Kopfkino in der Werkstatt: Wie du Selbstzweifel besiegst und endlich an dein Können glaubst

Hast du dich jemals wie ein Betrüger gefühlt, obwohl du Erfolg hast? Ellie Goulding teilt ihre bewegende Geschichte über das Hochstapler-Syndrom.

von Dagmar Brocken

Kennst du das? Du hältst dein frisch gedrucktes Zertifikat in den Händen – vielleicht der Gesellenbrief, vielleicht sogar der Meisterbrief. Schweres Papier, offizielles Siegel, der Lohn für Jahre voller Schweiß und Sägespäne. Eigentlich müsstest du platzen vor Stolz. Aber stattdessen meldet sich da diese leise, fiese Stimme im Hinterkopf und flüstert: „Das war doch nur Glück. Gleich merkt jemand, dass du eigentlich gar nicht so viel draufhast.“

Ganz ehrlich? Dieses Gefühl, ein Hochstapler zu sein, ist ein alter Bekannter in unseren Werkstätten. Es ist eine Last, die unglaublich viele von uns Handwerkern mit sich herumschleppen, über die aber kaum einer redet. Ich habe das selbst erlebt und über die Jahre in der Werkstatt gelernt, damit umzugehen. Und ich kann dir sagen: Diese Zweifel sind kein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil, sie sind oft ein Nebeneffekt von Leidenschaft und dem Willen, verdammt gute Arbeit zu leisten.

In diesem Artikel will ich dir keine psychologischen Abhandlungen um die Ohren hauen – ich bin Handwerker, kein Therapeut. Aber ich möchte dir ein paar handfeste Werkzeuge an die Hand geben, die mir und vielen Kollegen geholfen haben, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Also, schnapp dir ’nen Kaffee, lass uns das mal auseinandernehmen.

Ellie Goulding war eine schöne Braut, jetzt erzählt sie über ihre Schwierigkeiten im Leben

Was ist das eigentlich, dieses „Hochstapler-Gefühl“?

Stell dir vor, du hast gerade eine perfekte Schwalbenschwanzverbindung gezinkt. Jeder Zinken sitzt, die Verbindung hält schon fast ohne Leim. Ein Meisterstück. Anstatt dich darüber zu freuen, geht dein Kopfkino los: „Hoffentlich schaut der Kunde nicht mit der Lupe drauf. Bestimmt findet er einen winzigen Spalt, den ich übersehen habe.“ Das ist es. Es ist nicht die gesunde Bescheidenheit, die uns oft nachgesagt wird, sondern die tiefsitzende Angst, dass dein Erfolg nur auf Zufall oder der Ahnungslosigkeit anderer beruht.

Gerade im Handwerk ist dieser Nährboden fruchtbar. Warum? Weil unsere Arbeit gnadenlos sichtbar ist. Ein Tischler, der einen wackeligen Stuhl baut, kann das nicht weglächeln. Ein Elektriker, dessen Schaltung nicht funktioniert, wird sofort damit konfrontiert. Wir arbeiten nach klaren Regeln und Normen, sei es bei Elektroinstallationen nach den VDE-Vorschriften oder im Metallbau nach den einschlägigen technischen Regeln. Das gibt zwar Sicherheit, erzeugt aber auch einen enormen Druck, fehlerfrei zu sein. Jeder noch so kleine Fehler fühlt sich dann wie der endgültige Beweis für die eigene Unfähigkeit an.

als sie jünger war, litt die junge Sängerin noch mehr unter Hochstapler-Syndrom

Ich hatte mal einen jungen Kollegen, ein echtes Naturtalent. Der hatte ein Gefühl für Holz, das war unglaublich. Seine Gesellenstücke waren top. Aber jedes Mal, wenn er Lob bekam, wurde er stiller. Später gestand er mir, dass jedes Lob seine Panik vergrößerte, beim nächsten Mal zu versagen und alle zu enttäuschen. Er konnte den Erfolg einfach nicht annehmen. Der Gedanke, uns alle nur getäuscht zu haben, hat ihn fast so weit gebracht, alles hinzuschmeißen. Es hat eine Weile gedauert, ihm zu zeigen, dass sein Können echt ist. Und seine Geschichte ist, glaub mir, kein Einzelfall.

Dein innerer Kritiker gegen den Meister in dir

Um diesen Kampf im Kopf greifbarer zu machen, lass uns mal die beiden Stimmen gegenüberstellen. Das macht oft schon den ersten Unterschied.

