Grönland kaufen? Ein Ingenieur packt aus, warum das eine Schnapsidee ist

Grönland verkaufen? Ein Gedanke, der so absurd wie faszinierend ist – entdecken Sie die Hintergründe hinter Trumps kurioser Kaufabsicht!

von Dagmar Brocken

In meiner Laufbahn als Ingenieur habe ich schon an den verrücktesten Orten der Welt Großprojekte begleitet. Ich habe Fundamente in der Wüste geplant und Stollen durch massive Gebirge getrieben. Aber ganz ehrlich? Nichts ist vergleichbar mit der Arktis. Die Kälte, das ewige Eis, diese unglaubliche Abgeschiedenheit – die verzeihen dir keinen einzigen Fehler. Jede Schraube, jeder Kubikmeter Beton hat dort oben eine völlig andere Bedeutung.

Als also vor einiger Zeit diese Schlagzeile aufkam, Grönland zu kaufen, haben viele nur gelacht. Für mich war das aber weniger ein Witz als ein faszinierendes technisches Gedankenexperiment. Was würde es denn wirklich bedeuten, die Verantwortung für die größte Insel der Welt zu übernehmen? Nicht politisch, sondern ganz praktisch, aus Ingenieurssicht. Was liegt da eigentlich unter dem Eis? Wie zum Teufel baut man dort eine Straße? Und was sagen die Gesetze dazu?

Vergiss mal die wilden Zahlen und die politischen Spielchen. Ich will dir zeigen, was dieses Vorhaben aus der Sicht eines Praktikers bedeutet. Wir schauen uns das Fundament an, das hier aus Gesetzen besteht. Wir bohren uns gedanklich durch den dicken Eispanzer, um die geologische Realität zu verstehen. Und dann planen wir mal die Infrastruktur, die es bräuchte, um dieses Land überhaupt irgendwie zu nutzen. Das hier ist die Akte Grönland – nüchtern, ehrlich und auf Basis von Fakten.

Eine wunderbare Aussicht von Grönland

Das Fundament: Warum man ein Land nicht einfach in den Warenkorb legen kann

Bevor wir auch nur einen Spaten in die Hand nehmen, müssen wir über das Fundament reden. In meinem Job ist das Fundament alles. Wenn das nicht trägt, stürzt dir die ganze Bude ein. Im Fall von Grönland ist dieses Fundament das Gesetz. Und das ist, um im Bild zu bleiben, felsenfest.

Viele ziehen ja Vergleiche zu alten Landkäufen wie dem von Louisiana. Das ist ein grundlegendes Missverständnis der modernen Welt. Damals wurden riesige Gebiete wie Grundstücke behandelt. Heute sprechen wir über souveräne Völker und Nationen. Grönland ist kein leeres Stück Land, es ist die Heimat der Kalaallit, der grönländischen Inuit, mit einer eigenen Kultur, einer eigenen Sprache und einer eigenen Regierung.

Der Knackpunkt: Das Selbstverwaltungsgesetz

Die Beziehung zwischen Dänemark und Grönland ist ziemlich komplex. Grönland ist ein autonomer Teil des dänischen Königreichs. Die Grundlage dafür ist das „Lov om Grønlands Selvstyre“, das grönländische Selbstverwaltungsgesetz. Dieses Dokument habe ich mir oft angesehen, denn es legt die Spielregeln für jedes große Projekt in der Region fest. Und das ist keine Empfehlung, das ist geltendes Recht.

eine schöne Aussicht von Grönland, ein Gebirge und ein Fluss, Trump will das alles kaufen

Zwei Punkte daraus sind absolut entscheidend:

  1. Das grönländische Volk ist ein eigenständiges Völkerrechtssubjekt. Das bedeutet, es hat nach internationalem Recht ein Recht auf Selbstbestimmung. Man kann ein Volk nicht einfach verkaufen, Punkt.
  2. Die Verfügungsgewalt über alle Bodenschätze liegt bei Grönland. Die grönländische Regierung (die Naalakkersuisut) in der Hauptstadt Nuuk entscheidet, wer nach Rohstoffen suchen und sie abbauen darf. Die Einnahmen daraus fließen auch direkt nach Grönland.

