Was ein Musical-Ticket wirklich kostet: Ein ehrlicher Blick hinter den Vorhang

Ein Musical über die Sehnsucht nach Land – eine magische Reise, die das Herz berührt und die Fantasie beflügelt. Lass dich mitreißen!

von Dagmar Brocken

Seit Jahrzehnten stehe ich auf und hinter den Bühnen deutscher Theater. Mein Name ist unwichtig, aber was ich tue, zählt: Ich bin Bühnenmeister. Mein Job ist es, Illusionen zu bauen – und vor allem dafür zu sorgen, dass dabei niemand zu Schaden kommt. Wenn der Vorhang hochfährt und das Publikum in eine andere Welt versinkt, sehe ich nicht nur die Magie. Ich sehe die massiven Stahlträger, die hunderte Kilo Scheinwerfer über den Köpfen aller halten. Ich höre das leise Surren der Motoren, die ganze Welten bewegen. Und ganz ehrlich? Ich kenne auch die Zahlen, die diesen ganzen Zauber erst möglich machen.

Viele Leute sehen die Ticketpreise für ein großes Musical, sagen wir mal sowas wie „Die kleine Meerjungfrau“, und schlucken erst mal. Verständlich. Aber die Antwort auf die Frage „Warum so teuer?“ ist vielschichtiger als nur die Gagen der Darsteller. Es ist ein gewaltiges Räderwerk aus Technik, Handwerk, Lizenzen und unzähligen Arbeitsstunden. Kommen Sie mit, ich nehme Sie mit auf eine kleine Reise in den Maschinenraum des Theaters. Kein Hochglanzprospekt, sondern ein ehrlicher Blick auf das, was es wirklich bedeutet, so eine Show auf die Beine zu stellen.

ein Poster von The Little Mermaid von Disney, ein erfolgreicher und beliebter Film

1. Das unsichtbare Fundament: Lizenzen und strenge Regeln

Jede große Show beginnt nicht mit einem Bühnenbild, sondern mit einem dicken Vertrag. Man kann nicht einfach beschließen, ein weltbekanntes Musical auf die Bühne zu bringen. Die Rechte dafür müssen erst mal teuer erworben werden. Das ist der erste riesige Kostenblock, lange bevor auch nur ein Nagel krumm geschlagen wird.

Übrigens, diese Lizenzgebühren sind oft ein prozentualer Anteil der Ticketeinnahmen. Man spricht hier von 8 bis 12 % vom Brutto. Das bedeutet: Von einem 100-Euro-Ticket gehen direkt mal 10 bis 12 Euro an die Rechteinhaber. Für jede einzelne verkaufte Karte. Aber es geht nicht nur ums Geld. Die Lizenzgeber haben meistens sehr genaue Vorstellungen. Sie liefern eine Art „Bibel“ für die Inszenierung, in der fast alles festgelegt ist: wie die Figuren aussehen, wie Schlüsselszenen umgesetzt werden müssen und welches Bühnenbild erwartet wird. Kreative Freiheit? Die gibt es nur in einem sehr, sehr engen Rahmen. Ich hab’s selbst erlebt, dass wir Fotos von Kostümentwürfen zur Freigabe bis nach Amerika schicken mussten.

The Little Mermaid ist von einer schönen Schauspielerin dargestellt, eine schöne gelbe Blume

Dazu kommen dann noch die GEMA-Gebühren für die Musik. Die Komponisten haben oft unsterbliche Melodien geschaffen, und für jede öffentliche Aufführung fließen Tantiemen. Das sind zwei separate, große Posten, die das finanzielle Grundgerüst bilden. Ohne die geht gar nichts.

2. Zwei Welten auf einer Bühne: Kulissen, Licht und Ton

Die größte technische Nuss bei einer Show wie der kleinen Meerjungfrau ist die glaubhafte Darstellung von zwei komplett verschiedenen Welten: die schwebende, bunte Unterwasserwelt und die feste, schwere Welt an Land. Das Publikum muss den Unterschied sofort spüren.

Was die Kulissen wirklich wiegen

In den Theaterwerkstätten – also in der Schreinerei und Schlosserei – arbeiten hochqualifizierte Handwerker monatelang am Bühnenbild. Eine Korallenlandschaft, die auf der Bühne leicht und filigran aussieht, ist in Wahrheit oft eine schwere Stahlkonstruktion, die mit Holz und Kunststoff verkleidet ist. Jedes Teil muss den strengen Vorschriften der Versammlungsstättenverordnung (VStättVO) entsprechen. Wir berechnen auf den Millimeter genau, wie viel Gewicht die Decke tragen kann und wo die Lasten hängen dürfen.

die bekannte durch Vaiana Schauspielerin, stellt The little Mermaid dar in dem neuen Musical

Moderne Produktionen setzen auf einen Mix aus gebauten Elementen und digitalen Projektionen. Riesige LED-Wände können faszinierende Unterwasserwelten zeigen. Das spart zwar den Bau mancher Kulisse, schafft aber neue Probleme. Die Stromversorgung für so eine Wand ist immens und muss absolut ausfallsicher sein. Ein schwarzer Bildschirm mitten in der Grotte der Heldin? Der absolute Illusionskiller. Als Meister sorge ich dafür, dass wir immer Notstromaggregate und redundante Systeme haben. Nur für den Fall der Fälle.

