Mehr als nur ein roter Mantel: Mein Insider-Guide für den perfekten Nikolaus-Auftritt
Glauben Kinder an den Weihnachtsmann, oder ist das nur ein Märchen? Entdecken Sie die Magie hinter dieser Frage und ihre Bedeutung für die Kleinen!
Die Dunkelheit der Winternacht wird plötzlich von einem strahlenden Lächeln erhellt. Ein roter Mantel, ein weißer Bart und das Kichern von Kindern – ist das die wahre Magie des Lebens? Während die Sterne funkeln, stellt sich die Frage: Was wäre Weihnachten ohne den Glauben an das Gute, verkörpert durch den Weihnachtsmann?
Seit über dreißig Jahren beginnt für mich die schönste Zeit des Jahres mit diesem ganz besonderen Duft: einer Mischung aus Tannennadeln, Bienenwachs und Bratäpfeln. Nein, ich bin kein Förster oder Bäcker. Mein Handwerk ist viel leiser, aber es schafft Erinnerungen, die ein Leben lang halten. Ich habe in unzählige leuchtende Kinderaugen geblickt und dieses ehrfürchtige Schweigen gespürt, das sich in einem Wohnzimmer ausbreitet. Ich bin einer der Männer, die als Nikolaus oder Weihnachtsmann zu den Familien kommen.
Inhaltsverzeichnis
Ganz ehrlich? Wenn Leute heute versuchen, den „Wert“ so eines Erlebnisses in Euro zu berechnen, muss ich schmunzeln. Das ist doch Quatsch. Der wahre Wert liegt im Weitergeben einer Tradition, im Schaffen eines magischen Moments für die ganze Familie. Aber diese Magie entsteht nicht von allein, sie ist harte Arbeit. Ein schlechter Auftritt kann mehr kaputtmachen, als man denkt. Ein richtig guter hingegen ist ein echtes Geschenk. In all den Jahren habe ich gelernt, was wirklich zählt. Und genau dieses Wissen möchte ich heute mit dir teilen.

Die wichtigste Regel zuerst: Nikolaus ist nicht Weihnachtsmann
Bevor wir überhaupt über den roten Mantel sprechen, müssen wir eine grundlegende Sache klären. Das ist die erste Lektion, die ich jedem beibringe, der in diese Rolle schlüpfen will. Nikolaus und Weihnachtsmann sind zwei Paar Stiefel. Wer das durcheinanderwirft, wirkt sofort unglaubwürdig, und Kinder haben dafür unglaublich feine Antennen.
Der Klassiker: Der Heilige Nikolaus
Der Nikolaus, der traditionell am Abend des 5. oder am Morgen des 6. Dezember an die Tür klopft, hat eine historische Wurzel. Er geht auf einen Bischof zurück, der vor langer Zeit für seine unglaubliche Güte und Großzügigkeit bekannt war. Die Legenden erzählen, wie er armen Familien heimlich half, ohne je eine Gegenleistung zu erwarten. Er ist also eine ernste, würdige und kirchlich geprägte Figur.
Sein Gewand ist daher oft an eine bischöfliche Tracht angelehnt: ein langer Mantel, eine Mitra (die hohe Bischofsmütze) und ein Bischofsstab. Übrigens, kleiner Fun-Fact am Rande: Wusstest du, dass der Bischofsstab oben eine Krümmung hat, um die „Schäfchen“ (also die Gläubigen) sanft zu führen, und unten traditionell eine Spitze, um die „Wölfe“ (das Böse) abzuwehren? Der Nikolaus will von den Kindern also nicht nur wissen, ob sie „artig“ waren, sondern ob sie hilfsbereit und freundlich zu anderen waren. Seine Geschenke wie Nüsse, Äpfel und Mandarinen sind eher symbolisch.

