Hinter den Kulissen: Was bei Film-Stunts wirklich passiert – Ein Profi packt aus

Ein Geheimnis aus der Vergangenheit entfaltet sich: Der erste Blick auf „Black Widow“ verspricht Nervenkitzel und emotionale Tiefe!

von Michael von Adelhard

Ich bin Meister für Veranstaltungstechnik, spezialisiert auf Pyrotechnik und Stunt-Rigging. Seit über zwei Jahrzehnten sorge ich dafür, dass es auf der Leinwand ordentlich kracht, brennt und fliegt. Und ganz ehrlich? Ich schaue Filme anders als die meisten Leute. Mich interessiert nicht nur die Story, ich sehe die Arbeit meiner Kollegen. Ich erkenne die unsichtbare Physik hinter einem Sprung vom Hochhaus und sehe die millimetergenaue Choreografie in einer Schlägerei. Wenn ich einen modernen Action-Blockbuster sehe, sehe ich kein Superhelden-Märchen. Ich sehe ein Meisterstück des Handwerks. Und ich sehe die Risiken, die dahinterstecken.

Viele reden über die Schauspieler. Ist ja auch okay. Aber die eigentliche Magie passiert im Verborgenen, in den Händen der Stuntleute, Rigger und Pyrotechniker. Das sind die Jungs und Mädels, die dafür sorgen, dass eine Verfolgungsjagd echt aussieht und eine Explosion wuchtig wirkt, ohne dass jemand auch nur einen Kratzer abbekommt. Komm, ich nehm dich mal mit hinter die Kulissen. Nicht in die glamouröse Welt der Stars, sondern in die Welt der Stahlseile, Airbags und exakt berechneten Sprengladungen.

der film black widow mit der schauspielerin scarlett johansson, eine frau mit zwei pistolen und mit einem schwarzen kostüm

Die Physik des kontrollierten Chaos: Nichts ist dem Zufall überlassen

Actionszenen wirken oft wie pures Chaos. Sind sie aber nie. Jede Bewegung, jeder Einschlag und jede Explosion folgt knallharten physikalischen Gesetzen. Unser Job ist es, diese Gesetze so zu biegen, dass sie für die Kamera arbeiten.

Der freie Fall, der niemals frei ist

Denk mal an eine typische Szene: Die Heldin springt von einer Brücke. Ein Laie sieht eine fallende Person. Ich sehe ein verdammt komplexes System. Niemand springt da einfach so runter, das wäre Selbstmord. Die G-Kräfte beim Aufprall würden dich zerfetzen. Also müssen wir den Fall kontrolliert abbremsen.

Eine gängige Methode dafür ist der „Descender“. Das ist im Grunde eine computergesteuerte High-Tech-Winde. Der Stunt-Performer hängt an hauchdünnen, aber extrem reißfesten Dyneema-Seilen, die kaum sichtbar sind, aber mehrere Tonnen halten. Der Computer bremst den Fall dann kurz vor dem Boden butterweich ab. Die Kunst dabei ist, die Bremsung so zu programmieren, dass es für die Kamera natürlich und nicht wie ein Ruckeln aussieht.

der film black widow mit der schauspielerin scarlett johansson, eine frau mit zwei pistolen und mit einem schwarzen kostüm

Eine andere Option sind riesige Stunt-Airbags. Und vergiss die Hüpfburg aus dem Garten! Professionelle Airbags kosten locker mal zwischen 15.000 € und 50.000 €, sind riesig und haben ein ausgeklügeltes Kammersystem. Die obere Kammer ist weicher, um den ersten Impuls aufzufangen, die untere härter, um dich sicher zu stoppen. Trotzdem musst du die Landung trainieren. Falsch aufgekommen, und du hast trotz Kissen schwere Verletzungen.

