Vom Zettelchaos zum Meisterwerk: Was wirklich hinter einem alten Wörterbuch steckt
Wussten Sie, dass das Oxford English Dictionary 70 Jahre in Anspruch nahm? Entdecken Sie die faszinierende Geschichte, die hinter diesem Meisterwerk steckt!
„Worte sind die Schatten der Taten“, könnte ein berühmter Autor gesagt haben, während er über die Bedeutung einer Sprache nachdachte. Stellen Sie sich nun einen Mann vor, der in der Dunkelheit einer Psychiatrie sitzt und den Schlüssel zur englischen Sprache in der Hand hält. „The Professor and the Madman“ entfaltet diese surrealen Fäden und verbindet Genie mit Wahnsinn auf der Suche nach der Essenz der Worte.
Ich hab neulich diesen Film über die Entstehung des großen englischen Wörterbuchs gesehen, du weißt schon, „The Professor and the Madman“. Keine Frage, ein fesselnder Film über zwei ziemlich bemerkenswerte Männer. Aber als Buchbindermeister schaue ich solche Filme natürlich mit ganz anderen Augen. Mein Blick wandert sofort weg von den Schauspielern, hin zu den Requisiten: die Bücherregale, die Papiere auf den Tischen, die Werkzeuge.
Inhaltsverzeichnis
- Das Fundament: Mehr als nur Worte auf Papier
- Vom Chaos zur Ordnung: Die Entstehung eines Buches Schritt für Schritt
- Worauf du achten solltest, wenn du Qualität suchst
- Ein europäisches Phänomen: Nicht nur in England wurde gesammelt
- So schützt du deine eigenen Buchschätze
- Fazit: Ein Denkmal aus Arbeit und Leidenschaft
Und ich frage mich: Wie haben die das damals wirklich gemacht? Ein ganzes Leben für ein Wörterbuch. Ehrlich gesagt, der Film kratzt da nur an der Oberfläche. Er kann gar nicht vermitteln, was es bedeutet, so ein Monument von Hand zu erschaffen.
Wenn ich in meiner Werkstatt ein jahrhundertealtes Buch in den Händen halte, ist das eine ganz andere Nummer. Ich spüre das Papier, rieche das Leder und den alten Knochenleim. Diese Erfahrung verändert den Blick auf ein Projekt wie das Oxford English Dictionary, kurz OED. Das war nicht nur eine intellektuelle, sondern vor allem eine handwerkliche und logistische Meisterleistung. Also, komm mit mir gedanklich in die Werkstatt der Sprache. Lass uns mal schauen, wie dieses Ding aus Papier, Tinte und schierer menschlicher Ausdauer wirklich gebaut wurde.

Das Fundament: Mehr als nur Worte auf Papier
Bevor auch nur ein Wort gedruckt wird, steht eine ganz grundlegende Entscheidung an: das Material. Für ein Projekt, das über Generationen andauern sollte, war das die vielleicht wichtigste Weiche, die man stellen musste. Man baute ja nicht für den Moment, sondern für die Ewigkeit. Das vergisst man heute so leicht.
Das Papier: Gebaut für die Ewigkeit
Heute drucken wir fast alles auf Papier aus Holzzellstoff. Das ist billig und überall zu haben. Der Haken daran? Es enthält Säure und Lignin, was es mit der Zeit zerfallen lässt. Es wird gelb, brüchig und zerbröselt dir förmlich zwischen den Fingern. Ich hatte letzte Woche ein Gesangbuch aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts auf dem Tisch, da ist mir eine Ecke quasi zu Staub zerfallen, als ich sie nur angesehen habe. Katastrophe.
Für das OED kam so etwas natürlich nicht infrage. Die Profis griffen auf traditionelles Hadernpapier zurück. Das wird, wie der Name schon sagt, aus alten Textillumpen (Hadern) aus Leinen oder Baumwolle hergestellt. Der Clou: Es ist von Natur aus säurefrei und extrem langlebig. Ein gutes Hadernpapier kann Jahrhunderte überdauern. Es fühlt sich auch ganz anders an – fester, fast wie ein feiner Stoff. Wenn man die Seiten umblättert, hat es so einen warmen, satten Klang. Das war keine Nostalgie, sondern pure technische Notwendigkeit.