Die moderne Variante: Der Weihnachtsmann
Der Weihnachtsmann ist eine deutlich jüngere Figur. Er hat sich aus verschiedenen Volkstraditionen entwickelt und sein heutiges Aussehen – roter Anzug mit weißem Pelz, Zipfelmütze und Rauschebart – wurde stark durch Werbung und populäre Kultur geprägt. Er ist die Symbolfigur für das kommerzielle Weihnachtsfest und bringt die großen Geschenke an Heiligabend. Regional gibt es da aber große Unterschiede, oft bringt in Süd- und Westdeutschland traditionell eher das Christkind die Geschenke – eine Figur, die eingeführt wurde, um den Fokus stärker auf das Christliche zu lenken.
Und wer klopft da noch mit? Knecht Ruprecht & der Krampus
Zum Nikolaus gehört oft ein Begleiter. Im Norden und in der Mitte Deutschlands ist das meist Knecht Ruprecht, eine ernste, aber niemals böse Gestalt in dunkler Kleidung. Er trägt einen Sack und eine Rute – aber Achtung! Die Rute ist heute ein reines Symbol, eine Mahnung. Niemals, wirklich NIEMALS, wird damit gedroht. Ein guter Darsteller weiß das.

In Süddeutschland und Österreich ist der Begleiter oft der Krampus, eine ziemlich furchteinflößende Gestalt mit Hörnern und lauten Glocken. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Hier ist extremes Fingerspitzengefühl gefragt! Ich frage bei Auftritten in diesen Regionen immer vorher explizit bei den Eltern nach, ob der Krampus überhaupt erwünscht ist. Für kleine Kinder kann das schnell zu viel werden. Seine Rolle ist es, das Böse zu symbolisieren, das vom Guten (dem Nikolaus) in Schach gehalten wird – er ist kein Erziehungsinstrument.
Dein Auftritt: Eine Anleitung aus der Praxis
Ein gelungener Besuch ist wie ein gut gebautes Möbelstück: Er braucht eine solide Struktur, hochwertige Materialien und eine sorgfältige Ausführung. Jeder Schritt muss sitzen.
Die Vorbereitung: Hier entscheidet sich alles!
Glaub mir, 90 % des Erfolgs liegen in der Vorbereitung. Der eigentliche Auftritt ist dann nur noch die Kür.
Die Montur: Mehr als nur ein Kostüm
Ich nenne es nie Kostüm, sondern Gewand oder Montur. Ein billiger Filzmantel und ein Wattebart vom Discounter für 10 € zerstören jede Illusion. Investiere lieber in Qualität, es lohnt sich! Ein wirklich guter, glaubwürdiger Bart ist aus echtem Büffelhaar handgeknüpft. Er ist zwar teurer, rechne mal mit 80 € bis über 200 €, aber er sitzt perfekt, verdeckt das Gesicht und lässt trotzdem noch etwas Mimik durchscheinen. Du findest sowas in Theatershops oder bei spezialisierten Online-Händlern.

Der Mantel sollte aus schwerem Samt oder Wollstoff sein, die Stiefel aus Leder. Das erzeugt beim Gehen ein sattes, beruhigendes Geräusch. Handschuhe sind absolute Pflicht, um deine normalen Hände zu verbergen.
Ganz wichtiger Sicherheitstipp: Denk an die Brandgefahr! Billige Synthetikstoffe können in der Nähe von echten Kerzen am Adventskranz oder am Kamin blitzschnell Feuer fangen. Ich imprägniere mein Gewand regelmäßig. Such einfach mal im Baumarkt oder online nach „Brandschutzspray für Textilien nach DIN 4102 B1“. Das ist eine kleine Investition, die im Ernstfall Leben rettet.
Dein Handwerkszeug: Das Nikolaus-Starter-Kit
- Das Goldene Buch: Das Herzstück! Kein billiges Notizbuch, bitte. Ich nutze ein altes, in Leder gebundenes Buch. Darin stehen die Infos der Eltern.
- Der Jutesack: Er sollte wirklich aus Jute sein und darf ruhig ein wenig nach Äpfeln und Nüssen riechen. Ein bisschen Stroh unten drin gibt ihm eine schöne Form.
- Der Stab: Ein Bischofsstab für den Nikolaus, ein einfacher Hirtenstab für den Weihnachtsmann. Damit klopfst du eindrucksvoll an die Tür – viel besser als jede Klingel.
- Die Glocke: Eine kleine, helle Glocke kündigt deine Ankunft an. Der Klang sollte klar und nicht zu schrill sein.

