Jojo Rabbit entschlüsselt: Ein Blick in die Werkzeugkiste eines mutigen Films

Wenn ein kleiner Junge einen imaginären Hitler als besten Freund hat, kann das nur zu skurrilen Situationen führen. Entdecke die Welt von „Jojo Rabbit“!

von Michael von Adelhard

Ich beschäftige mich seit Ewigkeiten mit Filmen. Nicht nur zum reinen Vergnügen, sondern weil ich das Handwerk dahinter faszinierend finde. In meiner Werkstatt zeige ich den jungen Leuten, wie man aus einem rohen Stück Holz etwas Bedeutungsvolles formt. Und ehrlich gesagt, im Schneideraum ist es ganz ähnlich: Man fügt Bilder, Töne und Rhythmus zu einer Geschichte zusammen. Der Film „Jojo Rabbit“ ist dabei ein ganz besonderes Stück. Er packt ein Thema an, um das hierzulande viele einen riesigen Bogen machen, und nutzt dafür das schärfste Werkzeug von allen: die Satire.

Viel wurde über die Botschaft des Films geredet. Aber heute will ich mal mit dir in den Maschinenraum schauen. Wir zerlegen den Film in seine Einzelteile und gucken uns an, wie die Profis hier gearbeitet haben.

Das Fundament: Warum die Buchvorlage komplett umgebaut werden musste

Jedes gute Projekt braucht ein solides Fundament. Beim Film ist das das Drehbuch. Und das Drehbuch für diesen Film basiert auf einem Roman namens „Caging Skies“. Kleiner Tipp: Ich habe das Buch extra gelesen, nachdem ich den Film gesehen habe, und das hat mir erst so richtig die Augen geöffnet für die meisterhafte Arbeit, die hier geleistet wurde.

die anti hass satire von dem regisseur taika waititi, ein roter poster zu dem film jojo rabbit mit einem kleinen weißen hase

Das Buch ist nämlich düster. Und zwar richtig düster, fast schon erdrückend. Von Humor keine Spur. Man steckt tief im Kopf eines fanatischen Jungen, dessen Besessenheit einen kaum atmen lässt. Die Filmemacher standen also vor einer riesigen Herausforderung: Wie zum Teufel macht man daraus eine Satire, ohne alles zu verraten?

Ihre Lösung war ein genialer handwerklicher Kniff: Sie erfanden eine Figur, die es im Buch gar nicht gibt – den imaginären Diktator als besten Freund des kleinen Jojo. Das ist der Schlüssel zum ganzen Film! Plötzlich hören wir nicht nur, was der Junge denkt, wir sehen seinen inneren Konflikt leibhaftig vor uns. Dieser „Freund“ ist albern, unsicher und kindisch – genau so, wie ein Zehnjähriger sich seinen großen Helden eben vorstellt. Ohne diese Figur wäre der Film ein bleischweres Drama geblieben und die Satire hätte niemals funktioniert.

Die Statik der Satire: Warum man hier lachen darf (und sogar soll)

Satire ist wie ein Präzisionswerkzeug. Ein Millimeter daneben, und du richtest mehr Schaden an, als du reparierst. Gerade bei diesem Thema fragen wir uns in Deutschland ja oft: Darf man über diese Zeit lachen? Die Antwort ist nicht einfach, denn es kommt auf das „Wie“ an.

ein kleines mädchen mit braunem haar und ein junge mit hut, eine szene aus dem film jojo rabbit von dem regisseur taika waititi

Der Film macht sich nicht über die Schrecken lustig, um sie zu verharmlosen. Nein, er macht die Ideologie dahinter lächerlich, um sie zu entzaubern. Das ist der entscheidende Punkt. Er nimmt dem Bösen seine dämonische Aura und zeigt es als das, was es im Kern oft ist: absurd, irrational und auf den billigsten Lügen aufgebaut. Das Lachen bleibt einem dabei oft im Halse stecken, und genau das ist das Ziel. Es ist ein aktives Lachen, das zum Nachdenken zwingt.

Übrigens ist das kein neuer Trick. Schon früher haben große Komiker verstanden, dass man dem Schrecken die Macht nehmen kann, indem man ihn der Lächerlichkeit preisgibt. Der Film setzt dieses Prinzip für ein modernes Publikum um, das die historischen Fakten bereits kennt und sie nicht noch einmal erklärt bekommen muss.

