Gut gezimmert oder grober Unfug? Eine kleine Anleitung für die Serie ‚Good Omens‘

Satanismus oder genialer Humor? Entdecke die skurrile Kontroverse um „Good Omens“ und warum eine Petition gegen den Streaming-Hit ins Leere lief.

von Dagmar Brocken

In meiner Werkstatt gibt es eine goldene Regel, die ich jedem mit auf den Weg gebe: „Schau genau hin. Versteh das Holz, bevor du die Säge ansetzt.“ Ein gutes Werkstück, egal ob aus Holz, Metall oder eben aus Worten, hat immer einen Plan. Eine innere Logik. Wer da nur auf die Lackierung schaut, verpasst die Maserung. Und ganz ehrlich, genau dieses Gefühl beschleicht mich, wenn ich an die ganze Aufregung um die Serie „Good Omens“ denke.

Stellt euch vor: Da zimmern zwei absolute Meister ihres Fachs eine Geschichte zusammen, und kaum ist sie draußen, gibt es eine Petition, die das Ganze verbieten will. Tausende Menschen, die rufen: „Das ist gefährlich!“ Da musste ich als alter Handwerker einfach genauer hinschauen. Nicht als Theologe, das ist nicht mein Metier. Sondern als jemand, der versteht, wie gute Konstruktionen funktionieren. Und eine gute Geschichte, mein lieber Scholli, ist eine der feinsten Konstruktionen überhaupt.

Worum geht’s hier eigentlich? Das Fundament der Geschichte

Bevor wir über angebliche Risse im Lack sprechen, lass uns mal das Fundament checken. Woraus ist „Good Omens“ gebaut? Im Kern geht es um zwei Gestalten, die unterschiedlicher nicht sein könnten: ein Engel, der alte Bücher und gutes Essen liebt, und ein Dämon, der auf schnelle Autos und Rockmusik steht. Seit Jahrtausenden sind sie die Vertreter ihrer jeweiligen „Chefetagen“ auf der Erde.

Good Omens, die neue Serie von Amazon Prime Original über Engel und Dämon

Das Problem? Sie haben sich an diesen Planeten gewöhnt. Sie mögen ihn. Als also die Apokalypse droht, sind sie sich einig: Das Ende der Welt ist schlecht fürs Geschäft und, was noch wichtiger ist, für ihre ungewöhnliche Freundschaft. Also beschließen sie, den Weltuntergang gemeinsam zu verhindern.

Schon hier siehst du das Kernholz der Geschichte. Es geht nicht um Satanismus, wie manche behaupten. Das wäre viel zu billig. Das wahre Fundament ist die Frage nach dem freien Willen. Müssen wir die Rolle spielen, die uns zugewiesen wurde? Ist ein Engel immer gut und ein Dämon immer schlecht? Die Schöpfer stellen hier die ultimative Bürokratie infrage: den großen, göttlichen Plan. Aber nicht, um sich über Gott lustig zu machen, sondern um uns Menschen zu feiern – mit unserer chaotischen, unberechenbaren und oft wunderbaren Fähigkeit, unser eigenes Ding zu machen.

Übrigens, falls du die beiden kreativen Köpfe dahinter nicht kennst: Der eine ist berühmt für seine fantastische Welt, die auf dem Rücken von vier Elefanten reist, die auf einer riesigen Schildkröte stehen. Der andere ist ein Meister düsterer, traumhafter Mythen über alte und neue Götter. Man merkt also, die kommen aus einer Werkstatt, in der Fantasie und Tiefgang Hand in Hand gehen.

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Die Werkzeuge der Meister: Humor und Satire als feine Klingen

Ein guter Handwerker wählt sein Werkzeug mit Bedacht. Fürs Grobe die Axt, für feine Details den Schnitzbeitel. Die Macher dieser Geschichte sind Meister des feinen Werkzeugs. Ihre wichtigsten Instrumente sind Humor und Satire – und das sind keine stumpfen Hämmer, sondern rasiermesserscharfe Klingen.

  • Humor als Lösungsmittel: In „Good Omens“ wird viel gelacht. Der Humor bricht die festgefahrenen, ehrfurchtigen Bilder von Himmel und Hölle auf. Die Engel? Eine himmlische Verwaltung mit endlosen Meetings. Die Dämonen? Eine höllische Bürokratie, die in Papierkram erstickt. Dieser Kniff nimmt den großen, furchteinflößenden Konzepten den Schrecken und erlaubt es uns, darüber nachzudenken, ohne sofort in Angst zu erstarren. Ein alter Trick in der Erzählkunst: Bring die Leute zum Lachen, dann öffnen sie auch ihren Verstand.

