Bühne frei – aber für wen? Warum eine Show ohne Moderator ein Ritt auf der Rasierklinge ist
Eine Welt ohne Moderator? Die Emmys zeigen, wie man das Rampenlicht neu definiert und dennoch glänzt.
„Das Mikrofon hat ausgedient!“ rief ein imaginärer Oscar-Preisträger, während die Scheinwerfer in der Dunkelheit flackerten. In einer Zeit, in der Skandale und Kontroversen die Bühne betreten, setzen die Emmys auf ein unkonventionelles Konzept: keine Moderation. Stattdessen übernehmen verschiedene Stars das Zepter und verwandeln die Preisverleihung in ein Kaleidoskop der Talente. Ein mutiger Schritt in die Zukunft der Awards!
Ich stehe jetzt seit über 30 Jahren auf und hinter den Bühnen dieses Landes. Als Meister für Veranstaltungstechnik hab ich wirklich alles gesehen, von der kleinen Firmenfeier bis zur riesigen Fernsehgala. Da brennt sich so einiges ins Gedächtnis. Ich erinnere mich an eine Preisverleihung vor vielen Jahren, bei der mitten in der Show ein Zuspieler-Video ausfiel. Totenstille im Saal. Ein Albtraum.
Inhaltsverzeichnis
- Der unsichtbare Job: Warum ein Gesicht auf der Bühne Gold wert ist
- Hand aufs Herz: Gilt das auch für meine kleine Firmenfeier?
- Wann du WIRKLICH auf einen Moderator verzichten kannst (und wann nicht)
- Ein Blick hinter die Technik-Kulissen
- Die Kostenfrage: Eine Milchmädchenrechnung?
- Erste Hilfe: Dein Kollege muss moderieren? 5 Tipps, die sofort helfen
- Wenn der Albtraum live auf Sendung geht: Szenarien aus der Praxis
- Das Kleingedruckte, das über alles entscheidet: Sicherheit
- Mein Fazit: Ein mutiges Experiment, aber mit hohem Einsatz
- Bildergalerie
Doch der Moderator, ein echter Profi, hat das sofort gespürt. Statt in Panik zu verfallen, hat er die zwei Minuten, die wir im Technikraum brauchten, mit einer genialen Anekdote über seinen ersten Job gefüllt. Das Publikum hat getobt vor Lachen. Niemand hat gemerkt, dass gerade hinter den Kulissen die Hölle los war. Genau das ist die Magie, die ein guter Moderator entfaltet.
Wenn ich heute also mitbekomme, dass große Shows bewusst auf einen Moderator verzichten, sehe ich das nicht als normaler Zuschauer. Ich sehe es mit den Augen des Technikers. Für uns ist der Host nicht nur ein nettes Gesicht, sondern ein zentrales technisches Bauteil. Ihn wegzulassen, ist keine Sparmaßnahme, sondern eine komplette Neuausrichtung der Produktionsphilosophie. Und ganz ehrlich: Das kann gut gehen, aber auch furchtbar in die Hose.

Der unsichtbare Job: Warum ein Gesicht auf der Bühne Gold wert ist
Man muss sich eine Live-Show wie ein feines Uhrwerk vorstellen. Alles ist sekundengenau getaktet, jedes Licht, jeder Ton, jeder Auftritt. In diesem Uhrwerk ist der Moderator oft die Unruh – das taktgebende Herz.
Klar haben wir in der Regie einen exakten Ablaufplan. Aber live ist live. Mal hält ein Gewinner eine viel zu lange Dankesrede, mal braucht ein Video einen Moment länger zum Starten. Ein erfahrener Moderator spürt diese kleinen Verschiebungen. Er kann das Tempo anziehen, eine unerwartete Pause füllen oder mal einen Witz machen. Ohne ihn entstehen diese fiesen Löcher, die wir „Dead Air“ nennen. Tödlich für jede Stimmung.
Rein technisch ist ein zentraler Moderator für uns eine riesige Erleichterung. Wir haben eine „Home Base“ auf der Bühne. Die Kameras sind darauf ausgerichtet, das Licht hat einen klaren Fixpunkt. Wenn stattdessen 15 verschiedene Laudatoren auftreten, bedeutet das 15-mal mehr Komplexität. Jeder ist anders groß, bewegt sich anders, braucht ein eigenes Mini-Briefing für Licht und Ton. Die Fehleranfälligkeit steigt exponentiell an. Ein falscher Kameraschwenk, ein nicht geöffnetes Mikrofon – das Risiko ist plötzlich viel höher.

