15 Millionen pro Folge? Ein Kulissenbauer packt aus, wo die Kohle wirklich landet.

Blindheit kann befreien, oder? Entdecke die faszinierende Welt von „See“ und erlebe, wie Licht zum gefährlichsten Gut wird.

von Michael von Adelhard

In meiner Werkstatt riecht es eigentlich immer gleich: nach frischem Holz, Leim und oft auch nach diesem scharfen Geruch von Metall, das gerade geschnitten wird. Seit einer gefühlten Ewigkeit baue ich Kulissen, mal für kleine Theater, mal für riesige Filmproduktionen. Und immer wieder kommt diese Frage auf, wenn Leute hören, dass eine einzige Folge einer Serie wie „See“ mal eben 15 Millionen Dollar verschlingt. Die meisten schütteln da nur den Kopf und sehen eine absurde Zahl.

Ganz ehrlich? Ich sehe da was völlig anderes. Ich sehe die unzähligen Arbeitsstunden, die LKW-Ladungen an Material und die logistischen Albträume, die dahinterstecken. Das ist kein Geld, das einfach so verbrannt wird. Es ist der Preis für den Versuch, eine komplett neue Welt aus dem Nichts zu erschaffen. Und genau das will ich euch heute mal zeigen – nicht als Filmkritiker, sondern als Handwerker, der mit den Händen in der Materie steckt. Lasst uns mal schauen, wo jeder dieser Dollars wirklich hingeflossen ist.

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Das Fundament: Wenn die Logik alles diktiert

Bevor wir auch nur ein einziges Brett zuschneiden, brauchen wir ein solides Fundament. Bei einem Haus ist das die Statik. Bei einer Serie wie dieser ist es die innere Logik ihrer Welt. Die Grundidee klingt erstmal simpel: Fast alle Menschen sind blind. Aber Moment mal… das ändert ja buchstäblich ALLES.

Unsere Welt, unsere Häuser, unsere Werkzeuge – alles ist für Sehende gemacht. Man kann also nicht einfach bestehende Requisiten nehmen und so tun, als ob. Das wäre faul und würde am Ende einfach nur peinlich aussehen. Die Profis mussten sich also ganz grundlegende Fragen stellen: Wie navigieren Menschen ohne Sicht? Wie kämpfen sie? Wie erkennen sie Freund von Feind? Die Antwort der Serie ist eine Welt, die komplett auf Tastsinn, Gehör und Geruch aufbaut. Seile werden zu Leitsystemen in Dörfern, Knoten übermitteln Nachrichten, und die Kleidung hat unterschiedliche Texturen, um Zugehörigkeit zu signalisieren.

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Das zu verstehen, ist der Schlüssel. Es erklärt, warum man nicht einfach in einem x-beliebigen Dorf oder einer alten Burg drehen konnte. Jedes Gebäude, jeder Pfad, jedes Werkzeug musste neu gedacht und gebaut werden. Und BÄM, da haben wir schon den ersten riesigen Kostenfaktor. Du kaufst keine Kulisse, du erschaffst eine Zivilisation von Grund auf. Einem Lehrling würde ich sagen: „Vergiss, wie es aussieht. Frag dich, wie es sich anfühlt und wie es klingt.“

Ein Blick in die Werkstatt: So entsteht eine Welt

Stehen die Pläne, geht die echte Arbeit los. Und hier wird es richtig, richtig teuer. Stellt euch das wie ein riesiges Uhrwerk vor, in dem Dutzende Gewerke perfekt ineinandergreifen müssen.

Das Szenenbild: Weit mehr als nur Pappe

Die Dörfer in so einer Produktion sind keine Fassaden aus Pappmaché. Hier wurde mit echten, massiven Materialien gearbeitet. Tonnen von Holz, Stein und Erde. Die Herausforderung war, alles so zu bauen, dass es nicht nur alt und verwittert aussieht, sondern auch der Logik der Blinden dient. Oberflächen mussten spannend tastbar sein, Wege mussten akustisch Sinn ergeben – ein Echo an der richtigen Stelle konnte ein Navigationspunkt sein.

