Forscher entdecken 332 verborgene Canyons unter der Antarktis

von Kates Hygge
forscher entdecken 332 verborgene canyons unter der antarktis

Unter der scheinbar endlosen, stillen Eisdecke der Antarktis verbirgt sich eine Welt von dramatischer Topografie und geologischer Aktivität. Ein internationales Forscherteam unter spanischer Leitung hat nun den Vorhang zu dieser verborgenen Landschaft ein Stück weiter gelüftet und eine Entdeckung von fundamentaler Bedeutung für unser Klimaverständnis gemacht: 332 bisher unbekannte Unterwasser-Canyons, die sich tief in den Kontinentalsockel des gefrorenen Kontinents schneiden.

Die in einer neuen, umfassenden Kartierung veröffentlichte Entdeckung verfünffacht die Anzahl der bekannten Strukturen dieser Art und offenbart ein gewaltiges Netzwerk von Schluchten, das die Geschichte des antarktischen Eises und die Zukunft des globalen Meeresspiegels entscheidend mitbestimmt. Diese Arbeit, die von Wissenschaftlern der Universität Barcelona und des University College Cork koordiniert wurde, ist weit mehr als nur eine geologische Bestandsaufnahme; sie ist ein entscheidender Baustein, um die Mechanismen des Klimawandels präziser zu verstehen.

Was diese Canyons so bedeutsam macht, ist ihre Doppelrolle als Archiv und als Akteur. Einerseits erzählen ihre Form und ihre Verzweigungen die Geschichte von Millionen von Jahren Gletscherbewegung und Klimaschwankungen. Andererseits sind sie heute aktive Kanäle – quasi die verborgenen Arterien des Kontinents –, die den Austausch zwischen dem kalten Eisschild und dem sich erwärmenden Ozean steuern.

Ein Atlas aus globaler Zusammenarbeit

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Die Erstellung dieser bisher detailliertesten Karte der antarktischen Unterwasserwelt war eine wissenschaftliche Herkulesaufgabe. Die Forscher trugen bathymetrische Daten von mehr als 40 internationalen Expeditionen zusammen, die über Jahrzehnte gesammelt wurden. Darunter sind auch Daten von deutschen Forschungsschiffen wie der „Polarstern“ des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), das eine führende Rolle in der Polar- und Meeresforschung spielt. Diese globale Zusammenarbeit, die im Geiste des Antarktisvertrags steht, ermöglichte es erst, aus unzähligen einzelnen Messpunkten ein kohärentes Gesamtbild zu erschaffen.

Die Dimensionen der entdeckten Formationen sind gewaltig. Einige der Canyons reichen bis zu 4.000 Meter in die Tiefe und sind damit tiefer als die meisten Alpengipfel hoch sind. In ihrer schieren Größe konkurrieren sie mit den größten bekannten Unterwasserschluchten der Welt, wie dem Monterey Canyon vor der Küste Kaliforniens.

Besonders aufschlussreich ist der fundamentale Unterschied zwischen der Ost- und Westantarktis, den die neue Karte bestätigt und schärft. Im Osten, wo der Eisschild dicker und stabiler ist, finden sich ältere, weit verzweigte Canyon-Systeme – Zeugen einer langsamen, über Äonen andauernden geologischen Entwicklung. Im Westen hingegen sind die Canyons geradliniger, steiler und jünger. Sie sind das Ergebnis einer dynamischeren und jüngeren Gletscheraktivität und ein klares Indiz für die Instabilität der Region. Dies untermauert eine der größten Sorgen der Klimaforschung: Der Westantarktische Eisschild, dessen Basis zu großen Teilen unter dem Meeresspiegel liegt, ist der verletzlichste Teil des Kontinents.

Warum die verborgenen Schluchten uns alle betreffen

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Diese Canyons sind keine passive Landschaft. Sie sind die Haupttransportwege für Wasser, Sedimente und Nährstoffe zwischen dem Kontinent und dem tiefen Ozean. Sie fungieren als Leitungen, die wärmeres, salzhaltigeres Ozeanwasser direkt an die empfindliche Basis der Eisschilde führen können. Dieses relativ warme Wasser – oft nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt – wirkt wie ein Schweißbrenner, der das Eis von unten schmilzt und die Stabilität ganzer Gletscher und Schelfeise untergräbt.

Dieses Phänomen ist entscheidend für das Verständnis des zukünftigen Meeresspiegelanstiegs. Die Schmelze von unten schwächt die sogenannten „Grounding Lines“, die Zonen, in denen das Eis auf dem Meeresboden aufliegt und stabilisiert wird. Verliert das Eis diesen Halt, beschleunigt sich sein Fluss ins Meer dramatisch – ein Prozess mit direkten Folgen für Küstenregionen weltweit, auch für die deutsche Nordseeküste von Hamburg bis Sylt.

Darüber hinaus spielt der Prozess eine Rolle im globalen Klimasystem. Die Antarktis ist einer der Motoren der thermohalinen Zirkulation, des „globalen Förderbandes“ der Ozeanströmungen, das Wärme rund um den Globus verteilt und das Klima in Europa maßgeblich beeinflusst. Ein verstärkter Eintrag von kaltem, süßem Schmelzwasser kann dieses empfindliche System stören, mit noch nicht vollständig absehbaren Folgen für globale Wetter- und Klimamuster.

Die Integration dieses neuen, hochauflösenden Datensatzes in die globalen Klimamodelle wird die Prognosen verfeinern. Die Entdeckung der 332 Canyons ist somit kein Schlusspunkt, sondern der Beginn einer neuen Phase der Forschung. Die entscheidende Frage lautet nun: Wie viel warmes Wasser fließt bereits heute durch diese verborgenen Kanäle, und wie schnell beschleunigt sich dieser Prozess? Die Antwort darauf wird mitbestimmen, wie die Welt in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten aussehen wird.

Kates Hygge

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