Die Tinte: Worte in Stein gemeißelt… oder eben in Papier
Genauso wichtig war die Tinte. Damals war Eisengallustinte der Standard. Hergestellt aus Eisensalzen und Galläpfeln, hat sie eine krasse Eigenschaft: Sie dringt tief in die Papierfasern ein und oxidiert dort. Sie wird quasi ein Teil des Papiers und ist bombenfest. Wegradieren? Keine Chance.
Aber, und das ist ein großes Aber, das jeder Restaurator fürchtet: der Tintenfraß. War die Mischung zu sauer, frisst sich die Tinte über die Jahrzehnte langsam durchs Papier. Dann siehst du die Buchstaben nur noch als feine Löcher im Blatt. Die Drucker damals waren aber echte Meister. Sie wussten genau, wie sie die Tinte anmischen mussten, um maximale Haltbarkeit bei minimalem Risiko zu erreichen. Eine Wissenschaft für sich.
Der Zettelkasten: Eine analoge Datenbank aus Millionen von Belegen
Der Film zeigt ja ganz gut, wie diese Zettel mit Wortbelegen gesammelt wurden. Aber das Ausmaß kann man sich kaum vorstellen. Am Ende waren es Millionen von Zetteln. Heute haben wir dafür Datenbanken, damals hatte man Regale. Hunderte von Fächern, sortiert nach dem Alphabet. Die berühmte Arbeitsbaracke des Chefredakteurs war im Grunde ein riesiger, begehbarer Zettelkasten.

Stell dir mal die physische Arbeit vor! Jeder einzelne Zettel von Hand einsortiert. Die Suche nach einem Wort hieß: richtiges Fach finden und hunderte Zettel durchblättern. Dazu der Papierstaub, der die Lungen reizt, und das stundenlange Starren auf kleine Handschriften. Das war Knochenarbeit, keine saubere, akademische Schreibtischtätigkeit.
Vom Chaos zur Ordnung: Die Entstehung eines Buches Schritt für Schritt
Der Bau eines Wörterbuchs ist wie ein Hausbau. Es gibt verschiedene Gewerke, die perfekt ineinandergreifen müssen. Der Lexikograf ist der Architekt, aber ohne Setzer, Drucker und Buchbinder hat er nur einen Plan – kein fertiges Haus.
- Sammeln und Sortieren: Die Basis waren tausende freiwillige Leser im ganzen britischen Empire. Eine frühe Form von Crowdsourcing, bei der die Post das Internet der Zeit war. Täglich kamen Säcke voller Briefe an, die von Assistenten sortiert werden mussten. Ein falsch einsortierter Zettel? Praktisch für immer verloren.
- Redigieren und Definieren: Der Chefredakteur musste aus diesem Zettel-Chaos eine Ordnung schaffen. Er prüfte die Belege, erforschte die Wortherkunft und formulierte die Definitionen. Eine absolute Mammutaufgabe, die ein unfassbar tiefes Verständnis für Sprache erforderte.
- Der Bleisatz: War ein Teil fertig, ging’s in die Druckerei. Dort wurde jeder einzelne Buchstabe von Hand aus einem Setzkasten genommen und zu Zeilen zusammengesetzt. Stellt euch das mal vor: Millionen von Zeichen, jedes ein kleines Stück Blei! Eine einzige gesetzte Druckseite konnte mehrere Kilogramm wiegen. Ein Knochenjob, und der ständige Umgang mit Blei war alles andere als gesund.
- Der Druck: Die fertigen Blei-Seiten kamen in riesige, laute Pressen aus Gusseisen. Der Lärm muss ohrenbetäubend gewesen sein. Es roch nach Farbe, Öl und Lösungsmitteln. Jeder Bogen Papier wurde einzeln durch die Maschine geführt.
- Die Fadenheftung: Hier beginnt meine Welt, das Buchbinden. Die gedruckten Bögen werden gefalzt und dann Lage für Lage mit Faden vernäht. Das ist das Herz eines jeden guten Buches.
Kleiner Test für dich zu Hause: Geh mal zu deinem Bücherregal. Nimm ein modernes Taschenbuch und ein altes, gebundenes Buch (vielleicht von Oma?). Leg beide aufgeschlagen auf den Tisch. Welches bleibt von alleine offen liegen? Siehst du? Das ist der Unterschied zwischen billiger Klebebindung, die irgendwann bricht, und einer echten Fadenheftung.
- Der Einband: Zum Schluss bekam der vernähte Buchblock seinen schützenden Einband, oft aus robustem Leinen (Buckram) oder Leder. Die Titel wurden mit erhitzten Messingstempeln und Goldfolie auf den Rücken geprägt. Präzisionsarbeit, bei der ein Millimeter Abweichung alles ruiniert.