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Allein die Materialkosten für ein Hauptdorf dürften sich schnell im Bereich eines kleinen Einfamilienhauses bewegen. Wir reden hier locker von 300.000 bis 500.000 Euro, und das nur für das Holz, die Schrauben und den Leim, ohne eine einzige Arbeitsstunde bezahlt zu haben.

Die hohe Kunst dabei ist das „Patinieren“ – das künstliche Altern. Das ist nicht einfach nur ein bisschen braune Farbe draufsprühen. Es ist ein mühsamer Prozess mit vielen Schichten: Dreck, Rost, Moos, Abnutzung. Man nimmt Drahtbürsten, Beizen, manchmal sogar Brenner, um dem Holz die richtige Struktur zu geben. Diese Arbeit braucht Zeit und sehr erfahrene Leute. Hunderte Handwerker arbeiten monatelang an einer einzigen Kulisse. Klar, dass das ins Geld geht.

Kleiner Meister-Tipp für die Werkbank daheim:
Willst du selbst mal ein olles Fichtenbrett aus dem Baumarkt (kostet ca. 5-10 Euro) wie 100 Jahre altes Holz aussehen lassen? Ganz einfach:

  • Schritt 1: Misshandeln! Bearbeite das Holz mit allem, was du findest: Schlage mit einer Kette drauf, kratze mit einer Drahtbürste, stich mit einem Schraubenzieher hinein. Das erzeugt die Spuren eines langen Lebens.
  • Schritt 2: Beizen. Mische starken, schwarzen Kaffee oder schwarzen Tee an und pinsle das Holz damit satt ein. Nach dem Trocknen reagiert das mit einer selbstgemachten Lösung aus Essig und Stahlwolle (einfach ein Stück Stahlwolle ein paar Tage in Essig legen). Das Ergebnis ist eine sofortige, unregelmäßige Graufärbung.
  • Schritt 3: Das Finish. Reibe das trockene Holz mit dunkler Schuhcreme oder Wachs ein und poliere die überschüssige Paste mit einem Lappen wieder ab. So bleiben die dunklen Pigmente nur in den Vertiefungen hängen. Fertig ist dein „antikes“ Brett!
szene aus der ersten serie von apple namens see mit dem schauspieler jason momoa, ein stamm mit vielen menschen, wald mit bäumen

Das Kostüm: Fühlen statt Sehen

Beim Kostüm gilt dasselbe Prinzip. In unserer Welt ist Farbe wichtig. In der Welt der Blinden ist Textur alles. Die Kostümabteilung musste Stoffe finden, die eine Geschichte erzählen, die man fühlen kann: grobes Leinen, schweres Leder, weiches Fell, raue Wolle. Und die Kleidung musste extrem robust sein. In den Actionszenen wird gerannt, gerollt und geklettert. Ein Kostüm, das nach einem Drehtag auseinanderfällt, ist nutzlos. Da werden für die Hauptdarsteller und hunderte Statisten unzählige Garnituren gefertigt – eine Mammutaufgabe für jede Schneiderei.

Die unsichtbaren Helfer: Berater und Trainer

Ein Punkt, der oft übersehen wird, ist die Expertise von außen. Die Produktion hat blinde und sehbehinderte Berater engagiert. Das war keine nette Geste, sondern eine absolute Notwendigkeit. Diese Experten haben den Schauspielern gezeigt, wie man sich ohne Augenlicht bewegt, wie man den Stock benutzt und auf Geräusche achtet. Das ist nichts, was man an einem Nachmittag lernt, das sind Wochen an anstrengendem Training.

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Probier’s mal selbst aus: Schließ für fünf Minuten die Augen und versuch, nur mit den Ohren und Händen durch deine eigene Wohnung zu navigieren. Hol dir ein Glas Wasser aus der Küche. Du wirst schnell merken, was für eine immense Herausforderung das ist und warum professionelle Beratung hier Gold wert ist.

Der Drehort: Epische Bilder haben ihren Preis

Die Wahl des Drehorts fiel auf die Wildnis von British Columbia in Kanada. Die Bilder sprechen für sich: schroffe Berge, dichte Wälder, reißende Flüsse. Das kannst du in keinem Studio der Welt nachbauen. Doch diese Entscheidung hat einen sehr, sehr hohen Preis.