Das Vorgespräch mit den Eltern: Deine wichtigste Informationsquelle
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Ein Profi führt immer ein ausführliches Gespräch mit den Eltern, am besten ein paar Tage vorher. Und hier kommt mein absoluter Geheimtipp, die Fragen, die wirklich was bringen:
Meine 5 Killer-Fragen an die Eltern: 1. Was hat das Kind in diesem Jahr richtig gut gemacht oder gelernt? (z. B. Fahrradfahren, dem kleinen Bruder geholfen, sich getraut, vom Dreier zu springen) 2. Was sind die Leidenschaften oder Hobbys des Kindes? 3. Gab es ein besonderes positives Ereignis, das man lobend erwähnen kann? 4. Gibt es eine Kleinigkeit, die man sanft ansprechen kann? (Wichtig: Frage nach einer positiven Formulierung! Statt „räumt sein Zimmer nicht auf“ lieber „Ich habe gehört, du möchtest versuchen, deinen Spielsachen öfter ihren festen Platz zu geben. Das würde Mama und Papa riesig freuen.“) 5. Gibt es Ängste oder sensible Themen, die ich auf keinen Fall ansprechen darf?

Ich habe einmal den Fehler gemacht, die Kritik der Eltern zu direkt zu wiederholen. Ein kleiner Junge war danach wochenlang gekränkt. Das war eine harte, aber wichtige Lektion: Meine Aufgabe ist es, Freude zu bringen, keine Angst zu machen.
Die Durchführung: Den Zauber wirken lassen
Wenn die Vorbereitung stimmt, kannst du den Auftritt genießen. Plane für den Besuch selbst übrigens etwa 15 bis 20 Minuten ein. Das ist der perfekte Zeitrahmen, um Magie zu entfalten, ohne dass die Aufmerksamkeitsspanne der Kleinen überstrapaziert wird.
Der erste Eindruck: Klingle niemals! Lass die Eltern ein Fenster öffnen und läute deine Glocke aus der Ferne. Dann klopfst du langsam und kräftig mit dem Stab an die Tür. Drei Schläge. Pause. Das erzeugt eine unglaubliche Spannung. Wenn die Tür aufgeht, bleib einen Moment auf der Schwelle stehen, schau in die Runde und lass die Stille wirken. Beweg dich langsam, bedächtig. Hektik ist der Tod jeder Atmosphäre.