  • Die Hochstapler-Stimme flüstert: „Das war pures Glück, dass der Schnitt gerade geworden ist.“
    Dein Meister-Verstand weiß aber: „Nein, das war meine ruhige Hand, meine Erfahrung und die saubere Führung der Maschine.“
  • Die Hochstapler-Stimme zetert: „Hoffentlich schaut niemand zu genau hin.“
    Dein Meister-Verstand stellt klar: „Meine Arbeit entspricht den Regeln der Kunst und den vereinbarten Toleranzen. Sie ist gut.“
  • Die Hochstapler-Stimme jammert: „Ich hab viel zu lange gebraucht, ich bin ineffizient.“
    Dein Meister-Verstand analysiert: „Ich habe mir Zeit für die nötige Sorgfalt genommen. Das sichert die Qualität und verhindert teure Nacharbeit.“

Siehst du den Unterschied? Es geht darum, der emotionalen Panikmache eine sachliche, professionelle Stimme entgegenzusetzen.

Ellie Goulding in einem schwarzen Kleid, so schildert ihre Kondition, die ihren Erfolg sabotiert

Die Folgen im Alltag: Mehr als nur miese Laune

Diese ständigen Selbstzweifel sind nicht nur ein Stimmungskiller. Sie haben knallharte Auswirkungen auf deine Gesundheit, deine Sicherheit und ja, auch auf dein Bankkonto.

Dein Körper zahlt den Preis: Wenn der Kopf ständig rattert, verkrampft der Körper. Chronische Nackenschmerzen, ein steifer Rücken oder Kopfweh sind oft die Folge. Ich habe Kollegen gesehen, deren Hände vor einer kniffligen Aufgabe leicht zitterten – nicht aus Unerfahrenheit, sondern aus reiner Versagensangst. Und der Schlaf? Man liegt nachts wach, geht jeden Arbeitsschritt, jeden möglichen Fehler wieder und wieder durch. Am nächsten Morgen bist du wie gerädert und unkonzentriert.

Achtung, Sicherheitsrisiko! Und hier wird es brandgefährlich. Ein unkonzentrierter Kopf hat an einer Kreissäge, einer Presse oder auf einem Gerüst nichts verloren. Die meisten Unfälle in der Werkstatt passieren nicht durch kaputtes Werkzeug, sondern durch einen Moment der Unachtsamkeit. Wenn du mental damit beschäftigt bist, deine Kompetenz anzuzweifeln, bist du nicht bei der Sache. Deine Gedanken sind nicht am Werkstück, sondern bei deiner Angst. Das ist ein gigantisches Sicherheitsrisiko.

Ellie Goulding in einem roten Kleid, sie scheint alles zu haben aber sie traut sich nicht

Finanzielle Konsequenzen: Das Hochstapler-Gefühl frisst auch Löcher in die Kasse. Es äußert sich oft darin, dass du dich unter Wert verkaufst. Du kalkulierst Angebote zu niedrig, weil du dich nicht traust, den angemessenen Preis für deine gute Arbeit zu verlangen. Kleiner Realitäts-Check: Frag dich bei der Kalkulation mal ganz ehrlich: „Was würde ich einem anderen fähigen Meister für diese Qualität ohne mit der Wimper zu zucken bezahlen?“ Das ist dein Preis, nicht weniger!

Oder du investierst unzählige, unbezahlte Stunden in ein Projekt, um eine imaginäre, unerreichbare Perfektion zu jagen. Das Ergebnis: Du bist ausgebrannt und das Konto ist leer. Der finanzielle Schaden durch Selbstzweifel ist real, auch wenn er in keiner Bilanz auftaucht.

Praktische Werkzeuge für deinen Kopf

Okay, genug analysiert. Im Handwerk sind wir Macher. Also, was tun? Hier sind ein paar bewährte Techniken direkt aus der Werkstatt, die wirklich funktionieren.

1. Leg dir eine „Fehlerkiste“ an: Klingt komisch, ist aber mega wirksam. Nimm eine alte Kiste – eine Weinkiste oder ein einfacher Karton tun es auch – und leg dort absichtlich Beweise für Fehler hinein. Eine geplatzte Schweißnaht, ein verzogenes Stück Holz, ein falsch abgelängtes Rohr. Kleb einen Zettel drauf. Zum Beispiel: „Datum: 15.03. / Fehler: Falsches Sägeblatt für die beschichtete Platte benutzt, fieser Ausriss an der Kante. / Gelernt: Immer erst einen Probeschnitt in einem Reststück machen. Kostet 2 Minuten, spart 2 Stunden Ärger.“ Wenn du das nächste Mal an dir zweifelst, mach die Kiste auf. Du siehst deinen Fortschritt schwarz auf weiß.

Elli Goulding bricht den Tabu über psychische Krankheiten zu sprechen
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2. Nutz das Vier-Augen-Prinzip: Kein Meister weiß alles. Punkt. Bau dir ein kleines Netzwerk aus Kollegen auf, denen du vertraust, am besten aus verschiedenen Gewerken. Als Holzwurm spreche ich regelmäßig mit einem befreundeten Schlosser. Seine Perspektive ist Gold wert. Das ist keine Schwäche, das ist Professionalität. Such aktiv den Austausch. Die Innungen, Handwerkskammern oder lokale Stammtische sind super Orte dafür.