Die Anatomie einer Film-Explosion

In Actionfilmen explodiert ständig irgendwas. Echte Explosionen sind für Dreharbeiten aber denkbar ungeeignet – zu schnell, zu dreckig und viel zu gefährlich. Was du siehst, ist kontrollierte Pyrotechnik, und die unterliegt bei uns in Deutschland dem strengen Sprengstoffgesetz. Jeder einzelne Effekt braucht eine Genehmigung.

Ein typischer Film-Feuerball besteht oft aus einem Benzin-Luft-Gemisch. Für den richtigen „Wumms“ nutzen wir aber sogenannte Mörser – das sind massive Stahlrohre, in denen eine kleine Sprengladung leichtes Material wie Korkschrot oder Torf in die Luft schleudert. Das erzeugt den Eindruck von Trümmern und Rauch, ohne dass schwere Teile durch die Gegend fliegen.

eine frau mit einem schwarzen lederkostüm, der film black widow, der schauspieler david harbour, einm mann mt bart, the red guardian

Achtung: Das Wichtigste ist der Sicherheitsabstand. Vor jeder Zündung wird der Bereich penibel ausgemessen. Ich hab selbst schon erlebt, wie ein plötzlicher Windstoß eine Flammenwand in die falsche Richtung gedrückt hat. Dank der Abstände ist nie was passiert, aber es lehrt dich Respekt. Das ist kein Spiel.

Das Handwerk der Illusion: So tricksen die Profis

Präzision ist alles. Das hab ich in meiner Meisterausbildung gelernt, und das gilt für jeden Stunt. Es geht nicht darum, etwas zu tun, sondern es perfekt zu tun.

Kampfchoreografie: Ein schmerzhafter Tanz

Eine Kampfszene zwischen zwei Profis ist kein wildes Geprügel. Es ist ein exakt einstudiertes Ballett. Für eine Zwei-Minuten-Szene wird oft wochenlang trainiert. Jeder Schlag, jeder Tritt, jeder Wurf sitzt.

Das Geheimnis eines glaubwürdigen Schlags ist das „Selling“, also das Verkaufen. Der Angreifer schlägt absichtlich daneben, aber der Getroffene reagiert auf die Millisekunde genau, als würde er getroffen. Der Kopf schnellt zurück, der Körper zuckt. Das Geräusch einer brechenden Nase? Kommt später aus dem Computer.

der schauspieler david harbour, ein superheld mit einem roen kostüm mit einem weißen stern, der marvel film black widow

Kleiner Tipp zum Ausprobieren (aber bitte VORSICHTIG!): Schnapp dir einen Freund. Einer schlägt langsam und kontrolliert etwa 10 cm an der Wange des anderen vorbei. Der andere versucht, im exakten Moment des „vorbei-Schlags“ mit dem Kopf zurückzuzucken. Ihr werdet schnell merken, wie schwer perfektes Timing ist!

Die Kunst des Rigging: Wenn Menschen fliegen

Wenn eine Figur durch die Luft segelt oder an einer Wand entlangläuft, ist das fast immer „Wirework“ oder Rigging. Das ist mein Spezialgebiet. Wir bauen komplexe Seilkonstruktionen, um die Schwerkraft auszutricksen. Die Verantwortung hier ist gigantisch, denn ein Fehler kann tödlich enden.

Wir arbeiten nach dem Prinzip der Redundanz: Jedes sicherheitsrelevante Teil ist doppelt vorhanden. Reißt ein Seil, hält das zweite. Versagt eine Bremse, greift die zweite. Das ist keine Option, das ist Gesetz. Jeder Karabiner, jedes Seil hat eine Seriennummer und wird nach jeder Nutzung geprüft. Die Planung ist pure Mathematik. Wenn ein 80-kg-Stuntman an einem Seil schwingt, können durch die Beschleunigung kurzzeitig Kräfte von über 400 kg auf die Verankerung wirken. Da gibt es null Spielraum.