  • Satire als Spiegel: Die Satire zielt nicht auf den Glauben an sich, sondern auf die menschliche Organisation davon. Himmel und Hölle werden wie zwei verfeindete Konzerne dargestellt, die so sehr mit ihrem „großen Plan“ beschäftigt sind, dass sie das Wichtigste vergessen haben: die Erde und die Menschheit. Das ist eine knallharte Kritik an Dogmatismus und an Leuten, die glauben, die alleinige Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Der Spiegel wird uns vorgehalten und fragt: Wie oft folgen wir blind Regeln, statt auf unser Herz zu hören?

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Wer diese Werkzeuge nicht erkennt, der sieht nur, dass an „heiligen“ Symbolen herumgesägt wird. Er merkt aber nicht, dass hier etwas Neues, Nachdenkliches und zutiefst Menschliches geschaffen wird.

Der Bauplan und die Statik: Wenn Gegensätze sich anziehen

Jede gute Konstruktion folgt einer inneren Logik. Bei „Good Omens“ ist es das Prinzip der Dualität und wie man sie überwindet. Gut gegen Böse, Himmel gegen Hölle, Ordnung gegen Chaos. Die ganze Geschichte arbeitet darauf hin, diese Gegensätze aufzulösen.

Der tragende Balken, der alles zusammenhält, ist die Freundschaft zwischen dem Engel und dem Dämon. Nach Jahrtausenden merken sie, dass sie mehr gemeinsam haben als das, was sie trennt. Das ist keine Propaganda, wie Kritiker meinten. Es ist eine tiefgründige Beobachtung über Beziehungen. Wir definieren uns eben nicht nur durch unsere Herkunft, sondern durch unsere Entscheidungen.

Die Statik der Geschichte ist klar: Extreme führen zur Zerstörung. Nur das Gleichgewicht, die Mitte, hält die Welt zusammen. Der junge Antichrist ist der beste Beweis. Er hat die Macht, alles zu vernichten, entscheidet sich aber für das Radikalste überhaupt: Er will einfach nur ein normaler Junge bleiben. Die Rettung liegt nicht im Sieg des Guten über das Böse, sondern darin, den ganzen Konflikt abzulehnen. Eine Absage an Extremismus jeder Art.

der Dämon und der Engel essen Eis in der Miniserie Good Omens, sie sind entsprechen in weiß und schwarz gekleidet

Die Kontroverse: Ein Riss im Material oder im Auge des Betrachters?

Kommen wir zur Petition. Zehntausende Unterschriften, weil die Serie angeblich Blasphemie sei. Als Handwerker nehme ich so eine Reklamation ernst. Wo soll der Fehler liegen?

Der Hauptvorwurf: Die Serie normalisiere das Böse. Hier wurde der Bauplan offensichtlich nicht mal überflogen. Die Serie macht sich nicht über Gott lustig, sondern über unsere Vorstellung von Gott und Teufel. Der Dämon tut oft mehr Gutes als mancher Engel. Es geht um moralische Komplexität. „Gut“ und „Böse“ sind eben keine simplen Etiketten.

Ein anderer Punkt war, dass die Stimme Gottes im Original von einer Frau gesprochen wird. Das wurde als respektlos empfunden. Aus handwerklicher Sicht ist das eine spannende Wahl. Vielleicht, um das Bild vom alten Mann mit Bart aufzubrechen? Um zu zeigen, dass das Göttliche jenseits menschlicher Kategorien wie Geschlecht existiert? Wer hier einen Angriff sieht, hat eine sehr starre Vorstellung davon, wie etwas zu sein hat. Jede Abweichung vom gewohnten Muster wird dann als Fehler gesehen.

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Der absolute Hammer war aber, dass die Petition an den falschen Streaming-Anbieter geschickt wurde. Produziert wurde die Serie von dem Dienst mit dem Lächeln im Logo, die Beschwerden gingen an den Konkurrenten. Das ist, als würde man sich über einen Tisch beschweren, ohne je daran gesessen zu haben oder auch nur den Namen des Tischlers zu kennen.

Bevor du loslegst: Buch lesen oder Serie schauen?

Das ist die Gretchenfrage, die sich jeder stellt. Meine ehrliche Meister-Meinung?

Lies zuerst das Buch! Es ist für rund 12 € als Taschenbuch in jeder guten Buchhandlung oder online zu finden. Der Grund: Das Buch hat eine einzigartige, witzige Erzählstimme mit genialen Fußnoten, die die Serie so gar nicht einfangen kann. Wenn du die gelesen hast, kannst du die Serie (die übrigens ca. 6 Stunden dauert) als eine Art visuelles Meisterstück genießen, das die Welt zum Leben erweckt. Machst du es andersherum, funktioniert es auch, aber du verpasst ein wenig von der Magie des Originals.

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Ach ja, für die, die lieber hören als lesen: Das Hörbuch ist auch fantastisch und oft für unter 20 € zu haben.