Der Werkzeugkasten eines Profis: Deine Checkliste für den nächsten Filmabend

Ein Meisterstück erkennt man am perfekten Einsatz der Werkzeuge. Hier mal eine kleine Liste, worauf du achten kannst, wenn du den Film (nochmal) schaust. Du wirst sehen, es eröffnet eine völlig neue Ebene!

eine szene aus dem film jojo rabbit mit dem schauspieler und regisseru taika waititi in der rolle von hitler, ein mann und kleiner junge im zimmer mkt fenster
  • Farben als Spiegel der Seele: Die Welt von Jojo ist überraschend bunt. Als ich die knalligen Uniformen sah, dachte ich erst, da hat der Lehrling die falsche Lasur erwischt. Aber dann wurde mir klar: Genau das ist der Trick! Die Farben spiegeln Jojos kindliche Naivität wider. Für ihn ist diese Welt anfangs aufregend. Achte mal darauf, wie die Farben sich ändern, sobald der Krieg in sein Leben einbricht. Die Szenen im Haus mit dem jüdischen Mädchen Elsa sind dagegen oft in warmes, sanftes Licht getaucht. Draußen der grelle Schein des Regimes, drinnen die gedämpfte, ehrliche Menschlichkeit.
  • Kamera und Macht: Die Kameraposition ist nie Zufall. Wenn Jojo mit Autoritätspersonen spricht, wird er oft von unten gefilmt. Das lässt das System riesig und erdrückend wirken. In den Szenen mit Elsa im Versteck ist die Kamera hingegen ruhig, oft auf Augenhöhe, ganz intim. Sie schafft eine Verbindung und zeigt, wie die beiden auf einer Ebene zueinanderfinden.
  • Rhythmus aus Schnitt & Musik: Die Eröffnungsszene ist pures Dynamit. Jojo bereitet sich auf sein erstes Lager vor, dazu dröhnt ein bekannter Popsong aus den Sechzigern, aber auf Deutsch – total unerwartet und energiegeladen. Der schnelle Schnitt reißt uns mit in seine Euphorie. Später, in den leisen Momenten zwischen Jojo und Elsa, werden die Einstellungen länger. Das gibt den Dialogen Raum und erzeugt eine unglaubliche Spannung. Ach ja, und dann dieser Gänsehautmoment am Ende mit dem ikonischen Rocksong über Helden, ebenfalls in der deutschen Version… Einfach perfekt. Es verbindet die Vergangenheit mit der Gegenwart und zeigt: Diese Themen sind zeitlos.
eine szene aus dem film jojo rabbit, ein wald mit vielen grünen bumen, ein kleines kind des hitlerjugends und adolf hitler

Der Blick von außen: Warum die Herkunft der Macher so wichtig ist

Der Umgang mit dieser Epoche ist in Deutschland verständlicherweise sehr ernst und von Schuldaufarbeitung geprägt. Die Macher dieses Films kommen aber von außerhalb und haben eine andere kulturelle Prägung, darunter auch jüdische Wurzeln. Diese Außenperspektive ist der Schlüssel.

Sie sind nicht durch die deutsche Vergangenheitsdebatte vorbelastet und können mit einer anderen Freiheit auf den Stoff blicken. Der Humor ist oft trocken, absurd und nimmt Autoritäten aufs Korn. Die Nazi-Offiziere sind keine dämonischen Monster, sondern oft inkompetente, eitle Bürokraten. Man denke nur an den desillusionierten Hauptmann, der mehr an extravaganten Uniformen als an der Ideologie interessiert ist. Für einen deutschen Filmemacher wäre eine solche Darstellung fast undenkbar.

Schon gewusst? Der Regisseur hat die Rolle des imaginären Diktators selbst übernommen. Angeblich, weil er sich unwohl dabei gefühlt hätte, einen anderen Schauspieler in diese Uniform zu stecken. Das zeigt doch, wie persönlich und durchdacht dieser Ansatz war.

Ein kluger Schachzug: Warum die Kontroverse zum Plan gehörte

Einige Kritiker warfen dem Film anfangs vor, das Regime zu verniedlichen. Eine verständliche, aber meiner Meinung nach zu kurz gedachte Reaktion. Der Film will uns aus unserer Komfortzone locken. Hätte er alles nur als das absolut Böse gezeigt, wie es unzählige Filme zuvor getan haben, hätten wir genickt und uns bestätigt gefühlt. Nichts Neues gelernt.