In der Branche nennen wir das „logistische Herausforderungen“ – eine höfliche Umschreibung für einen Albtraum. An diesen Orten gibt es: nichts. Keinen Strom, keine Straßen, keine Hotels. Alles muss dorthin geschafft werden. Hunderte Crew-Mitglieder, Tonnen an Kameras, Licht, Generatoren und Baumaterial. Ich erinnere mich an eine Produktion in den Alpen, da mussten wir allein für die Miete von Pistenraupen zum Materialtransport 80.000 Euro einplanen. Das ist der Preis für ein einziges, episches Bild.

apple tv serie, schwarzer bildschirm mit dem zeichen von apple darauf und tv zeichen

Vergleichen wir das mal kurz. Ein Dreh in einem Studio wie Babelsberg bei Potsdam ist quasi ein Spaziergang. Du hast Werkstätten, Strom, Hotels, alles vor der Tür. Dafür sind die Kosten für Miete und Betrieb hoch, und du musst auf die raue Echtheit der Natur verzichten. Draußen in der Wildnis ist es genau umgekehrt: Die Location selbst kostet vielleicht wenig Miete, aber die Logistik, um dort überhaupt arbeiten zu können, frisst riesige Summen. Das Wetterrisiko ist enorm – jeder Tag, an dem wegen Regens nicht gedreht werden kann, kostet trotzdem Hunderttausende, weil die gesamte Crew und Technik bezahlt werden muss.

Die Realität des Budgets: Eine grobe Aufteilung

Okay, zerlegen wir die 15 Millionen mal grob, basierend auf meiner Erfahrung. Das ist keine exakte Buchhaltung, aber es gibt dir ein Gefühl für die Dimensionen:

  • Gagen für Stars & Kreative (ca. 20-25%): Klar, die bekannten Hauptdarsteller, Regisseure und Autoren kosten eine Stange Geld. Das ist der „Above-the-Line“-Anteil, aber er macht eben nicht den Löwenanteil aus.
  • Szenenbild & Bauten (ca. 20-25%): Hier steckt das Handwerk drin. Der Bau der Dörfer, Requisiten, Material, die Löhne für hunderte von Handwerkern über Monate.
  • Logistik & Location (ca. 15-20%): Das ist der „Preis der Wildnis“. Transport, Unterbringung, Sicherheit, Genehmigungen, Verpflegung. Dieser Posten kann bei schlechtem Wetter explodieren.
  • Stunts & Spezialeffekte (ca. 10-15%): Aufwendige Kämpfe, Stunt-Teams, Sicherheits-Rigs und visuelle Effekte, um Landschaften zu erweitern oder gefährliche Aktionen abzusichern.
  • Crew & Technik (ca. 15%): Hunderte Spezialisten hinter der Kamera: Kameraleute, Tontechniker, Beleuchter, Maskenbildner und viele mehr, plus die Miete für sündhaft teures Equipment.
  • Der Rest (ca. 5-10%): Postproduktion (Schnitt, Sound, Musik), Versicherung, Verwaltung und die bereits erwähnten Berater und Trainer.

Man hätte sparen können, klar. Im Studio drehen, weniger Details, keine Berater. Aber dann wäre es eben nicht mehr diese Serie gewesen. Die Vision wäre futsch.

Für Kenner: Die unsichtbaren Details, die den Unterschied machen

Es gibt Dinge, die ein Laie kaum bemerkt, die für uns Fachleute aber die Qualität ausmachen.

Da wäre zum Beispiel das Sounddesign. In einer Serie über Blindheit ist der Ton nicht nur Deko, er ist die halbe Miete. Jeder Schritt, jedes Rascheln im Laub, jedes Knacken hat eine Bedeutung. Der Ton schafft den Raum. Daran sitzen Tonmeister wochenlang und schichten hunderte Tonspuren übereinander.

Hättest du’s gewusst? Viele Geräusche im Film sind Fake. Das furchteinflößende Knacken von Knochen in einem Kampf wird oft mit Selleriestangen erzeugt, die man direkt vor einem Mikrofon bricht. Klingt irre, funktioniert aber perfekt!

Auch die Kampfszenen sind ein Kunstwerk. Die Choreografen mussten ein komplett neues Kampfsystem entwickeln, das auf Gehör und Antizipation beruht. Jeder Kampf ist wie ein brutales Ballett, das wochenlang geprobt wird.