Die Stimme ist alles: Sprich tief, langsam und deutlich. Kleiner Tipp: Übe das vorher mal vor dem Spiegel! Stell dich hin und sag mit sonorer Stimme: „Von drauß vom Walde komm ich her…“. Du wirst den Unterschied sofort spüren. Meine erste Frage ist nie „Na, wart ihr auch artig?“. Ich sage lieber etwas wie: „Guten Abend. Ein langer Weg liegt hinter mir, aber man hat mir erzählt, hier wohnen ganz besondere Kinder.“
Setz dich auf einen vorbereiteten Stuhl, niemals ins private Familiansofa. Dann nimmst du dein Goldenes Buch, schlägst es auf, fährst mit dem Finger über die Zeilen und beginnst IMMER mit dem Lob. Die Details aus dem Vorgespräch sind hier pures Gold.
Die Geschenke überreichst du mit persönlichen Worten, die sich auf das Lob beziehen: „Weil du deiner kleinen Schwester immer so geduldig vorliest, habe ich dir dieses Buch mitgebracht.“ Das gibt dem Geschenk einen viel tieferen Sinn.
Der Abschied ist genauso wichtig. Steh langsam auf, gib allen noch ein paar gute Wünsche mit auf den Weg und verschwinde dann langsam wieder in der Dunkelheit.
Umgang mit Pannen: Wenn der Bart verrutscht
In über 30 Jahren erlebt man alles. Hier meine Tipps für die häufigsten Notfälle:
Das weinende Kind: Passiert, besonders bei den ganz Kleinen. Regel Nummer eins: Ruhe bewahren. Zieh dich etwas zurück, sprich leiser und überlass den Eltern die Führung. Manchmal hilft es, die Figur etwas zu „vermenschlichen“, z.B. mit einem Satz wie: „Puh, vom weiten Weg habe ich aber kalte Füße bekommen.“ Niemals ein weinendes Kind bedrängen!
Der kleine Zweifler und die Frage „Bist du echt?“: Eine plumpe Antwort überzeugt nicht. Meine Antwort als Nikolaus lautet: „Der heilige Nikolaus hat so viel zu tun. Darum hat er Helfer auf der ganzen Welt. Ich bin einer dieser Helfer und habe seine Botschaft für dich hier im Goldenen Buch.“ Wenn du als Weihnachtsmann auftrittst, kannst du sagen: „Die Werkstatt am Nordpol ist riesig und ich bin einer der erfahrensten Helfer, die der Weihnachtsmann losschickt, um nach dem Rechten zu sehen.“ Das ist ehrlich und bewahrt den Zauber.
Die Störenfriede (ältere Geschwister etc.): Bleib souverän und falle nicht aus der Rolle. Am besten, du machst sie zu Verbündeten: „Du bist ja schon groß und kennst mein Geheimnis. Hilf mir doch, dass es für deine kleinen Geschwister auch ein unvergessliches Fest wird.“ Das gibt ihnen eine wichtige Aufgabe. Ich hatte mal eine Situation, da hat der Familienhund unbemerkt eine Mettwurst aus meinem Sack geklaut, die eigentlich für den Papa gedacht war. Als die ältere Schwester das sah und kicherte, hab ich ihr zugezwinkert und geflüstert: „Das ist unser Geheimnis, ja? Der arme Kerl hatte wohl auch Hunger.“ Sie hat dichtgehalten und war unglaublich stolz.
Dein Ehrenkodex: Verantwortung und Respekt
Du trägst eine riesige Verantwortung. Es geht um das Vertrauen von Eltern und um die Seele eines Kindes. Daran halte ich mich eisern:
1. Niemals allein mit einem Kind. Ein Elternteil ist immer dabei. Das schützt alle. 2. Keine Angst erzeugen. Der Nikolaus bringt Freude und Besinnlichkeit, keine Traumata. 3. Kein Alkohol. Vor oder während eines Auftritts ist Alkohol absolut tabu. Punkt. 4. Die Rolle endet an der Haustür. Diskutiere den Auftritt nicht im Treppenhaus, wo Kinder es hören könnten.
Und mein Rat an alle Väter, Onkel oder Nachbarn, die es selbst versuchen: Respekt! Aber seid euch der Verantwortung bewusst. Ein schlecht gespielter Nikolaus, der nach Rauch riecht und die Namen vergisst, ist schlimmer als gar keiner. Investiert in einen guten Bart, übt die tiefe Stimme und nehmt euch die Zeit für das Vorgespräch. Es lohnt sich!
Der wahre Wert: Eine Erinnerung, die bleibt
Der Glaube an den Nikolaus vergeht irgendwann. Das ist ganz normal. Aber was bleibt, ist die Erinnerung an eine Zeit voller Wunder, an Geborgenheit und an eine Familie, die sich gemeinsam Mühe gegeben hat, eine Tradition zu leben.
Es geht nicht darum, Kinder anzulügen. Es geht darum, ihnen für eine kurze Zeit eine Welt zu zeigen, in der Güte belohnt wird und das Unsichtbare eine Kraft hat. Das ist ein starker Anker, auch für später.
Wenn ich Jahre später einen jungen Erwachsenen treffe, der sagt: „Wissen Sie, ich habe damals immer gehofft, dass Sie der Echte sind“, dann weiß ich, dass meine Arbeit einen Sinn hatte. Der rote Mantel kommt jedes Jahr wieder in den Schrank. Die Erinnerung daran aber bleibt im Herzen.