Doch der Film stellt die unbequeme Frage: Wie konnte es so weit kommen? Die Antwort ist nicht, dass alle Monster waren. Die Antwort ist, dass es Menschen waren – verführt und geblendet von Propaganda. Indem der Film die Täter als absurde Figuren zeigt, macht er sie nicht besser. Er macht die Gefahr ihrer Ideologie greifbarer. Denn das Böse kommt selten mit Teufelshörnern, sondern oft mit einfachen Antworten auf komplexe Fragen. Die Kontroverse ist also kein Betriebsunfall, sie ist der Beweis, dass das Handwerk funktioniert hat.

Gebrauchsanweisung: Was der Film ist – und was nicht

Als erfahrener Handwerker muss ich auch immer auf die Sicherheitshinweise achten. Und bei einem so starken Werkzeug wie diesem Film ist eine klare Einordnung wichtig.

Achtung: Dies ist keine Dokumentation! Es ist eine Fabel, eine Satire. Wer akkurate historische Fakten sucht, sollte zu Geschichtsbüchern greifen. Der Film will keine Lektion in Geschichte sein, sondern eine in Menschlichkeit.

Wichtig: Der Humor zielt IMMER auf die Täter und ihre Ideologie, niemals auf die Opfer. Die Figur der Elsa wird mit dem größten Respekt und Ernst behandelt. Sie ist der emotionale Anker des Films.

Gut zu wissen: Du musst nicht lange suchen. Den Film findest du aktuell im Abo von Streaming-Diensten wie Disney+ oder kannst ihn bei Anbietern wie Amazon Prime für ein paar Euro leihen, meist so zwischen 3 € und 5 €.

Die Altersfreigabe ist ab 12, was ich für passend halte, aber nur mit Gesprächsbegleitung. Allein sollte man Jugendliche damit nicht lassen. Falls du den Film mit deinen Kindern schaust, hier ein paar Eisbrecher-Fragen für danach:

  • „Was glaubst du, warum hat Jojo sich ausgerechnet diesen Diktator als Freund ausgedacht?“
  • „In welcher Szene hast du zum ersten Mal gemerkt, dass Jojo seine Meinung über Elsa ändert?“
  • „Welche Figur fandest du am mutigsten und warum?“

Lust auf mehr? Wenn dir dieser Film gefallen hat…

Wenn du jetzt angefixt bist von Filmen, die schwere Themen mit schwarzem Humor anpacken, hab ich noch zwei Empfehlungen für dich:

  • Schau dir mal den Film über das Chaos nach dem Tod eines sowjetischen Diktators an. Eine unglaublich witzige Satire über Macht und Inkompetenz.
  • Oder ein absoluter Klassiker, der die Absurdität des Kalten Krieges und die Gefahr der Atombombe mit unvergesslichem Humor auf die Schippe nimmt.

Beide zeigen, wie man mit Lachen große und ernste Themen aufbrechen kann.

Fazit: Ein echtes Meisterstück

Am Ende zählt das Ergebnis. Und bei „Jojo Rabbit“ kann ich nur sagen: Ja, das Werkstück ist gelungen. Der Film balanciert perfekt auf dem schmalen Grat zwischen Komödie und Tragödie, ohne abzustürzen. Er behandelt ein ernstes Thema mit einer gewissen Leichtigkeit, ohne es jemals leichtfertig zu machen.

Also, mein Vorschlag an dich: Schau dir den Film nochmal an, aber diesmal mit diesem „Handwerker-Blick“. Achte auf die Werkzeuge, die ich dir gezeigt habe. Du wirst sehen, es ist, als würdest du ein komplett neues, noch faszinierenderes Kunstwerk entdecken.

Michael von Adelhard

Michael von Adelhard ist 31 Jahre alt. Er arbeitet seit vielen Jahren als Journalist für einige der erfolgreichsten Nachrichten-Portale Deutschlands. Autor vieler Bücher und wissenschaftlicher Publikationen zum Thema «Einfluss sozialer Medien auf Jugendliche«. Schreibt über Themen wie Lifestyle, Umweltschutz, sowie Tech and Gadgets. In seiner Freizeit ist er häufig mit dem Fahrrad unterwegs – so schöpft er Inspiration für seine neuen Artikel.