3. Führe ein Werkstatt-Tagebuch: Nicht nur für die Stunden. Mach Fotos von deinen Projekten: vorher, mittendrin bei kniffligen Schritten und das fertige Werk. Schreib zwei Sätze dazu, welche Herausforderung du gemeistert hast. „Heute das Problem mit der schiefen Wand gelöst, indem ich eine flexible Unterkonstruktion gebaut habe.“ Wenn das Gefühl der Unfähigkeit hochkommt, blätterst du durch dein persönliches Beweis-Album für dein Können.

4. Quick-Win für den Notfall: Unterrichte dich selbst! Wenn du feststeckst und unsicher bist, nimm dein Handy. Öffne die Sprachmemo-App und erkläre dir selbst laut den nächsten Arbeitsschritt, als würdest du es einem Azubi zeigen. „So, jetzt nehmen wir den 12er-Bohrer, weil der Dübel 12 Millimeter hat. Wir bohren langsam und ohne Druck, damit das Material nicht ausreißt.“ Nur für dich. Du wirst staunen, wie sicher du plötzlich klingst, wenn du dein Wissen aktiv abrufen musst.

Sätze für den Ernstfall: Dein verbaler Werkzeugkasten

Manchmal ist es die Angst vor der Konfrontation mit dem Kunden, die uns lähmt. Hier sind ein paar Sätze, die du fast auswendig lernen kannst. Sie sind höflich, aber klar.

  • Wenn der Kunde den Preis drücken will: „Ich verstehe, dass Sie auf den Preis achten. Meine Kalkulation basiert auf hochwertigem Material und der sorgfältigen Arbeit, die nötig ist, um die Qualität zu liefern, für die ich stehe. An der Stelle kann ich leider nicht nachlassen.“
  • Wenn ein unrealistischer Wunsch kommt: „Ich verstehe Ihren Wunsch. Um die Stabilität und Langlebigkeit zu gewährleisten, für die ich garantiere, ist das so technisch nicht sauber umsetzbar. Mein Vorschlag wäre stattdessen…“
  • Wenn der Zeitplan unmöglich ist: „Gute Arbeit braucht ihre Zeit. Um das in der von mir gewohnten Qualität fertigzustellen, ist der [realistische Termin] der frühestmögliche Zeitpunkt.“

Wenn die Werkzeuge nicht mehr reichen

Und jetzt ein Punkt, der mir wirklich am Herzen liegt. Wir Handwerker neigen dazu, alles selbst reparieren zu wollen. Aber manche Probleme kann man nicht mit Hammer und Schraubenzieher lösen.

Wenn die Selbstzweifel deinen Alltag lähmen, du nicht mehr schlafen kannst oder körperliche Symptome wie Herzrasen oder Panikattacken dazukommen, dann ist der Punkt erreicht, an dem du dir professionelle Hilfe holen solltest. Das ist kein Versagen! Im Gegenteil: Es ist ein Zeichen von Stärke, sich um sich selbst zu kümmern. So wie du einen Statiker rufst, wenn eine Wand wackelt, holst du dir einen Fachmann für die Seele, wenn dein inneres Gerüst bröckelt.

Erste Anlaufstellen können der Hausarzt, die psychologischen Beratungsstellen der Krankenkassen oder sogar die Berufsgenossenschaften sein. Oft gibt es auch anonyme Hotlines wie die Telefonseelsorge, die rund um die Uhr erreichbar ist. Sich diese Hilfe zu suchen, ist genauso klug und vorausschauend wie der Abschluss einer guten Betriebshaftpflichtversicherung.

Ein letztes Wort aus der Werkstatt

Das Gefühl, ein Hochstapler zu sein, ist ein zäher Gegner, aber kein unbesiegbarer. Es ist oft nur das verzerrte Spiegelbild unseres eigenen, verdammt hohen Anspruchs. Die Kehrseite der Medaille, auf deren Vorderseite Leidenschaft, Sorgfalt und der Wille zur Meisterschaft stehen.

Sieh diese Zweifel nicht als Feind, sondern als das, was sie sind: ein Schleifstein. Ein rauer Stein, der uns zwingt, unser Können immer wieder zu prüfen, uns weiterzuentwickeln und am Ende nicht nur bessere Handwerker, sondern auch stärkere Menschen zu werden. Der Weg vom Gesellen zum Meister ist kein Spaziergang. Diese Zweifel gehören dazu. Packen wir’s an. Du schaffst das.

Dagmar Brocken

Dagmar Brocken hat Medienwissenschaft in Bonn absolviert und innerhalb fünf Jahren ist Teil von bekannten deutschen Nachrichtenteams.