Ein „Kauf“ Grönlands würde bedeuten, diese Gesetze zu brechen und die Rechte eines ganzen Volkes zu ignorieren. Völkerrechtlich undenkbar. Jede Verhandlung müsste also nicht nur mit Kopenhagen, sondern vor allem mit Nuuk geführt werden. Und die grönländische Regierung hat immer wieder klipp und klar gesagt: „Grönland steht nicht zum Verkauf.“ Das ist keine Verhandlungstaktik, das ist eine Feststellung ihrer Souveränität.

Ach ja, da wäre noch die Sache mit dem Geld…

Was viele bei der Diskussion vergessen: Grönland erhält jährlich einen beträchtlichen Zuschuss aus Dänemark, den sogenannten Blockzuschuss. Wir reden hier von über 500 Millionen Euro pro Jahr. Das ist ein riesiger Posten im grönländischen Haushalt. Ein potenzieller „Käufer“ würde also nicht nur Land erwerben, sondern auch die Verpflichtung, diesen jährlichen Scheck zu unterschreiben. Der Kaufpreis wäre also nur eine kleine Anzahlung auf eine ewige finanzielle Verpflichtung.

Grönlands Politik und Geographie

Die geologische Realität: Was wirklich unter dem Eis schlummert

Okay, nehmen wir mal an, die rechtlichen Hürden gäbe es nicht. Dann blicken wir auf den Boden – oder besser gesagt, auf das, was unter bis zu drei Kilometer dickem Eis verborgen ist. Die Schlagzeilen jubeln von „Billionenwerten“ an Rohstoffen. Als jemand, der täglich mit Geologen arbeitet, kann ich dir sagen: Solche Zahlen sind pures Marketing. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen einer geologischen Vermutung und einer nachgewiesenen, wirtschaftlich abbaubaren Reserve.

Geologisch ist Grönland tatsächlich ein Schatz. Der Untergrund besteht aus uraltem Gestein, das oft reich an Mineralien ist. Es gibt Hinweise auf Zink, Eisenerz, Gold, Kupfer und die heiß begehrten Seltenen Erden. Vor den Küsten vermutet man zudem Erdöl und Erdgas. Das Problem ist nur: Der grönländische Eisschild bedeckt rund 80 Prozent der Insel. Dieses Eis bewegt sich, es hat Spalten, es übt einen irren Druck aus.

Klimawandel – der zweischneidige Helfer?

Die Schönheit von Grönland aus dem All betrachtet

Jetzt könnte man denken: Super, der Klimawandel lässt das Eis schmelzen, dann kommen wir ja leichter an die Schätze ran! Das ist die große Hoffnung der Spekulanten. In der Praxis ist das aber ein zweischneidiges Schwert. Ja, eisfreie Flächen werden größer, aber der Boden darunter, der bisherige Permafrost, taut auf und wird zu einem instabilen, matschigen Untergrund. Stell dir vor, du baust eine Mine auf einem Fundament, das langsam wegschmilzt. Ein Albtraum für jeden Statiker.

Von der Vermutung zur Mine: Ein langer, teurer Weg

Einen Rohstoff wirklich abzubauen, ist ein brutaler Prozess. Ein Kollege aus der Explorationsbranche hat es mal so auf den Punkt gebracht: „Wir bohren 100 Löcher, um eine Anomalie zu finden. Wir untersuchen 100 Anomalien, um ein Vorkommen zu finden. Und wir prüfen 100 Vorkommen, um eine einzige wirtschaftliche Mine zu finden.“

Jedes Bohrloch, das du in diese abgelegenen Gebiete fliegst und hunderte Meter tief treibst, kann dich schnell Hunderttausende Euro kosten. Der logistische Aufwand ist gigantisch. Alles – von der Bohrausrüstung bis zum Essen für die Crew – muss per Hubschrauber eingeflogen werden. Erst wenn du Dutzende solcher Bohrungen hast und eine positive Machbarkeitsstudie von Ingenieuren wie mir vorliegt, sprichst du von einer echten Reserve. Die „Billionenwerte“ in den Medien? Reine Spekulation.