Sicherheit am Set: Das oberste Gebot

Bei all dem Gerede über Geld darf man eines nie vergessen: die Sicherheit der Menschen. Ein Drehort in der Wildnis ist voller Gefahren. Unebenes, rutschiges Gelände, die Gefahr von Stürzen, ganz zu schweigen von den Stunts. In Deutschland gibt es dafür strenge Vorschriften von der Berufsgenossenschaft, und international ist das nicht anders. Rutschfeste Schuhe für alle, Absperrungen und eine ständige medizinische Versorgung sind das absolute Minimum.

Und dann ist da noch die Natur selbst. In British Columbia gibt es Bären. Kein Witz. Die Sets mussten von professionellen Wildhütern gesichert werden. Was ihr da seht, ist das Ergebnis der Arbeit von Profis unter strengsten Vorkehrungen. Versucht sowas niemals selbst nachzumachen!

Kleiner Tipp: Sucht einfach mal auf YouTube nach „Behind the Scenes Stunts“ oder „Movie Stunt Safety“. Da seht ihr schnell, wie viel Aufwand und Absicherung hinter einer einzigen Actionszene steckt.

Und was passiert eigentlich mit den Kulissen nach dem Dreh?

Ah, eine meiner Lieblingsfragen! Was passiert mit all den teuren Dörfern und Bauten? Die Antwort ist leider nicht ganz so glamourös. Es gibt im Grunde drei Möglichkeiten:

  1. Einlagern: Wenn eine weitere Staffel wahrscheinlich ist, werden die wichtigsten und transportablen Kulissenteile sorgfältig demontiert, katalogisiert und in riesigen Lagerhallen verstaut. Das ist teuer, aber immer noch billiger, als alles neu zu bauen.
  2. Recycling: Oft werden die Sets einfach abgerissen. Das Holz, Metall und andere Rohstoffe werden so gut es geht getrennt und recycelt. Manchmal kaufen auch andere, kleinere Produktionen Teile der Kulissen auf, um sie für ihre eigenen Zwecke umzubauen.
  3. Rückbau: Besonders bei Drehs in Naturschutzgebieten ist die oberste Regel: Hinterlasse den Ort so, wie du ihn vorgefunden hast. Hier wird alles bis zur letzten Schraube abgebaut und die Landschaft wird renaturiert. Das ist ein riesiger Aufwand, der ebenfalls fest im Budget eingeplant ist.

Einfach stehen lassen und verrotten lassen? Das geht fast nie, schon allein aus umwelt- und sicherheitstechnischen Gründen.

Fazit des Meisters: Eine kalkulierte Investition

Wenn ich am Ende auf so eine Produktion schaue, sehe ich keine Geldverschwendung. Ich sehe eine gewaltige Demonstration von handwerklichem Können. Die 15 Millionen pro Folge sind der Preis für eine Welt, die mit seltener Kompromisslosigkeit erschaffen wurde.

Man muss auch verstehen, dass so eine Serie für einen Streamingdienst wie Apple ein „Vorzeigeprojekt“ war. Eine riesige Werbetafel, auf der stand: „Seht her, wir können mit den Großen mithalten. Wir sparen nicht an Qualität.“ Das Budget ist also auch eine Marketing-Investition.

Meinen Lehrlingen sage ich immer: Das Budget ist nicht das Ziel, es ist das Werkzeug. Das Ziel ist die bestmögliche Arbeit. Und das Handwerk, das hier in jeder einzelnen Einstellung steckt, verdient Respekt. Es zeigt, was möglich ist, wenn Vision, Geld und handwerkliche Exzellenz zusammenkommen.

Michael von Adelhard

Michael von Adelhard ist 31 Jahre alt. Er arbeitet seit vielen Jahren als Journalist für einige der erfolgreichsten Nachrichten-Portale Deutschlands. Autor vieler Bücher und wissenschaftlicher Publikationen zum Thema «Einfluss sozialer Medien auf Jugendliche«. Schreibt über Themen wie Lifestyle, Umweltschutz, sowie Tech and Gadgets. In seiner Freizeit ist er häufig mit dem Fahrrad unterwegs – so schöpft er Inspiration für seine neuen Artikel.