyclingprozess gelangen. Zudem zählt sie die verbrannte Kunststoff-Aluminium-Fraktion nicht als Recycling mit – ein entscheidender Unterschied in der Methodik.
Das System hinter dem Karton: Einweg gegen Mehrweg

Das Problem des Getränkekartons ist symptomatisch für einen größeren Systemkonflikt: den zwischen Einweg- und Mehrwegverpackungen. Während ein Tetra Pak für eine einmalige Nutzung konzipiert und mit hohem Energieaufwand hergestellt und teilweise recycelt wird, werden Mehrwegflaschen aus Glas oder PET bis zu 50 Mal (PET) bzw. 25 Mal (Glas) wiederbefüllt.
Die Ökobilanz ist dennoch komplex. Ein schwerer Glas-Mehrwegbehälter, der über weite Strecken transportiert wird, kann eine schlechtere Klimabilanz haben als ein leichter Einwegkarton. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) gibt eine Faustregel an: Eine regionale Glasflasche (Transportweg unter 200 km), die mindestens 15 Mal wiederverwendet wird, ist dem Getränkekarton ökologisch überlegen. Das traditionell starke deutsche Mehrwegsystem gerät jedoch zunehmend unter Druck durch die Dominanz von Einwegverpackungen in den Supermarktregalen.
Gleichzeitig reagiert die Industrie auf die Kritik. Die Hersteller arbeiten daran, den Kunststoffanteil zu reduzieren und vermehrt biobasierte Kunststoffe (z.B. aus Zuckerrohr) einzusetzen. Auch die fest verbundenen Deckel, die seit einer EU-Verordnung Pflicht sind, sollen zwar den Recyclingprozess erleichtern, erhöhen laut DUH aber den Kunststoffanteil und die Emissionen bei der Produktion um bis zu 20 Prozent.
Für Verbraucher bleibt eine schwierige Abwägung. Der Griff zum Getränkekarton ist bequem und oft unumgänglich. Die korrekte Entsorgung im Gelben Sack ist das absolute Minimum, um zumindest die Papierfasern in den Kreislauf zurückzuführen. Wer jedoch einen Schritt weitergehen möchte, sollte wann immer möglich auf regionale Mehrwegsysteme setzen. Das bedeutet, bewusst nach Glas- oder PET-Mehrwegflaschen aus der eigenen Region Ausschau zu halten. Dies stärkt nicht nur eine nachhaltigere Kreislaufwirtschaft, sondern sendet auch ein klares Signal an Handel und Industrie, dass die Nachfrage nach echten Mehrweglösungen weiterhin besteht.