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Die Infrastruktur: Eine Insel ohne Straßen und die Milliarden-Rechnung

Stellen wir uns mal vor, wir hätten die Erlaubnis und eine nachgewiesene Mine gefunden. Wie bekommen wir das Zeug jetzt vom Fleck? Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit für uns Ingenieure. Und die ist, gelinde gesagt, gewaltig.

Grönland hat praktisch kein Straßennetz, das die Siedlungen verbindet. Verkehr findet per Schiff oder Flugzeug statt. Eine Mine im Landesinneren bedeutet, du musst eine komplette Infrastruktur aus dem Nichts erschaffen.

Die Einkaufsliste eines Ingenieurs (auf eine Serviette gekritzelt):

  • Transport: Wir brauchen eine Schwerlaststraße oder eine kleine Bahnlinie zur Küste, sagen wir mal 100 Kilometer durch arktisches Gelände. Wegen des auftauenden Permafrosts muss man auf massiven Schotterdämmen oder sogar auf Stelzen bauen. Kostenpunkt? Rechne mal locker mit 300-500 Millionen Euro.
  • Hafen: An der Küste brauchst du einen neuen Tiefwasserhafen, der auch im Winter eisfrei gehalten werden kann. Mit Kränen, Lagerflächen und allem Drum und Dran. Nochmal etwa 400-600 Millionen Euro.
  • Energie: So eine Mine verbraucht Strom wie eine Kleinstadt. Dieselgeneratoren sind eine Option, aber den Treibstoff musst du teuer per Schiff anliefern. Ein kleines, lokales Kraftwerk wäre besser. Plane mal 150-250 Millionen Euro ein.
  • Unterkünfte: Für Tausende Arbeiter musst du eine komplette Siedlung bauen. Mit Wohnungen, Kantine, kleiner Klinik. Alles Material wird importiert. Das sind schnell weitere 200-300 Millionen Euro.

Wir sind hier schon bei weit über einer Milliarde Euro. Und das ist nur für EINE EINZIGE Mine. Die in der Presse genannten Kaufpreise sind im Vergleich dazu fast schon ein Trinkgeld. Man kauft nicht nur Land, man kauft die Verpflichtung, unvorstellbare Summen zu investieren, nur um die vermuteten Schätze überhaupt erreichbar zu machen.

Die Auswirkungen des Klimawandels in Grönland

Der Faktor Mensch: Mehr als nur Eis und Felsen

Ein Projekt besteht nie nur aus Beton und Stahl. Es betrifft immer Menschen und ihre Umwelt. In Grönland ist diese Verbindung existenziell. Das Land, das Meer und das Eis sind die Lebensgrundlage und das kulturelle Erbe der Grönländer. Das zu ignorieren, ist nicht nur respektlos, es führt garantiert zum Scheitern.

Ich habe gelernt: Ohne die Zustimmung der lokalen Bevölkerung – die „Social License to Operate“ – geht gar nichts. Du kannst die besten Ingenieure und das meiste Geld haben; wenn die Menschen vor Ort dein Projekt nicht wollen, ist es tot. Ich saß mal in so einer Gemeindeanhörung in einer kleinen Siedlung. Es roch nach starkem Kaffee, und ein alter Fischer stand auf. Der hatte keine PowerPoint-Präsentation. Er rollte eine handgezeichnete Karte der Jagdgründe seiner Familie aus und zeigte uns mit dem Finger ganz genau, wo unsere geplante Straße seine Robbenpopulation stören würde. In diesem Moment wird dir klar, dass du nicht auf einer leeren Landkarte planst, sondern im Wohnzimmer von jemandem.

