Das Geheimnis der Sternkette: Was Moustiers verbirgt

Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich Moustiers-Sainte-Marie zum ersten Mal sah. Nach einer kurvenreichen Fahrt durch die Hügel der Provence tat sich plötzlich diese Felsspalte auf, und darin klebte ein Dorf wie ein Schwalbennest. Es war ein Anblick, der mir den Atem raubte. Was die 695 Einwohner dieses französischen Bergdorfes seit über 850 Jahren über ihre mysteriöse Sternkette bewahren, hat Reisende und Historiker gleichermaßen fasziniert. Moustiers, ein Juwel der Provence, enthüllt seine Geheimnisse nur langsam, und genau das macht seinen Reiz aus.
Die legendäre Sternkette: Ein Rätsel in 135 Metern Höhe
Hoch über den terrakottafarbenen Dächern schwebt er: ein goldener Stern zwischen zwei majestätischen Kalksteinklippen. Ich stand unten und fühlte mich winzig. Der Stern, der aus der Ferne so zart wirkt, ist eine 1,25 Meter große und 150 Kilogramm schwere Konstruktion, die an einer 135 Meter langen Kette hängt. Seit Generationen wacht er über das Dorf, doch seine genaue Herkunft bleibt ein liebevoll gehütetes Geheimnis. Die offizielle Legende, 1885 von Frédéric Mistral formalisiert, erzählt vom Ritter Blacas d’Aulps aus dem 12. Jahrhundert. Nach seiner Befreiung aus sarazenischer Gefangenschaft soll er den Stern aus Dankbarkeit gegenüber der Jungfrau Maria aufgehängt haben. Doch wenn man mit den Einheimischen spricht, hört man hinter vorgehaltener Hand auch andere Versionen – jede Familie scheint ihre eigene kleine Wahrheit zu bewahren.
Moustiers als Tor zu den Naturwundern der Provence

Moustiers-Sainte-Marie liegt nicht nur malerisch zwischen Felsen, sondern auch strategisch perfekt. Es ist das Tor zum Verdon-Naturpark und zum UNESCO-Geopark Haute-Provence. Mein persönlicher Tipp: Verbinden Sie den Besuch von Moustiers mit einer Fahrt entlang der Gorges du Verdon. Starten Sie früh morgens im Dorf, bevor die Touristenbusse gegen 10 Uhr eintreffen, und genießen Sie die Ruhe. Am Nachmittag können Sie dann die berühmte „Route des Crêtes“ fahren, eine Ringstraße mit atemberaubenden Aussichtspunkten auf die Schlucht. Im Frühsommer (Juni bis Mitte Juli) ist ein Abstecher zum nahegelegenen Valensole-Plateau mit seinen endlosen Lavendelfeldern ein absolutes Muss.
Das Geheimnis der Fayence: Eine Kunst, die ihren Preis hat

Moustiers ist bekannt als „cité de la faïence“, die Stadt der Keramik. In den engen Gassen reiht sich eine Werkstatt (Atelier) an die nächste. Die handbemalten Stücke sind wunderschön, mit filigranen Mustern und dem berühmten Vogelmotiv. Ich muss ehrlich sein: Die Preise haben mich anfangs schlucken lassen. Ein handbemalter Teller kann schnell über 100 € kosten. Aber es ist eben echte Handwerkskunst. Ein guter Kompromiss ist ein kleineres Stück, wie eine Seifenschale oder ein „Vide-poche“ (eine kleine Ablageschale), die man oft schon für 30-50 € findet. Viele Werkstätten lassen einen auch bei der Arbeit zusehen – eine faszinierende Erfahrung, die den Preis verständlicher macht.
Der spirituelle Aufstieg: 262 Stufen zur Belohnung
Wer dem Geheimnis der Sternkette näherkommen möchte, muss den Kreuzweg zur Kapelle Notre-Dame-de-Beauvoir erklimmen. 262 Stufen führen den Berg hinauf. Und ich sage Ihnen: Das ist kein Spaziergang, besonders in der Mittagshitze. Tragen Sie unbedingt festes Schuhwerk! Die Steine sind über Jahrhunderte von unzähligen Pilgern spiegelglatt poliert worden. Nehmen Sie eine Flasche Wasser mit. Der Aufstieg dauert etwa 20-30 Minuten und ist anstrengend, aber die Belohnung ist unbezahlbar. Der Blick von oben auf das Dorf, das Adou-Tal und das Valensole-Plateau in der Ferne ist einer der schönsten in der ganzen Provence. Die Kapelle selbst ist oft verschlossen, aber darum geht es nicht. Es geht um den Weg und die Aussicht.
Praktische Tipps für Ihren Besuch
Ankommen und Parken kann in der Hochsaison zur Herausforderung werden. Fahren Sie nicht ins Dorfzentrum, die Gassen sind extrem eng. Nutzen Sie einen der ausgewiesenen Parkplätze am Dorfrand. Die Gebühren sind fair, ich habe letztes Mal etwa 4 € für 3 Stunden bezahlt, was genug Zeit für eine Erkundung ist. Zum Essen empfehle ich, die touristischen Restaurants am Hauptplatz zu meiden. In den Seitengassen finden sich oft authentischere Lokale mit besserem Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein Mittagessen mit Hauptgang und Getränk kostet etwa 20-30 € pro Person. Für den kleinen Hunger zwischendurch ist ein Crêpe mit Lavendelhonig (ca. 7 €) ein lokaler Genuss, den Sie nicht verpassen sollten.
Die beste Zeit, Moustiers zu entdecken
Während der Hochsommer im Juli und August sehr voll und heiß werden kann, sind der späte Frühling und der frühe Herbst ideal. Im Mai und Juni blüht die Natur, und die Temperaturen sind angenehm. Mein persönlicher Favorit ist jedoch der September. Die größte Hitze ist vorbei, die Touristenmassen sind kleiner, und das Licht der Herbstsonne taucht die Felsen und das Dorf in ein magisches, goldenes Licht. Man spürt eine Ruhe, die im Sommer oft verloren geht. In dieser Zeit teilen die Einheimischen ihre Geschichten noch lieber, stolz auf ihre Traditionen und das Erbe, das sie so sorgsam hüten.
Moustiers-Sainte-Marie ist der Beweis, dass wahre Magie nicht in überfüllten Hotspots zu finden ist, sondern in den sorgsam bewahrten Geheimnissen kleiner Dörfer. Hier, zwischen den Felsen der Provence, wartet eine Welt darauf, entdeckt zu werden – eine Welt, in der Legenden lebendig sind und ein goldener Stern am Himmel von Hoffnung und Beständigkeit erzählt.