Guillotine Cut – die makabre Geschichte vom Pixie Cut mit Locken

von Sabina Karlev
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Nicht viele wissen, was hinter dem kurzen Pixie Cut mit Locken steckt. Der charmante Look hat in Frankreich, wo er tatsächlich entstanden ist, eine ganz makabre Geschichte. Die Rede ist vom Guillotine Cut – der schaurigen Praxis, die Haare vor dem fatalen Moment unter der Guillotine zu schneiden. Mehr zur tatsächlichen Bedeutung des Begriffs „Modeopfer“ im Folgenden.

Guillotine Cut – die makabre Geschichte vom Pixie Cut mit Locken

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Hinter den Kulissen: Das ist die Geschichte der so beliebten lockigen Pixie Frisur

Im Ancien Régime waren weibliche Kurzfrisuren kein Status quo – famose Perücken mit Zierelementen und prächtigen Locken waren symbolische Insignien der gesellschaftlichen Macht der Aristokratie. Das änderte sich aber prompt zur Zeit der Französischen Revolution aus makabren, rein pragmatischen Gründen: Lange, dichte Haare schadeten der Präzision des Fallbeils und sollten deswegen geschoren werden. Schließlich ging es um lockige, struppige Pixies, die Frauen vor der Hinrichtung getragen haben sollen.

Lernen Sie darüber, warum Renaissance Haare ein Revival erleben.

Guillotine Cut – das war der ursprüngliche Name des Pixie Cuts mit Locken

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Enthauptungen waren in Frankreich und dem Rest Europas orchestrierte Spektakel der Staatsgewalt und genau diesem Zweck dienten sie während der Schreckensherrschaft der Revolution. Das Haareschneiden war symbolisch aufgeladen – es sollte die Opfer erniedrigen und entmenschlichen.

Die Frisur der Guillotine – heute eine der meist getragenen Damenfrisuren

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Ganz konkret wurde der Guillotine Cut mit der französischen Königin Marie Antoinette in Verbindung gebracht, deren Haare auf einen nachlässig geschnittenen lockigen Pixie reduziert wurden. Der künftige Pixie kursierte zudem unter dem Namen coiffure à la guillotine in britischen Modekreisen. Mit diesem unglücklichen Haarschopf wurde sie nämlich vor ihrer Exekution von William Hamilton gemalt.

Modelooks der Stunde des Pixies für braune Haare.

Diese Frisur trug Königin Marie Antoinette während ihrer Hinrichtung – Maler William Hamilton (1794)

marie antoinette hinrichtung 1794 william hamilton

Was macht den Guillotine Cut aus?

Die Französische Revolution hatte sich das Hauptziel der Égalité (Gleichberechtigung) gesetzt, aber in Bezug auf die Gleichstellung der Frauen wurde nicht sofort vieles erreicht. Der radikale Wandel in der Haarmode sollte eine Abkehr von den übertriebenen Perücken und Frisuren des Ancien Régime darstellen, aber wurde in jenen turbulenten Zeiten nicht so einfach angenommen.

Wie setzte sich der kurze Pixie Cut mit Locken als Modewahl für Frauen durch?

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Ironischerweise wurde sogar die führende Verfechterin der Frauen- und Menschenrechte während der Revolution, die Girondistin Olympe de Gouges, hingerichtet und trug dabei die kurze coiffure à la victime. Sie ist mit rigorosen feministischen Pamphleten in die Geschichte eingegangen, u. A. mit einem Zitat aus ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (1791), wo sie nämlich sagte „Hat eine Frau das Recht, das Schafott zu besteigen, so sollte sie ebenso das Recht haben, die Rednertribüne zu besteigen.“.

Opferfrisur –  der Guillotine Cut entblößte den Nacken und folgte der Kopfform

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Da man vor der Hinrichtung den morbiden Haarschnitt schnell machen sollte, wirkte er sehr zottelig und unordentlich, mit ganz vielen fransigen bzw. lockigen Strähnen. Die Haarlänge des klassischen Pixie-Schnittes ist am kürzesten immer im Nacken und folgt der Kopfform. Nachdem Frauen die Frisur der Guillotine als bewusste Modewahl zu tragen begonnen hatten, parfümierten sie die Locken und verzierten die Pixies mit Accessoires. Das Deckhaar startete man auch seitlich zu orientieren, was der heutigen Optik sehr ähnlich ist.