Grönland ist von Eis bedeckt, die Insel befindet sich in der Nähe von dem Nordpol
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Gut zu wissen: Worum geht’s bei den „Seltenen Erden“?
Wenn du von Seltenen Erden hörst, denk an dein Smartphone, an Windräder oder an die Batterien von E-Autos. Diese Metalle sind für unsere moderne Technologie absolut entscheidend. Der Haken? Ein Großteil der weltweiten Produktion wird von China kontrolliert. Deshalb ist die Gier nach neuen, unabhängigen Quellen wie denen in Grönland so riesig. Es ist pure Geopolitik.

Ein perfektes Beispiel für diesen Konflikt ist das Minenprojekt Kvanefjeld im Süden Grönlands. Dort liegt eines der größten Vorkommen an Seltenen Erden – aber eben auch Uran. Nach jahrelangem Streit hat die grönländische Regierung nach einer Wahl, bei der das Thema entscheidend war, den Uranabbau schlicht verboten. Projekt gestoppt. Das zeigt: Am Ende entscheidet das grönländische Volk, was in seinem Land passiert.

Fazit: Partnerschaft statt Besitzurkunde

Wenn wir alle Teile zusammensetzen – das rechtliche Fundament, die geologischen Realitäten, die irren Infrastrukturkosten und die menschliche Dimension –, wird eines sonnenklar: Die Idee, Grönland zu „kaufen“, ist ein Gedankenspiel, das an der knallharten Realität zerschellt.

Eis in Grönland schmilzt, bald treffen wir eine Naturkatastrophe, will Trump das kaufen

Es ist rechtlich unmöglich, wirtschaftlich ein Fass ohne Boden und ignoriert die Verantwortung für eine einzigartige Kultur und ein extrem fragiles Ökosystem.

In meinem Beruf lernst du eine harte Lektion: Du kannst die Physik, die Geologie und das Recht nicht austricksen. Du musst mit ihnen arbeiten. Der wahre Wert Grönlands liegt nicht in einem Fantasie-Kaufpreis, sondern im Potenzial für eine Partnerschaft. Nationen, die an den arktischen Möglichkeiten interessiert sind, werden als Investoren und Partner auftreten müssen, nicht als Käufer. Sie werden sich an die Gesetze halten und die Autonomie Grönlands respektieren. Jeder andere Weg ist eine Sackgasse. Das ist keine politische Meinung. Das ist eine technische und menschliche Tatsache.

Bildergalerie

blauer Himmel, kleine Häuser in Grünland an der Meeresküste, sehr schöne Aussicht
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Was ist eigentlich Permafrost und warum fürchten ihn Ingenieure mehr als jeden arktischen Sturm?

Permafrost ist weit mehr als nur gefrorener Boden. Es ist ein über Jahrtausende gefrorenes Gemisch aus Gestein, Sediment und Eis. Das Problem ist nicht die Kälte, sondern die Wärme. Jedes Gebäude, jede Straße und jede Pipeline gibt Wärme an den Untergrund ab. Dadurch taut die oberste Schicht des Permafrosts auf und verwandelt sich in einen instabilen, schlammigen Brei. Fundamente sacken ab, Pisten bekommen Risse, ganze Strukturen können kollabieren. Die klassische Ingenieurslösung? Man baut auf Stelzen. Tiefe Beton- oder Stahlpfähle werden durch die aktive Tauschicht bis in den stabilen, dauerhaft gefrorenen Kern getrieben, um das Bauwerk buchstäblich vom Boden zu entkoppeln.

Dagmar Brocken

Dagmar Brocken hat Medienwissenschaft in Bonn absolviert und innerhalb fünf Jahren ist Teil von bekannten deutschen Nachrichtenteams.