Worauf du achten solltest, wenn du Qualität suchst
Dieses Wissen von damals ist auch heute noch Gold wert! Wenn du zum Beispiel ein wirklich gutes Notizbuch kaufen willst, das dich Jahre begleitet, achte auf diese drei Dinge:
- Fadenheftung: Schau in der Mitte des aufgeschlagenen Buches. Siehst du die kleinen Fäden, die die Lagen zusammenhalten? Perfekt! Das ist ein Qualitätsmerkmal.
- Papiergewicht: Gutes Papier fühlt sich einfach besser an. Alles über 100 g/m² ist schon eine Ansage und verhindert, dass der Stift durchscheint.
- Säurefrei: Steht oft auf der Verpackung. Das garantiert, dass deine Notizen nicht in 20 Jahren vergilben und zerfallen.
Ein solches Notizbuch kostet vielleicht zwischen 15 € und 30 €, aber glaub mir, die Investition in etwas, das man gerne in die Hand nimmt, lohnt sich immer.
Ein europäisches Phänomen: Nicht nur in England wurde gesammelt
Dieses Bestreben, die eigene Sprache komplett zu erfassen, war damals übrigens total en vogue. In Deutschland gab es ein ganz ähnliches Mammutprojekt, das von berühmten Sprachforschern ins Leben gerufen wurde. Es begann sogar einige Jahrzehnte früher als das englische Pendant und zog sich ebenfalls über mehrere Generationen hinweg, bis es vollendet war. Die Herausforderungen waren verblüffend ähnlich: riesige Materialmengen, ständige Geldnot und eine Arbeit, die das Leben mehrerer Gelehrter verschlang. Am Ende umfasste allein die englische Erstausgabe 10 Bände mit über 15.000 Seiten – ein ganzes Regal voller Wissen und Arbeit.

So schützt du deine eigenen Buchschätze
Als Handwerker ist mir Sicherheit natürlich wichtig. Die Arbeit damals war voller Gefahren – von der Brandgefahr in der mit Papier vollgestopften Baracke bis zu den giftigen Bleidämpfen. Aber auch du kannst etwas tun, um deine Bücher zu schützen. Hier mal drei absolute Todsünden für alte Bücher, die ich immer wieder sehe:
- Der feuchte Keller: Die Todesfalle Nummer eins! Schimmel liebt das und zerfrisst Papier und Leim. Bücher gehören an einen trockenen, gleichmäßig temperierten Ort.
- Direkte Sonne auf dem Regal: Bleicht die Buchrücken komplett aus und macht das Material spröde. Sieht nicht nur hässlich aus, sondern schadet dem Einband massiv.
- Reparaturen mit Tesa: BITTE NICHT! Normales Klebeband enthält Säuren, die das Papier über die Jahre regelrecht zerfressen und hässliche, irreversible Flecken hinterlassen. Für Reparaturen gibt es spezielles, säurefreies Filmoplast, z. B. von Neschen, das man im gut sortierten Bastel- oder Künstlerbedarf bekommt.
Fazit: Ein Denkmal aus Arbeit und Leidenschaft
Der Film ist eine Tür. Wenn man sie aufstößt, blickt man in die faszinierende Welt der Sprachgeschichte. Aber erst, wenn man durchgeht und sich in der Werkstatt dahinter umsieht, begreift man das wahre Ausmaß. Das Oxford English Dictionary ist so viel mehr als eine Sammlung von Wörtern. Es ist ein Denkmal für menschliche Neugier, Ausdauer und Handwerkskunst.
Wenn du das nächste Mal ein altes, gebundenes Buch in die Hand nimmst, halte einen Moment inne. Fühle sein Gewicht. Streiche über das Papier. In jedem dieser Bücher steckt eine Geschichte, die weit über die gedruckten Worte hinausgeht. Es ist die Geschichte von unzähligen Händen, die mit Wissen und Kraft etwas Bleibendes schaffen wollten. Und dieses Wörterbuch ist vielleicht das größte Zeugnis dafür.
