Brandenburgs Dorf: Europas letzte Dreifach-Mühle & Schinkel-Kirche

Ich dachte, ich kenne den Spreewald. Ich war unzählige Male in Lübbenau, bin durch die Fließe von Burg gepaddelt und habe mehr Spreewälder Gurken gegessen, als ich zugeben möchte. Doch dann bin ich fast zufällig in Straupitz gelandet – und habe verstanden, was ich die ganze Zeit verpasst habe. Dieses verschlafene Dorf mit gerade einmal 916 Einwohnern entpuppt sich als wahres Schatzkästchen für Kulturliebhaber und Genießer. Es ist der perfekte Gegenentwurf zu den manchmal überlaufenen Hotspots und zeigt das Herz der Region.
Mit dem Auto fährt man von Berlin aus nur etwas über eine Stunde, und doch fühlt es sich an wie eine andere Welt. Straupitz beherbergt nicht nur eine, sondern gleich zwei Attraktionen von nationaler Bedeutung, die hier in einer unglaublichen Lässigkeit nebeneinander existieren.
Die majestätische Schinkelkirche – Ein Gigant im Dorf
Schon bei der Anfahrt ist es das Erste, was man sieht: die gewaltigen, 40 Meter hohen Türme der Dorfkirche. Man rechnet einfach nicht damit. Inmitten von flachem Land und kleinen Spreewaldhäusern steht dieses neoklassizistische Juwel, entworfen vom preußischen Stararchitekten Karl Friedrich Schinkel. Ich stand davor und dachte nur: Die ist ja riesig! Sie wirkt fast überdimensioniert für dieses kleine Dorf, was ihre Geschichte umso spannender macht.
Beim Betreten umfängt einen dann aber nicht protziger Pomp, sondern eine für Schinkel typische, protestantische Schlichtheit und Eleganz. Das Licht flutet durch die hohen Fenster und schafft eine friedliche, fast meditative Atmosphäre. Mein Tipp: Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und setzen Sie sich einfach in eine der Bänke. Die Akustik ist fantastisch, und die perfekt erhaltene Innenausstattung aus den 1830er Jahren versetzt einen direkt in eine andere Zeit. Der Eintritt ist frei, aber eine kleine Spende für den Erhalt wird natürlich gern gesehen.
Europas letzte Dreifach-Mühle – Ein technisches Wunderwerk

Nur wenige Schritte von der Kirche entfernt wartet das zweite Highlight, und für mich persönlich das faszinierendste: die Holländerwindmühle Straupitz. Von außen ist sie schon beeindruckend, aber das wahre Wunder offenbart sich im Inneren. Sie ist die letzte Mühle in ganz Europa, die drei Funktionen unter einem Dach vereint und auch noch in Betrieb ist: Mahlmühle, Ölmühle und Sägemühle.
Der Geruch ist das Erste, was einen gefangen nimmt – eine Mischung aus frischem Holz, nussigem Öl und Getreidestaub. Bei der Führung (kostet für Erwachsene ca. 6 €, Stand 2023, und ist jeden Cent wert) knarrt und ächzt die gesamte Holzkonstruktion, wenn der Wind die Flügel antreibt. Man spürt die Kraft der Natur. Zu sehen, wie die riesigen Zahnräder ineinandergreifen, um wahlweise Getreide zu mahlen, Baumstämme zu zersägen oder Leinsamen zu Öl zu pressen, ist ein unvergessliches Erlebnis. Ich wünschte, ich hätte gewusst: Planen Sie mindestens 90 Minuten ein. Ein kurzer Blick wird diesem lebendigen Museum nicht gerecht.
Das flüssige Gold des Spreewalds direkt von der Presse

In der historischen Ölmühle entsteht vor Ihren Augen das berühmte „Spreewaldgold“. Ich war, ehrlich gesagt, immer skeptisch gegenüber Leinöl – oft hat es einen bitteren Beigeschmack. Doch was hier frisch aus der Presse kommt, ist eine Offenbarung. Der Mühlenladen bietet kleine Becher zur Verkostung an. Der Geschmack ist unglaublich nussig, mild und intensiv. Es hat absolut nichts mit dem Öl aus dem Supermarkt zu tun.
Ein Klassiker der Region ist Quark mit Pellkartoffeln und frischem Leinöl. Probieren Sie das unbedingt in einem der lokalen Gasthöfe! Eine kleine Flasche (ca. 250 ml für 6-8 €) ist das perfekte, authentische Mitbringsel. Wichtiger Hinweis: Frisches Leinöl muss im Kühlschrank gelagert werden und ist nicht lange haltbar – ein Zeichen seiner reinen Qualität.
Ein authentisches Stück Spreewald erleben
Straupitz ist nicht nur Technik und Architektur. Es ist auch ein Ort, an dem man dem echten Spreewald nahekommt. Die zweisprachigen Straßenschilder (Deutsch und Niedersorbisch) erinnern an die reiche sorbische Kultur der Region. Umgeben vom UNESCO-Biosphärenreservat, ist es der ideale Ausgangspunkt für Erkundungen.
Während in Lübbenau und Burg die Kähne oft im Minutentakt ablegen, geht es hier beschaulicher zu. Vom kleinen Hafen in Straupitz starten ebenfalls Kahnfahrten. Diese sind oft persönlicher und führen durch ruhigere, weniger befahrene Fließe. Eine zweistündige Fahrt kostet etwa 18-20 € pro Person. Alternativ können Sie sich ein Kajak mieten und auf eigene Faust lospaddeln – für mich die beste Art, die Stille des Spreewalds zu genießen.
Meine praktischen Tipps für Ihren Besuch
Ein Ausflug nach Straupitz ist unkompliziert, aber ein paar Dinge sollte man wissen, um den Tag perfekt zu machen.
Beste Reisezeit: Der Spätsommer und frühe Herbst sind ideal, wenn die Erntezeit beginnt und die Mühle auf Hochtouren läuft. Aber auch das Frühjahr hat seinen Reiz, wenn die Natur erwacht und noch weniger Touristen unterwegs sind. Im Winter sind viele Angebote eingeschränkt, prüfen Sie also vorher die Öffnungszeiten.
Parken: Ein großer Vorteil gegenüber anderen Spreewaldorten – direkt zwischen Kirche und Mühle gibt es einen großen, kostenlosen Parkplatz. Das macht die Anreise super entspannt.
Essen & Trinken: Für eine authentische Mahlzeit empfehle ich den „Gasthof zum Byttna“. Hier gibt es deftige Spreewälder Küche ohne Schnickschnack zu fairen Preisen. Das ist der Ort, an dem auch die Einheimischen essen gehen.
Fazit: Straupitz mag klein sein, aber es hat eine gewaltige Ausstrahlung. Es ist ein Ort, der entschleunigt und fasziniert zugleich. Wenn Sie den Spreewald von seiner ehrlichen, ursprünglichen und beeindruckenden Seite kennenlernen wollen, dann machen Sie nicht den gleichen Fehler wie ich und fahren jahrelang daran vorbei. Halten Sie an. Es lohnt sich.