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Groß, größer, Hollywood: Die Unterschiede im Handwerk

Ich hatte das Glück, sowohl in Deutschland als auch bei internationalen Produktionen dabei zu sein. Die Techniken sind weltweit gleich, die Herangehensweise aber oft eine andere.

Sicherheit vs. Skalierung

In Deutschland ist Sicherheit das oberste Gebot, fast schon eine Religion. Für jeden Pups-Stunt schreiben wir eine detaillierte Gefährdungsbeurteilung. Was ist Plan A, was ist Plan B, wenn der scheitert? Manche im Ausland belächeln diesen „Papierkram“, aber er zwingt dich, alles zu Ende zu denken und verhindert Unfälle.

In Hollywood ist alles größer: die Budgets, die Teams, die Explosionen. Dort gibt es für jeden Bereich hochspezialisierte Abteilungen. Das ermöglicht eine unglaubliche Qualität. Ein weiterer Unterschied ist der Einsatz von CGI. Ein Stunt wird oft praktisch gedreht und dann digital erweitert. In Deutschland müssen wir mit kleineren Budgets oft kreativer sein und mehr praktisch umsetzen. Das hat auch seinen Reiz.

Nur mal als Hausnummer: Ein sauberer Auto-Überschlag für eine deutsche TV-Serie liegt budgetär vielleicht bei 20.000-30.000 €. Für einen Hollywood-Blockbuster, bei dem noch zehn CGI-Ebenen drübergelegt werden, redet man für dieselbe Szene schnell von 250.000 € aufwärts.

Dein Weg in die Action-Welt: Mehr als nur Mut

Viele junge Leute sehen das und denken: „Geil, will ich auch machen!“ Aber der Weg dorthin ist hart und erfordert Disziplin, nicht Draufgängertum.

Was ein Stunt-Performer wirklich können muss

Die Basis ist eine überragende körperliche Fitness, oft aus Bereichen wie Turnen, Kampfsport oder Klettern. Dazu kommen Spezialisierungen. Ein guter Allround-Stuntman verdient pro Drehtag zwischen 500 € und 1.500 €, je nach Risiko und Erfahrung. Dafür musst du aber auch was können:

  • Präzisionsfahren: Ein Auto auf den Zentimeter genau stoppen.
  • Tauchen: Professionelle Tauchscheine sind für Unterwasserszenen Pflicht.
  • Reiten: Für historische Filme oder Western unerlässlich.
  • Fallschirmspringen: Für Actionszenen in der Luft.

Man fängt klein an, schleppt Matten, sichert Bereiche ab und lernt durch Zuschauen. Wer ungeduldig ist, fliegt raus.

Dein erster Schritt in die Stunt-Welt – Ein 3-Monats-Plan

Du träumst davon, hast aber keine Ahnung, wo du anfangen sollst? Hier ein ganz konkreter Plan für Anfänger:

  • Monat 1: Such dir einen guten Turn- oder Kampfsportverein (Judo, Jiu-Jitsu). Lerne die Grundlagen der Fallschule. Das ist das A und O, um Stürze unverletzt zu überstehen.
  • Monat 2: Mach einen erweiterten Erste-Hilfe-Kurs. Du musst im Notfall wissen, was zu tun ist, für dich und für deine Kollegen. Das ist ein Zeichen von Professionalität.
  • Monat 3: Spare etwas Geld (ca. 300-600 €) und besuche einen Wochenend-Grundlagen-Workshop bei einer seriösen Stuntschule. Dort bekommst du einen echten Einblick und knüpfst erste Kontakte.

Die unsichtbare Rüstung

Wir tragen unsere Schutzausrüstung unter dem Kostüm. Dünne, aber extrem schlagfeste Protektoren aus Materialien wie D3O. Das ist ein faszinierendes Zeug! Im Normalzustand ist es weich, aber bei einem harten Aufprall verhärten sich die Moleküle blitzschnell. Googelt mal „D3O non-newtonian fluid test“, dann seht ihr, wie ein Hammer darauf einfach abprallt. Dazu kommen feuerfeste Unterwäsche aus Nomex bei Feuer-Stunts oder Neoprenanzüge gegen Unterkühlung.