Allein die Herstellungskosten für Bühnenbild, Drehbühne und die ganze Technik können bei einer kommerziellen Produktion schnell mal eine bis drei Millionen Euro verschlingen. Kein Witz.

Licht, Ton und Spezialeffekte: Die unsichtbaren Künstler

Das Lichtdesign ist bei so einem Stück die halbe Miete. Um das Gefühl von Wasser zu erzeugen, nutzen die Profis sogenannte Gobos (das sind im Grunde Musterschablonen für Scheinwerfer), die Wellenmuster auf den Boden projizieren. Hunderte Scheinwerfer tauchen die Bühne in tiefes Blau. Die Programmierung dieser Lichtstimmungen dauert Wochen. Ach ja, der Stromverbrauch für eine einzige Vorstellung liegt gut und gerne bei 2.000 bis 3.000 Kilowattstunden – das entspricht dem Monatsverbrauch eines Einfamilienhauses und kostet uns mehrere hundert Euro pro Abend. Nur für den Strom.

Queen Latifah spielt die böse Hexe Ursula und das Musical von The Little Mermaid

Der Ton ist eine eigene Wissenschaft. Jeder Hauptdarsteller trägt ein oder zwei winzige Mikrofone, oft in der Perücke versteckt. Die Tontechniker müssen dann den Klang von bis zu 30 Mikrofonen plus Live-Orchester und Effekten perfekt abmischen. Und dann die Spezialeffekte… Bühnennebel, Seifenblasen, Glitzerregen. Jeder Effekt muss sicher sein und darf die Sicht nicht behindern. Das ist ein ständiger Drahtseilakt zwischen „Wow, sieht das geil aus!“ und den knallharten Sicherheitsvorschriften.

3. Die unsichtbare Armee: Die Menschen hinter der Show

Ein Theater ist nichts ohne die Menschen, die es mit Leben füllen. Und das sind viel mehr, als man im Applauslicht sieht.

Klar, da sind die Darsteller und das Live-Orchester. Aber das wahre Herz schlägt hinter der Bühne. Rechnen Sie mal mit: Während einer einzigen Vorstellung sind hier locker 30 bis 50 Leute gleichzeitig im Dauereinsatz. Da haben Sie den Inspizienten, der wie ein Kapitän auf der Brücke alle Einsätze gibt, ein Dutzend Bühnentechniker für die Umbauten, fünf Ankleider für die Blitz-Kostümwechsel, vier Maskenbildner, zwei Requisiteure, die Ton- und Licht-Crew… eine kleine, perfekt geölte Armee.

The Little Mermaid ist ein neues Musical von Disney mit Queen Latifah in der Hauptrolle
What's Hot
babypullover weihnachtsmotiv tannenbäumchen schnee in blau

Baby-Pullover stricken: Dein kompletter Guide für ein perfektes Ergebnis (auch für Anfänger!)

Die Kostümabteilung leistet Schwerstarbeit. Sie stehen in den dunklen Gassen für die „Quick Changes“ bereit, bei denen ein Darsteller in unter 30 Sekunden ein komplettes Kostüm wechseln muss. Das ist Hochleistungssport im Dunkeln. In der Maske dauert die Verwandlung zur Seehexe oder zum Meermann oft Stunden. Und die Requisiteure? Die sorgen dafür, dass jeder Dreizack und jeder funkelnde Schatz zur richtigen Sekunde am richtigen Ort ist.

Kleiner Schwank aus der Praxis: Mir ist mal bei einer Vorstellung der Dreizack des Meereskönigs aus der Hand gerutscht. Er segelte in hohem Bogen von der Bühne und bohrte sich wie ein Speer absolut lautlos in den dicken Teppich des Orchestergrabens. Das Publikum hat nichts gemerkt, aber der Dirigent hat mich angesehen, als wäre ich nicht mehr ganz bei Trost. Solche Dinge passieren, und man lernt, lautlos zu improvisieren.

4. Kostüme, die ein Vermögen kosten

Die Kostüme sind eine besondere Herausforderung. Wie stellt man eine Meerjungfrau dar, die anmutig „schwimmen“ und später auch tanzen können muss? Der Schwanz ist oft eine technische Meisterleistung aus einem leichten Innengestell und Stoffen, die mit Silikon beschichtet sind, um nass zu glänzen. Er muss robust genug für hunderte Shows sein.

