Besser als Le Touquet? 7km Strand & Top-Kunst am Meer

von Amandine Hach
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Ich gebe es zu: Jahrelang bin ich an der französischen Nordseeküste einfach vorbeigefahren, meistens auf dem Weg in die Normandie oder Bretagne. Orte wie Le Touquet kannte ich vom Hörensagen – schick, teuer, im Sommer überlaufen. Doch dann habe ich einen Tipp bekommen, der alles verändert hat: Malo-les-Bains, der Strand von Dünkirchen. Anfangs war ich skeptisch. Dünkirchen? Das klang für mich nach Industriehafen und Kriegsgeschichte. Was ich fand, war ein verstecktes Juwel, das eine einzigartige Mischung aus Belle-Époque-Charme, rauer Authentizität und überraschend moderner Kunst bietet.

Die Königin der Nordstrände: 7 Kilometer Weite und Geschichte

Wenn man das erste Mal auf die Promenade von Malo-les-Bains tritt, verschlägt es einem fast den Atem. Der Name „La Reine des Plages du Nord“ ist keine Übertreibung. Der Strand ist bei Ebbe so absurd breit, dass man das Gefühl hat, durch eine Wüste aus feinstem Sand zu laufen. Hier reihen sich die majestätischen Villen im Stil der Belle Époque aneinander, die von einer goldenen Ära zeugen. Ich liebe es, einfach nur dazusitzen und die Fassaden zu bewundern – jede mit ihren eigenen Erkerfenstern, den bunten Keramikelementen und dem verspielten Backstein. Es fühlt sich viel echter und weniger durchgestylt an als in anderen Seebädern.

Was mich als Aktivurlauber sofort begeistert hat, ist das Strandsegeln. Bei Ebbe ist die Fläche perfekt dafür. Eine Schnupperstunde kostet um die 40-50 Euro und ist ein unglaubliches Erlebnis, wenn man mit hoher Geschwindigkeit über den Sand zischt. Ein Tipp: Ein Spaziergang am Wasser entlang Richtung Osten führt einen nach Leffrinckoucke. Dort tauchen plötzlich die alten Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg aus den Dünen auf – ein stiller, aber sehr eindrücklicher Kontrast zur friedlichen Urlaubsstimmung.

Preisgekrönte Moderne trifft auf historisches Erbe

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Mitten in dieser historischen Kulisse steht ein Gebäude, das man hier niemals erwarten würde: das FRAC Grand Large, ein Kunstzentrum von internationalem Rang. Es ist in einer alten Schiffswerfthalle untergebracht und wurde von den Pritzker-Preis-gekrönten Architekten Lacaton & Vassal um einen modernen Glasbau ergänzt. Ich war anfangs unsicher, ob sich der Besuch lohnt, aber es war ein Highlight. Der Eintritt kostet nur 7 Euro, und allein die Aussicht von der obersten Etage über den Hafen, die Werft und den Strand ist das Geld wert. Die Sammlung zeitgenössischer Kunst ist anspruchsvoll, aber die Architektur und die Atmosphäre sind für jeden faszinierend. Es ist genau dieser Kontrast, der Malo-les-Bains so spannend macht.

Strandhütten, Muscheln und das echte Leben

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Das Herz von Malo-les-Bains schlägt entlang der Promenade. Hier stehen die bunten Strandhütten, die im Sommer zum zweiten Wohnzimmer der Einheimischen werden. Ich habe es oft beobachtet: Gegen Abend werden Klapptische und Stühle aufgebaut, Freunde kommen zusammen und die Tradition des „Apéritif am Strand“ wird zelebriert. Das ist keine Inszenierung für Touristen, sondern gelebte lokale Kultur. Man fühlt sich sofort eingeladen, sich mit einem Getränk dazuzusetzen.

Auch kulinarisch ist die Promenade ein Erlebnis. Natürlich gibt es unzählige Restaurants. Mein persönlicher Tipp für ein unkompliziertes, aber fantastisches Essen ist die Brasserie „L’Edito“. Hier sitzt man direkt mit Blick aufs Meer und bekommt riesige Töpfe mit Moules-Frites (Muscheln mit Pommes) für faire 16-18 Euro. Wer es noch authentischer mag, sollte in einer der Friterien ein „Welsh“ probieren – ein mit Cheddar-Käse überbackenes Toastbrot mit Schinken und Ei. Eine Kalorienbombe, aber ein absolutes Muss in dieser Region!

Ein Ort mit spürbarer Geschichte

Man kann nicht in Malo-les-Bains sein, ohne die Geschichte zu spüren. Genau an diesem Strand fand 1940 die Operation Dynamo statt, die wundersame Rettung von über 300.000 alliierten Soldaten. Wenn man heute hier steht, bei Ebbe auf der riesigen Sandfläche, kann man sich die dramatischen Szenen kaum vorstellen. Um das Ganze besser zu verstehen, empfehle ich dringend einen Besuch im „Musée Dunkerque 1940“. Es befindet sich in den authentischen Bastionen des Hafens und kostet rund 8 Euro Eintritt. Die Ausstellung ist unglaublich gut gemacht und rückt die persönliche Geschichte der Soldaten in den Vordergrund. Ich stand danach noch lange am Strand und hatte ein ganz anderes Gefühl für diesen Ort.

Mein Fazit und praktische Tipps für Kenner

Im direkten Vergleich zu Le Touquet oder den belgischen Küstenorten ist Malo-les-Bains bodenständiger, rauer und vielleicht ein bisschen ungeschliffener – aber genau das ist sein Charme. Es ist ein Ort mit Seele.

Anreise: Von Köln oder aus dem Ruhrgebiet ist man mit dem Auto in etwa 3,5 Stunden da. Es ist das perfekte Ziel für ein verlängertes Wochenende.

Unterkunft: Ich empfehle, eine Ferienwohnung in einer der alten Belle-Époque-Villen zu mieten. Man findet online viele Angebote, oft schon ab 90 Euro pro Nacht. Das ist viel authentischer als ein Hotelzimmer.

Beste Reisezeit: Besonders schön ist es in der Nebensaison im Mai, Juni oder September. Dann hat man den riesigen Strand fast für sich allein. Ein wichtiger Tipp, den ich auf die harte Tour gelernt habe: Eine gute Windjacke gehört hier das ganze Jahr über ins Gepäck! Der Wind vom Meer kann auch im Sommer kühl sein.

Für Reisende, die mehr als nur einen perfekten Postkartenstrand suchen, ist Malo-les-Bains ein echter Geheimtipp. Hier findet man eine seltene Kombination aus Kultur, Geschichte, grandioser Natur und authentischem französischen Lebensgefühl – ganz ohne die Touristenmassen und überhöhten Preise anderer bekannter Küstenorte.

Amandine Hach

Als Französin in Berlin verbindet Amandine Hach das Beste aus zwei Welten und teilt ihre Entdeckungen auf ihrem Blog „Les Berlinettes“. Mit einem besonderen Fokus auf das Reisen mit Kindern inspiriert sie Familien dazu, die Welt gemeinsam zu erkunden – sei es die eigene Nachbarschaft in der Hauptstadt oder ferne Ziele. Amandine zeigt auf authentische und stilvolle Weise, wie man Abenteuerlust und Familienalltag wunderbar miteinander vereinen kann, und gibt wertvolle Tipps für unvergessliche Erlebnisse mit den Kleinsten.