Modeopfer: Das steckt hinter dem Pixie Cut mit Locken

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Welche waren die berühmtesten Trägerinnen der Guillotine Cuts außer Marie Antoinette

Der Guillotine Cut (in Form der früheren Mikro-Mode des Tituskopfes) schwang bei einigen einflussreichen Frauen der Zeit mit.

Porträt von Madame Taillen Juan Bernat Duvivier (1806)

portrait of madame tallien jean bernard duvivier cc

Ein Beispiel dafür war Madame Taillen. Auf Porträts sieht man ihre stylischen Locken und arrangierte Dutts in der Optik des Haarschnitts der Guillotine. Madame Taillen, deren gebürtiger Name Thérésia Cabarrus war, spielte eine Schlüsselrolle in der Thermidorianischen Reaktion, die das Ende der Schreckensherrschaft einläutete.

Die Frisur der Guillotine hatte einen zotteligen Look

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Sie nutzte ihren Einfluss, um Jean Lambert Tallien und andere Moderate zu ermutigen, gegen Maximilien Robespierre und die Jakobiner vorzugehen. Ihre Rolle bei der Rettung von Menschen vor der Guillotine brachte ihr den Beinamen „Notre-Dame de Thermidor“ ein. Sie lernte Joséphine de Beauharnais kennen, und beide galten als Paradebeispiele für die griechische Mode der napoleonischen Ära, zu der genau der inszenierte kurze, lockige Guillotine Cut gehörte.

Joséphine de Beauharnais – Porträt von Antoine-Jean Gros (1809)

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Auch Adlige, wie Madame Fouler – Henriette Victoire Elisabeth d’Avrange, sind mit kurzem lockigem Haar porträtiert. Weitere Beispiele sind Suzanne le Peletier und Fanny Biron Gräfin von Kurland, die sich ebenfalls bewusst für den lockigen Pixie entschieden.

Tituskopf bei Frauen in Frankreich

pixie cut in portrevolutionaerem frankreich (circa 1799) cc

Obwohl die Zahl der weiblichen Opfer der Revolution nicht genau bekannt ist, waren unter den nennenswerten Trägerinnen des Pixie Cuts mit Locken unter der Guillotine Charlotte Corday, die Marat ermordet hat, und Madame Roland, eine einflussreiche Figur der Girondisten.

Lange Haare wurden bei Hinrichtungen geschoren: Charlotte Marie Anne Corday ermordert Marat, Paul Baudry (1858)

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Letztere wurde am 8. November 1793 hingerichtet und sagte kurz vor ihrer Enthauptung „Oh Freiheit, welche Verbrechen werden in deinem Namen begangen!“

Fanny Biron Gräfin von Kurland mit kurzen, lockigen Haaren

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 Pixie Cut mit Locken – die Modeevolution

Der kurze, lockige Pixie Cut war auch Bestandteil der sogenannten Opferbälle, welche die Überlebenden aus der Oberschicht veranstalteten. Die Gäste erschienen bei diesen Tanzveranstaltungen mit Haarschnitten der Guillotine, die den Nacken entblößten und verkleideten sich in weißen Roben, die für Hinrichtungen getragen wurden. Gäste von Opferbällen waren meist Aristokraten oder Angehörige des Bürgertums, die nach der Revolution noch lebten, aber Angehörige durch die Guillotine verloren hatten. Im echten Sinne todchic also.

Todchic – die Geschichte der kurzen Damenfrisur „Pixie“

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Sabina Karlev

Sabina Karlev ist dreisprachige Autorin und Journalistin und studierte Medienwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität zu Köln. Als Kommunikationsspezialistin hat sie für kulturelle und wissenschaftliche Institutionen gearbeitet, u. A. für die Max-Planck-Gesellschaft.