Shaggy ist die Überraschung bei der Besetzung von The Little Mermaid Musical

Noch komplexer ist das Kostüm der Seehexe. Die Tentakel müssen sich bewegen lassen, oft durch kleine Motoren oder Puppenspieler. So ein Kostüm kann locker über 20 Kilo wiegen. Und darin muss die Darstellerin noch singen! Dafür braucht man eine unglaubliche Fitness.

Gut zu wissen: Ein einziges, wirklich aufwendiges Hauptkostüm, wie eben für so eine Seehexe, kann in der Herstellung schnell mal 20.000 bis 30.000 Euro kosten. Für EIN Kostüm. Und das muss nach jeder Vorstellung aufwendig gepflegt, desinfiziert und repariert werden.

5. Fliegen und Wasser: Hier hört der Spaß auf

Wenn Darsteller durch die Luft „schwimmen“, hängen sie in einem Flugwerk. Das ist ein System aus Seilen, Motoren und einem speziellen Gurt. Und hier dulde ich als Meister absolut keine Kompromisse. Die Sicherheit der Leute hat oberste Priorität.

Diese Anlagen unterliegen den strengsten Sicherheitsvorschriften, in Deutschland vor allem der DGUV Vorschrift 17/18. Jedes Teil wird regelmäßig vom TÜV geprüft, und vor jeder Show machen wir eine komplette Funktionsprüfung. Ich habe schon mal eine Probe gestoppt, weil sich ein Gurt für die Darstellerin nicht 100% richtig anfühlte. Lieber eine halbe Stunde Verzögerung als ein Unfall.

Echtes Wasser auf der Bühne ist übrigens der Albtraum jedes Technikers. Rutschgefahr, Kurzschlüsse, Materialschäden. Deshalb wird meist darauf verzichtet und stattdessen mit Licht- und Nebeleffekten getrickst.

6. Große Tournee vs. Stadttheater: Zwei völlig verschiedene Welten

Man muss verstehen, dass es nicht die eine Art gibt, ein Musical zu produzieren. Die Herangehensweise einer kommerziellen Bühne in einer Metropole ist fundamental anders als die eines subventionierten Stadttheaters in einer kleineren Stadt.

Die kommerziellen Produktionen laufen oft über Jahre, achtmal pro Woche am selben Ort. Das Theater wird speziell für diese eine Show umgebaut. Die Investitionen in Technik und Bühnenbild sind gigantisch, weil sie sich über tausende Vorstellungen wieder einspielen sollen. Der Fokus liegt auf der perfekten, international vergleichbaren Reproduktion der Show.

Ganz anders am Stadttheater. Dort läuft ein Musical vielleicht 20 oder 30 Mal im Wechsel mit Oper und Schauspiel. Das Budget ist viel kleiner, aber dafür ist die Kreativität in den hauseigenen Werkstätten oft umso größer. Unsere Schreiner und Schlosser sind Meister darin, mit cleveren, oft unkonventionellen Lösungen große Effekte zu zaubern. Hier geht es mehr um eine eigenständige künstlerische Interpretation.

Kurz gesagt, die Unterschiede sind gewaltig: die Laufzeit (Jahre vs. Wochen), das Budget (riesig vs. begrenzt) und der Fokus (perfekte Show-Maschine vs. kreatives Handwerk).

7. Der wahre Preis: Zeit, Energie und Nerven

Am Ende geht es aber nicht nur um Geld. Der wahre Preis einer solchen Produktion lässt sich nicht allein in Euro messen. Von der ersten Idee bis zur Premiere vergeht oft mehr als ein Jahr. Die Proben allein dauern sechs bis acht Wochen, zehn Stunden am Tag. Das ist für alle eine enorme Belastung.

Kleiner Tipp vom alten Hasen: Wenn Sie das nächste Mal im Theater sitzen, achten Sie mal auf die Details. Hören Sie genau hin, wenn eine Figur blitzschnell hinter der Bühne das Kostüm wechselt – oft verrät das leise Geräusch von Klettverschlüssen die ganze Hektik. Oder schauen Sie auf den Boden: Sehen Sie diese feinen, tanzenden Wellenmuster? Das sind Lichtprojektionen, die uns das Wasser nur vorgaukeln. Das sind die kleinen Tricks, die die große Magie erst möglich machen.

Wenn Sie also das nächste Mal im Samtsessel versinken und der Vorhang sich für eine glitzernde Unterwasserwelt öffnet, genießen Sie den Zauber. Aber vielleicht sehen Sie ihn jetzt mit anderen Augen. Sie sehen nicht nur eine Darstellerin, die anmutig schwebt. Sie sehen auch die präzise Arbeit des Technikers am Pult, die Stärke der Stahlseile und die Hingabe von hunderten Menschen, die im Dunkeln für Ihren Applaus arbeiten. Und dieser Applaus, der gilt ihnen allen.

Dagmar Brocken

Dagmar Brocken hat Medienwissenschaft in Bonn absolviert und innerhalb fünf Jahren ist Teil von bekannten deutschen Nachrichtenteams.