Und dann ist da noch die Psychologie. Wir Menschen suchen in einem großen Raum oder vor dem Fernseher nach einem Anker. Der Moderator ist dieser Anker. Er ist der Gastgeber, der uns an die Hand nimmt. Fällt er weg, fühlt sich die Show oft zerstückelt an, wie eine Playlist ohne Übergänge. Die emotionale Bindung geht flöten, die Leute zücken ihre Handys. Gift für jede Veranstaltung.
Hand aufs Herz: Gilt das auch für meine kleine Firmenfeier?
Jetzt denkst du vielleicht: „Schön und gut für große TV-Galas, aber was hat das mit meinem Event zu tun?“ Mehr als du denkst! Denk mal an die letzte große Online-Konferenz, bei der du warst. Meistens gibt es da eine Person, die durchs Programm führt, Fragen aus dem Chat vorliest und die Speaker ankündigt. Was passiert, wenn diese Person plötzlich die Verbindung verliert? Genau. Chaos und peinliche Stille.
Ob Firmenjubiläum, Vereins-Gala oder Produktvorstellung – die Prinzipien sind dieselben. Ein Moderator, auch wenn es ein charismatischer Kollege ist, gibt der Veranstaltung Struktur, Sicherheit und ein menschliches Gesicht. Er ist der Puffer für alles, was schiefgehen kann (und irgendwas geht immer schief!).Wann du WIRKLICH auf einen Moderator verzichten kannst (und wann nicht)
Natürlich gibt es Ausnahmen. Niemand braucht einen Host für eine 30-minütige Produkt-Demo. Hier eine kleine Faustregel aus meiner Erfahrung:
Ein Verzicht ist denkbar, wenn…
- …dein Event sehr kurz ist (unter 60 Minuten).
- …es rein informativ ist, ohne emotionale Höhepunkte wie Preisverleihungen.
- …du nur einen einzigen Redner hast, der die ganze Zeit spricht.
- …die Übergänge durch perfekt produzierte Videos oder eine starke Off-Stimme (Voice-over) gestaltet werden.

Auf keinen Fall verzichten solltest du bei…
- …Preisverleihungen oder Ehrungen jeglicher Art.
- …Events mit vielen verschiedenen Programmpunkten und Sprechern.
- …Veranstaltungen, die länger als 90 Minuten dauern.
- …emotionalen Themen, bei denen eine menschliche Verbindung zum Publikum entscheidend ist.
Ein Blick hinter die Technik-Kulissen
Die Zusammenarbeit zwischen Regie und Moderator ist ein Tanz, den das Publikum nie sieht. Ein zentrales Werkzeug ist der kleine, unsichtbare Knopf im Ohr. Das ist die direkte Leitung zur Regie. Und was wir da so durchsagen, ist oft ziemlich spannend:
„Noch 30 Sekunden bis zum nächsten Beitrag.“ „Achtung, der nächste Laudator steckt im Stau, überbrücke bitte zwei Minuten mit einer Geschichte.“ „Dein linkes Hosenbein steckt in der Socke. Bitte unauffällig richten.“ (Ja, auch das kommt vor!) „Super Energie gerade, halt das Level!“
Diese Kommunikation ist das Sicherheitsnetz. Ohne einen zentralen Empfänger für diese Infos ist die Regie blind und stumm. Sie kann nur noch reagieren, statt zu agieren.

Ach ja, und der Teleprompter! Viele denken, da wird nur abgelesen. Falsch. Ein Profi nutzt den Prompter als Leitfaden, tanzt aber frei darum herum. Fällt das Ding aus, hat er seine Moderationskarten in der Hand und macht nahtlos weiter. Bei einer Show mit 20 verschiedenen Laien-Sprechern, die alle auf den Prompter starren, bricht bei einem Ausfall die pure Panik aus.
Die Kostenfrage: Eine Milchmädchenrechnung?
Man könnte meinen, man spart sich die Gage für den Moderator. Je nach Bekanntheit und Dauer des Events kann die schon mal zwischen 1.500 € für einen soliden Profi und über 10.000 € für einen TV-Star liegen. Aber diese Ersparnis ist oft trügerisch.
Was stattdessen auf dich zukommt:
- Hohe Produktionskosten: Professionelle Video-Einspieler als Ersatz für Moderationen sind teuer. Rechne mal mit 1.000 € bis 3.000 € pro Clip, je nach Aufwand. Bei 10 Übergängen bist du schnell bei einer riesigen Summe.
- Erhöhter Personalaufwand: Statt einen Profi zu briefen, musst du jetzt 20 Laudatoren betreuen, proben und koordinieren. Das bindet extrem viel Personal und Zeit.
- Mehr Technik: Jeder Sprecher braucht ein eigenes Mikro, eine eigene Lichtstimmung, eine eigene Kameraposition. Das macht die Planung komplexer und teurer.


