Bieszczady im Herbst: Zeitreise mit dem Sonderzug

Der Herbst in Polen hat etwas Magisches, besonders in den Bieszczady-Bergen. Wenn die Wälder in leuchtenden Rot-, Orange- und Goldtönen explodieren, verwandelt sich diese wilde, unberührte Ecke Südostpolens in ein wahres Märchenland. Ich habe diese Region schon oft besucht, bin stundenlang gewandert und habe die Stille genossen. Aber es gibt eine Art, den Herbstzauber der Bieszczady zu erleben, die unvergleichlich ist: an Bord eines historischen Zuges, der sich quietschend und schnaufend durch die Täler schlängelt.
Seit einigen Jahren gibt es Initiativen wie das Projekt „Mit dem Zug in den Bieszczady-Herbst“, die genau das ermöglichen. Meist an ein paar Wochenenden im September oder Oktober werden Sonderzüge eingesetzt, die auf Strecken verkehren, auf denen seit Jahren keine Personenzüge mehr fahren. Das ist nicht nur eine Reise durch eine atemberaubende Landschaft, sondern auch eine echte Zeitreise.
Ein Nostalgie-Erlebnis auf Schienen
Vergessen Sie den Komfort eines ICE. Hier geht es um das pure, authentische Bahnerlebnis von früher. Wenn man in die historischen Waggons aus den 1970er und 1980er Jahren einsteigt, ist es, als würde man eine andere Welt betreten. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl der weichen, leicht durchgesessenen Sitze in den Abteilen und das charakteristische Ruckeln, wenn die alte Lokomotive anfährt. Man öffnet das Fenster einen Spalt, spürt den kühlen Herbstwind und hört das rhythmische Klackern der Räder auf den Schienen.
Die Züge werden oft von echten Klassikern gezogen, wie der Diesellokomotive SM42 oder der Elektrolok EU07 in ihrer ursprünglichen grünen Lackierung. Das Herzstück für mich ist aber oft der historische „WARS“-Barwagen. Hier ein Bier oder einen heißen Tee zu bestellen, während draußen die goldenen Buchenwälder vorbeiziehen, ist unbezahlbar. Rechnen Sie mit Preisen um die 3-4 € für ein polnisches Bier und kleinen Snacks für 5-7 €. Es geht nicht um Gourmetküche, sondern um die Atmosphäre.
Die Route: Vergessene Orte und wilde Natur

Das Besondere an diesen Fahrten ist, dass sie weit über die bekannten Touristenorte hinausführen. Die Züge halten an winzigen, fast vergessenen Bahnhöfen und durchqueren Abschnitte, die dem regulären Verkehr längst verschlossen sind. Die Routen variieren von Jahr zu Jahr, führen aber oft durch Städte wie Sanok, das Tor zu den Bieszczady, und entlang des malerischen San-Flusses.
Orte wie Uherce Mineralne oder Komańcza tauchen auf den Fahrplänen auf – Dörfer, die tief in der Geschichte der Region verwurzelt sind. Man fährt durch dichte Wälder, in denen noch Bären und Wölfe leben, und sieht immer wieder die typischen Holzkirchen (Cerkwie) mit ihren zwiebelförmigen Kuppeln. Aus dem Zugfenster heraus bekommt man ein Gefühl für die Weite und Einsamkeit dieser Landschaft, die man vom Auto aus so nicht wahrnimmt. Die Fahrt selbst wird zum Ziel.
Praktische Tipps für Ihre Zugreise

Diese Reise erfordert ein wenig Planung, aber sie lohnt sich absolut. Hier sind meine wichtigsten Ratschläge aus eigener Erfahrung:
Buchung ist alles: Diese Sonderfahrten werden meist von Organisationen wie TurKol.pl veranstaltet. Sie können die Tickets nicht am Bahnhof kaufen! Sie müssen online und oft Monate im Voraus buchen, da die Plätze extrem begehrt und schnell ausverkauft sind. Die Ticketpreise für eine Tagesetappe liegen je nach Länge meist zwischen 50 und 80 Euro.
Anreise aus Deutschland: Der einfachste Weg ist, nach Krakau (KRK) oder Rzeszów (RZE) zu fliegen. Von dort aus würde ich einen Mietwagen empfehlen, um flexibel zum Startbahnhof des Zuges zu gelangen. Die Fahrt von Rzeszów in die Bieszczady-Region dauert etwa 1,5 bis 2 Stunden. Mit dem Auto aus Deutschland, zum Beispiel von Berlin, sind es gut 10-12 Stunden Fahrt – eine Option für einen längeren Roadtrip.
Wo übernachten? Ich empfehle, sich eine Basis in einem der größeren Orte wie Sanok oder Ustrzyki Dolne zu suchen. Mein persönlicher Favorit sind die „Agroturystyka“-Unterkünfte – das sind ländliche Pensionen oder Ferien auf dem Bauernhof. Hier erlebt man polnische Gastfreundschaft, isst fantastisch und zahlt oft nur 30-50 € pro Nacht für ein Zimmer. Ein gutes Mittelklassehotel kostet etwa 70-100 €.
Was Sie abseits der Schienen nicht verpassen sollten
Die Zugfahrt ist ein perfekter Einstieg, aber um die Bieszczady wirklich zu spüren, müssen Sie wandern. Die größten Highlights sind die „Połoniny“ – baumlose Almwiesen auf den Bergrücken, die atemberaubende Panoramen bieten. Eine Wanderung auf die Połonina Wetlińska oder Caryńska ist ein absolutes Muss im Herbst. Die Wege sind gut markiert, aber das Wetter kann schnell umschlagen. Packen Sie also immer wetterfeste Kleidung ein, auch wenn die Sonne scheint.
Probieren Sie unbedingt die lokale Küche. Halten Sie Ausschau nach einer „Karczma“ (traditionelles Gasthaus) und bestellen Sie „Proziaki“ (eine Art Sodabrot), serviert mit Knoblauchbutter, oder eine herzhafte Pilzsuppe. Die Region ist berühmt für ihre einfachen, aber unglaublich schmackhaften Gerichte.
Ich muss ehrlich sein: Diese Zugreise ist nichts für Leute, die schnell von A nach B wollen oder modernen Luxus erwarten. Sie ist eine Einladung zur Entschleunigung. Sie ist für Nostalgiker, Eisenbahnfans und für alle, die eine der wildesten Ecken Europas auf eine Weise entdecken wollen, die sowohl romantisch als auch tief authentisch ist. Es ist eine Reise, die noch lange nachhallt.