Werkbank-Notizen: Was in der Serie anders ist

Wenn du das Buch kennst, wirst du in der Serie ein paar Änderungen bemerken. Das ist kein Fehler, sondern eine bewusste Anpassung für das neue Medium. Die wichtigsten Unterschiede sind:

  • Mehr Himmel, mehr Hölle: Die Rollen der Erzengel und der Höllenfürsten wurden für die Serie stark ausgebaut. Das gibt dem Ganzen eine zusätzliche Ebene der himmlisch-höllischen Bürokratie, die im Buch nur angedeutet wird. Das macht die Welt noch runder.

  • Die Erzählweise: Die vielen Fußnoten und der allwissende Erzähler des Buches werden in der Serie durch die Stimme Gottes ersetzt. Das funktioniert erstaunlich gut, hat aber einen etwas anderen, direkteren Vibe.

  • Ein erweitertes Ende: Die Serie geht am Ende noch einen kleinen Schritt weiter als das Buch und zeigt uns ein bisschen mehr davon, was nach dem großen Finale mit unseren beiden Hauptfiguren passiert. Fühlt sich absolut richtig an und ist wie eine kleine, liebevolle Zugabe.

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Dein Gesellenstück: Ein paar Tipps für den Start

Ein gutes Werkzeug ist nur so gut wie die Hand, die es führt. Hier ein paar Tipps, damit du das Beste aus der Serie rausholst:

Kleiner Tipp für Eilige: Keine Zeit für 6 Stunden Serie? Schau dir nur die ersten 20 Minuten von Folge 3 an. Das ist eine brillante Zeitreise durch die 6000-jährige Freundschaft der beiden. Ein Meisterstück im Meisterstück, das dir sofort den Kern der Geschichte zeigt.

Eine Aufgabe für dich: Achte mal ganz bewusst auf die Musik, die im Auto des Dämons Crowley läuft. Fast jeder Song ist von Queen. Das ist kein Zufall, jeder Song hat eine Bedeutung! Was fällt dir auf? Das ist Handwerkskunst im Detail.

Wenig bekannter Trick: Um die Serie wirklich zu verstehen, nimm eine Szene und zerlege sie. Beispiel: das erste Treffen an der Mauer von Eden. Wer das wörtlich nimmt, schreit „Blasphemie!“. Wer aber das Werkzeug der Satire erkennt, sieht: Hier wird nicht die Bibel verspottet, sondern die absurde Situation aus menschlicher Perspektive beleuchtet. Es ist eine Einladung, zu hinterfragen.

der Dämon und der Engel essen Eis in der Miniserie Good Omens, sie sind entsprechen in weiß und schwarz gekleidet

Gut zu wissen: Die Serienadaption war übrigens der letzte Wunsch, den einer der beiden Schöpfer an den anderen richtete. Es war ein Vermächtnis. Wenn man das weiß, spürt man die Liebe und den Respekt in jeder Szene noch viel deutlicher.

Fazit des Meisters: Ein absolut solides Stück Arbeit

Also, ist „Good Omens“ nun gefährlich? Aus meiner Sicht ein klares Nein. Es ist ein intelligentes, witziges und zutiefst menschliches Stück Erzählkunst, gefertigt mit den feinsten Werkzeugen.

Die ganze Kontroverse entstand, weil der Bauplan nicht von allen gelesen oder verstanden wurde. Manche haben nur eine provokante Oberfläche gesehen und die stabile, humanistische Konstruktion dahinter übersehen. Das ist schade, mindert aber nicht die Qualität der Arbeit.

Ein gutes Möbelstück lädt zum Benutzen ein. Eine gute Geschichte lädt zum Denken ein. „Good Omens“ tut genau das. Es ist kein Dogma, sondern eine Frage. Und die beste Antwort darauf ist, selbst nachzudenken. Das ist die größte Ehre, die man einem Meisterwerk erweisen kann.

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Mehr als 20.000 Menschen unterschrieben eine Petition, um „Good Omens“ abzusetzen – und schickten sie an den falschen Streaming-Dienst: Netflix.

Dieser amüsante Fauxpas ist mehr als nur eine lustige Anekdote. Er spiegelt auf ironische Weise eines der Kernthemen der Serie wider: die Gefahr blinden Eifers und festgefahrener Bürokratie, die das eigentliche Ziel aus den Augen verliert. Während die Unterzeichner gegen eine vermeintliche Verherrlichung des Satanismus protestierten, verpassten sie nicht nur den wahren Kern der Geschichte – die Ode an Menschlichkeit und freien Willen –, sondern auch den richtigen Adressaten, Amazon Prime Video. Eine Panne, die fast aus der Feder von Gaiman und Pratchett selbst stammen könnte und beweist, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen, bevor man ein Urteil fällt.

Dagmar Brocken

Dagmar Brocken hat Medienwissenschaft in Bonn absolviert und innerhalb fünf Jahren ist Teil von bekannten deutschen Nachrichtenteams.