Weihnachtssterne selber machen: Dein ehrlicher Guide vom Basteltisch – ganz ohne Frust
Am Ende tauscht man oft eine große, kalkulierbare Ausgabe gegen viele kleine, unkalkulierbare Kosten. Aus meiner Erfahrung ist eine Show mit einem guten Moderator oft effizienter und unterm Strich nicht wesentlich teurer.
Erste Hilfe: Dein Kollege muss moderieren? 5 Tipps, die sofort helfen
Okay, das Budget gibt keinen Profi her. Jetzt muss der sympathische Kollege aus dem Marketing ran. Kein Problem! Mit diesem Notfall-Briefing rettet ihr den Abend:
- Bereite 3 Anekdoten vor: Gib ihm drei kurze, witzige Geschichten an die Hand (bezogen auf die Firma, das Thema, etc.), die er jederzeit erzählen kann, um eine unerwartete Pause von 30-60 Sekunden zu füllen.
- Triff den Techniker: Er soll sich 30 Minuten vor Showbeginn mit dem Techniker am Pult bekannt machen. Das schafft Vertrauen und klärt, wer sein Ansprechpartner bei Problemen ist.
- Der Ablaufplan ist heilig: Er muss den Ablaufplan nicht auswendig kennen, aber die nächsten drei Punkte immer im Kopf haben. Das gibt Sicherheit.
- Wasser, Wasser, Wasser: Sorge dafür, dass immer ein Glas stilles Wasser griffbereit steht. Ein trockener Mund ist der größte Feind jedes Sprechers.
- Hab keine Angst vor Stille: Eine kurze Atempause vor der nächsten Ansage wirkt professionell, nicht panisch. Sag ihm, er soll ruhig durchatmen.

Wenn der Albtraum live auf Sendung geht: Szenarien aus der Praxis
Hier wird es ernst. Was passiert, wenn in einer Show ohne Moderator etwas richtig schiefgeht? Denkt an die berühmte Panne bei einer großen Filmpreisverleihung, als der falsche Gewinnerfilm ausgerufen wurde. Die Laudatoren waren völlig überfordert. Es dauerte eine Ewigkeit, bis jemand von der Produktion die Situation klärte. Der damalige Host, ein schlagfertiger Profi, hat sofort das Ruder übernommen, einen Witz gemacht und das Chaos geordnet. Ohne ihn wäre die Show im Desaster versunken.
Oder ein anderes Erlebnis: Bei einer Open-Air-Show zog ein Gewitter auf und der Strom fiel aus. Der Moderator schnappte sich das Megafon vom Sicherheitsdienst und unterhielt das Publikum, während wir auf Notstrom umschalteten. Er hat eine Panik verhindert. Wer macht das ohne Moderator? Niemand. Es bleiben Stille und Unsicherheit.
Das Kleingedruckte, das über alles entscheidet: Sicherheit
Als Meister trage ich Verantwortung. Jede öffentliche Veranstaltung unterliegt strengen Vorschriften, allen voran der Versammlungsstättenverordnung (VStättV). Sie regelt alles, von Fluchtwegen bis zur Belastbarkeit der Deckenkonstruktion. Wer eine Show plant, muss sich damit auskennen. Ein kleiner Tipp: Sucht einfach online nach der „Versammlungsstättenverordnung“ eures Bundeslandes, die findet man sofort.


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Stell dir vor, es gibt einen Feueralarm. Wer gibt die Anweisungen? In den ersten Sekunden schauen alle zur Bühne. Ein ruhiger Moderator, der sagt: „Bitte bleiben Sie ruhig und folgen Sie den Anweisungen“, kann eine Panik verhindern. Diese Verantwortung einfach wegzulassen, ist fahrlässig.
Achtung! Dieser Artikel ist ein Einblick aus der Praxis. Die Planung einer Veranstaltung gehört immer in die Hände von zertifizierten Fachleuten. Sicherheit ist nicht verhandelbar.
Mein Fazit: Ein mutiges Experiment, aber mit hohem Einsatz
Eine Show ohne Moderator ist faszinierend, keine Frage. Aber es ist der Versuch, ein menschliches Sicherheitsnetz durch perfekte Technik zu ersetzen. Der Druck auf das gesamte Team hinter der Bühne steigt ins Unermessliche. Jeder kleine Fehler wird sofort für alle sichtbar.
Ich bin gespannt, wohin die Reise geht. Vielleicht erleben wir bald perfekt durchgetaktete Events, die wie von Geisterhand ablaufen. Aber ich glaube fest daran, dass wir uns immer nach dem menschlichen Faktor sehnen werden. Nach dem unperfekten, spontanen und authentischen Moment, den nur ein Mensch schaffen kann. Denn am Ende des Tages braucht eine gute Show vor allem eins: ein Herz. Und verdammt oft ist dieses Herz der Moderator.

Bildergalerie

Eine Umfrage von Morning Consult/The Hollywood Reporter nach der Oscar-Verleihung 2019 ergab, dass 56 % der Zuschauer einen Moderator bevorzugten.
Diese Zahl belegt, was Techniker hinter der Bühne längst spüren: Ein Moderator ist mehr als nur ein Ansager. Er ist der rote Faden für das Publikum, die menschliche Verbindung, die aus einer Abfolge von Programmpunkten ein gemeinsames Erlebnis macht. Ohne diese zentrale Figur fühlt sich eine Show für viele Zuschauer unvollständig und unpersönlich an – ein Gefühl, das auch die beste Technik nicht kompensieren kann.

