Polens höchstes Dorf: Wahnsinns-Aussicht, kaum Touristen

Wer an die polnische Tatra denkt, dem fällt sofort Zakopane ein. Wunderschön, ja, aber oft auch hoffnungslos überlaufen. Ich war schon unzählige Male dort und kenne den Trubel auf der Krupówki-Straße nur zu gut. Doch nur eine kurze, kurvenreiche Fahrt entfernt, am Nordhang des Gubałówka-Berges, liegt ein Ort, der sich wie eine andere Welt anfühlt: Ząb, das höchstgelegene Dorf Polens.
Als ich das erste Mal nach Ząb kam, war ich auf der Flucht vor den Menschenmassen in Zakopane. Statt lauter Souvenirstände fand ich hier eine friedliche Stille, unterbrochen nur vom Läuten der Kuhglocken. Ząb ist kein Ort mit Dutzenden von Attraktionen. Sein Reiz liegt in seiner Einfachheit, seiner atemberaubenden Lage und einer Authentizität, die in den touristischen Zentren oft verloren geht.
Das Panorama, das alles in den Schatten stellt
Ząb liegt auf beeindruckenden 1013 Metern über dem Meeresspiegel. Das ist nicht nur eine Zahl, das spürt man bei jedem Atemzug und vor allem bei jedem Blick aus dem Fenster. Von hier oben hat man wohl eines der schönsten Panoramen auf die Hohe Tatra. Anders als von Zakopane aus blickt man hier über ein sanftes Tal hinweg direkt auf die majestätischen Gipfel. An klaren Tagen zeichnen sich die Konturen des Giewont, des Kasprowy Wierch und der gesamten Bergkette so scharf ab, dass man meint, sie mit den Händen greifen zu können.
Mein persönlicher Tipp: Stehen Sie früh auf. Ich habe mir einmal einen Wecker für 5 Uhr morgens gestellt, mir eine Thermoskanne mit Kaffee geschnappt und den Sonnenaufgang von einem der Feldwege oberhalb des Dorfes beobachtet. Das erste Licht, das die Felsspitzen in rosa und orange taucht, ist ein unbezahlbares Erlebnis. Diese magischen Momente der Stille sind der wahre Luxus, den Ząb bietet.
Ein Dorf mit Charakter und einem berühmten Sohn

Ząb ist nicht nur für seine Höhe bekannt. Es ist auch die Heimat von Kamil Stoch, einem der erfolgreichsten Skispringer aller Zeiten und einem polnischen Nationalhelden. Man spürt den Stolz der Einheimischen, und sein modernes, architektonisch auffälliges Haus ist kaum zu übersehen. Es ist ein Symbol dafür, dass man auch aus einem kleinen Bergdorf die Welt erobern kann.
Ein weiterer spiritueller Pfad führt durch den Ort: der Papstweg (Szlak Papieski). Er erinnert an den Besuch von Johannes Paul II. im Jahr 1997. Heute ist es ein wunderbarer Spazierweg. Man muss nicht religiös sein, um die meditative Ruhe und die fantastischen Ausblicke entlang des Weges zu genießen. Ein leichter Spaziergang vom Dorfzentrum in Richtung Gubałówka dauert etwa 30-40 Minuten und belohnt mit immer neuen Perspektiven auf die Tatra.
Was es in Ząb zu entdecken gibt

Im Herzen des Dorfes steht die charmante Holzkirche St. Anna aus dem frühen 20. Jahrhundert. Sie ist ein perfektes Beispiel für die traditionelle Holzarchitektur der Goralen, der hier ansässigen Volksgruppe. Treten Sie ein, wenn sie geöffnet ist – der Duft von altem Holz und Weihrauch ist unbeschreiblich. Der Bau wurde 1921 fertiggestellt und sie ist, passend zum Dorf, die höchstgelegene Kirche Polens.
Wichtiger Hinweis: Außerhalb der Gottesdienstzeiten ist die Kirche oft verschlossen. Ein wenig Geduld oder ein freundliches Nachfragen im Pfarrhaus nebenan kann aber manchmal Türen öffnen. Eine kleine Spende für den Erhalt wird immer geschätzt.
Praktische Tipps für Ihre Reise nach Ząb
Ząb ist die perfekte Basis für alle, die Ruhe suchen, aber dennoch die Attraktionen der Region erkunden wollen. Man ist in 15-20 Minuten mit dem Auto oder Bus in Zakopane, aber abends kehrt man in seine Oase der Stille zurück.
Anreise aus Deutschland:
Der nächstgelegene Flughafen ist Krakau (KRK), der von vielen deutschen Städten aus direkt angeflogen wird. Von dort sind es mit dem Mietwagen etwa 2 bis 2,5 Stunden. Ein Auto gibt einem die größte Flexibilität, um die umliegenden Täler und Wanderparkplätze zu erreichen. Alternativ fahren Busse von Krakau nach Zakopane, von wo aus man leicht nach Ząb kommt.
Von Zakopane nach Ząb:
Lassen Sie das Auto in Zakopane stehen! Parken ist ein Albtraum. Vom Busbahnhof in Zakopane fahren regelmäßig private Minibusse (achten Sie auf Schilder mit „ZĄB“). Die Fahrt kostet nur ein paar Euro (ca. 10-15 Złoty, also 2-3 €) und ist die stressfreiste Variante.
Unterkunft und Verpflegung:
Hier zeigt Ząb seinen wahren Charme. Statt großer Hotels finden Sie hier „pokoje gościnne“ (Gästezimmer) in den Häusern der Einheimischen. Ich habe in einer solchen Unterkunft für ca. 35 € pro Nacht gewohnt, inklusive einem fantastischen Frühstück mit selbstgemachtem Käse und frischer Milch. Suchen Sie nach „agroturystyka“ für ein authentisches Erlebnis. Für authentische polnische Küche empfehle ich die „Karczma Ząb“. Probieren Sie unbedingt Placek po zbójnicku (ein riesiger Kartoffelpuffer mit Gulasch) – nach einer Wanderung gibt es nichts Besseres. Eine Hauptmahlzeit kostet hier zwischen 10 und 15 €.
Die beste Reisezeit
Der Originalartikel empfiehlt Herbst und Winter, und dem kann ich nur zustimmen. Der Herbst, wenn sich die Laubbäume an den Hängen verfärben und die Luft kristallklar ist, ist meine Lieblingszeit. Die Wanderwege sind leerer und das Licht ist perfekt für Fotos. Der Winter verwandelt Ząb in ein Märchenland. Kleine, familienfreundliche Skilifte wie Potoczki oder Suche sind nur wenige Autominuten entfernt. Ein Tagespass kostet hier oft nur ein Bruchteil dessen, was man in den großen Alpen-Skigebieten zahlt (ca. 25-35 €), und ist ideal für Anfänger und Familien.
Zusammenfassend kann ich sagen: Wenn Sie die Schönheit der Tatra erleben wollen, ohne sich durch Menschenmassen kämpfen zu müssen, dann ist Ząb Ihr Geheimtipp. Es ist der perfekte Ort, um abzuschalten, die Natur zu genießen und eine der spektakulärsten Aussichten Polens direkt vor der Haustür zu haben. Für mich ist es die klügere, ruhigere und authentischere Alternative zum berühmten Nachbarn im Tal.