Wenn’s richtig kompliziert wird: Die Königsdisziplin

Am schwierigsten ist die Kombination verschiedener Techniken in einer einzigen, langen Einstellung. Stell dir die finale Absturzszene in einem großen Spionage-Thriller vor. Das ist ein Meisterwerk der Koordination.

Vorher/Nachher: Die Magie des Greenscreens

Wie sieht so was am Set wirklich aus? Stell es dir so vor: Das Double der Heldin hängt an fünf dicken, neongrünen Seilen vor einer riesigen grünen Wand. Ein Typ mit einem Laubbläser pustet ihr für den „Fahrtwind“ ins Gesicht, während um sie herum ein paar Funken sprühen. Das ist das „Vorher“.

Im Kino siehst du dann das „Nachher“: Sie stürzt im freien Fall vom Himmel, um sie herum explodierende Trümmerteile, Wolkenfetzen und das Chaos eines abstürzenden Luftschiffs. Die Seile sind weg, der grüne Hintergrund ist durch einen dramatischen Himmel ersetzt. Das ist die Magie, die entsteht, wenn praktische Stunts, Spezialeffekte (SFX) und visuelle Effekte (VFX) perfekt zusammenarbeiten.

Ein ehrlicher Blick auf die Risiken

Ich kann es nicht oft genug sagen: Was wir tun, ist verdammt gefährlich. Es ist ein Job für besonnene Profis, nicht für Adrenalin-Junkies. Und selbst dann bleibt immer ein Restrisiko.

Versuch das NIEMALS selbst!

Die Effekte im Film sind das Ergebnis von wochenlanger Planung, teurem Equipment und einem Team von Experten. Jede Nachahmung ist lebensgefährlich. Genieß den Film, aber überlass die Action bitte den Profis.

Stunt-Arbeit ist ein Knochenjob. Jeder Sturz hinterlässt Spuren. Viele ältere Kollegen haben chronische Schmerzen. Und ja, vor jedem großen Stunt hat man Angst. Wer keine Angst mehr hat, wird nachlässig. Die Kunst ist es, diese Angst in pure Konzentration umzuwandeln. Man vertraut auf sein Training, sein Team und sein Material.

Am Ende ist so ein Film für mich mehr als Unterhaltung. Er ist eine Leistungsschau unseres Handwerks. Und wenn das Publikum im Kinosessel für einen Moment vergisst, dass alles nur eine Illusion ist, dann… ja, dann haben wir unseren Job gut gemacht.

Ressourcen für Angeberwissen & Echte Interessenten

Wer jetzt richtig tief einsteigen will, findet hier ein paar Anlaufstellen. Das sind keine Werbelinks, sondern einfach die offiziellen und bekannten Adressen in Deutschland:

  • Bundesverband deutscher Stuntleute (BvS): Die offizielle Interessenvertretung. Hier findet man Infos zum Berufsbild und eine Mitgliederliste mit echten Profis.
  • Seriöse Stuntschulen: Firmen wie „Action Concept“ (bekannt durch Cobra 11) oder die „Stuntschule.de“ bieten Workshops und Ausbildungen an. Ein Blick auf deren Webseiten lohnt sich, um ein Gefühl für die Branche zu bekommen.
Michael von Adelhard

Michael von Adelhard ist 31 Jahre alt. Er arbeitet seit vielen Jahren als Journalist für einige der erfolgreichsten Nachrichten-Portale Deutschlands. Autor vieler Bücher und wissenschaftlicher Publikationen zum Thema «Einfluss sozialer Medien auf Jugendliche«. Schreibt über Themen wie Lifestyle, Umweltschutz, sowie Tech and Gadgets. In seiner Freizeit ist er häufig mit dem Fahrrad unterwegs – so schöpft er Inspiration für seine neuen Artikel.