41m tief: Das Geheimnis des versunkenen Dorfs in der Lausitz

von Amandine Hach
41m tief das geheimnis des versunkenen dorfs in der lausitz

Man steht am Ufer des Partwitzer Sees, blickt auf das glitzernde Wasser und kann es kaum glauben: Unter dieser ruhigen Oberfläche liegt ein ganzes Dorf begraben. Als ich das erste Mal hier war, an einem klaren Herbsttag, hatte dieser Gedanke etwas Gespenstisches und zugleich unglaublich Faszinierendes. Der Partwitzer See im Lausitzer Seenland ist nicht nur ein Paradies für Wassersportler, sondern auch ein Ort, der eine dramatische Geschichte von Wandel und Verlust erzählt – die Geschichte des Dorfes Scado.

Das Geheimnis, das auf dem Grund des Sees ruht

Mit einer beeindruckenden Tiefe von bis zu 41 Metern ist der See eines der tiefsten künstlichen Gewässer Ostdeutschlands. Doch diese Tiefe ist kein Zufall. Sie ist das direkte Erbe des Braunkohletagebaus Koschen. Jahrzehntelang gruben sich hier riesige Bagger in die Erde. In den 1960er Jahren musste das Dorf Scado weichen. Anders als bei manchen Legenden von versunkenen Kirchen, deren Glocken man angeblich noch hören kann, wurde hier alles dem Erdboden gleichgemacht, bevor die Flutung begann. Die Vorstellung, dass unter den Booten und Schwimmern die Grundmauern eines früheren Lebens liegen, ist trotzdem überwältigend.

Geologen erklären, dass sich nach dem Ende des Bergbaus das riesige Loch langsam mit Grundwasser füllte. Dieser Prozess schuf nicht nur den See, sondern auch eine einzigartige Wasserqualität. Mineralien aus den freigelegten Erdschichten wirken wie ein natürlicher Filter und sorgen für eine erstaunliche Klarheit des Wassers. An sonnigen Tagen konnte ich vom Steg aus mehrere Meter tief blicken – ein beeindruckender Anblick.

Warum der Herbst die beste Reisezeit ist – mein persönlicher Tipp

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Während im Sommer die Strände gut gefüllt sind, habe ich den Partwitzer See im Spätsommer und Frühherbst von seiner schönsten Seite erlebt. Die Touristenmassen sind verschwunden, die Luft ist kristallklar und die umliegenden Kiefernwälder und Heidelandschaften leuchten in warmen Farben. Das ist der Moment, in dem man die Weite und Ruhe dieser Landschaft wirklich spürt. Die etwa 180 Einwohner des angrenzenden Örtchens Klein Partwitz wissen das schon lange.

Mein absolutes Highlight ist der 21 Kilometer lange, asphaltierte Rundweg um den See. Er ist fast autofrei und perfekt für eine Radtour oder eine Runde mit Inlinern. Ich habe mir direkt am Hafen in Klein Partwitz ein E-Bike geliehen – rechnen Sie hier mit etwa 25-30 € für einen ganzen Tag. Die Investition lohnt sich, denn so kann man die Strecke entspannt genießen und immer wieder anhalten. Es gibt offizielle Badestellen, aber auch viele kleine, versteckte Sandbuchten, die man über schmale Pfade erreicht. Hier findet man absolute Stille und perfekte Fotomotive.

Praktische Tipps für Ihren Besuch am Partwitzer See

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Eine Radtour macht hungrig. Ein toller Stopp auf halber Strecke ist das Hafencamp am Südufer. Dort gibt es einen Imbiss mit einfachen, aber leckeren Gerichten. Ich habe für ein kühles Radler und ein Matjesbrötchen mit Blick auf den Hafen keine 10 € bezahlt – ein perfekter Moment. Wer es etwas gehobener mag, findet im Restaurant „Leuchtturm“ am Geierswalder See (der direkt verbunden ist) eine gute Alternative mit fantastischer Aussicht.

Neben dem Radfahren ist der See natürlich ein Wassersport-Mekka. Man kann sich fast alles leihen, von Stand-Up-Paddle-Boards (ca. 12-15 € pro Stunde) bis hin zu kleinen Motorbooten, für die man keinen Führerschein braucht. Ich persönlich finde eine Kajaktour am frühen Morgen am schönsten, wenn der Nebel noch über dem Wasser hängt und alles still ist.

Innovative Architektur trifft auf raue Natur

Was den Partwitzer See von vielen anderen Seen unterscheidet, ist die mutige, moderne Architektur direkt am Wasser. Schon von Weitem sieht man die schwimmenden Ferienhäuser. Sie sind ein echtes Statement und zeigen, wie hier Zukunft gestaltet wird. Eine Übernachtung dort ist ein einmaliges Erlebnis, aber auch nicht ganz günstig. In der Nebensaison beginnen die Preise oft bei 200 € pro Nacht und die Häuser sind Monate im Voraus ausgebucht. Eine gute und preiswertere Alternative ist das bereits erwähnte Hafencamp, das neben Stellplätzen auch kleine Holzhütten anbietet.

Die Vision für die Region ist beeindruckend: Bis 2026 soll der Partwitzer See Teil eines schiffbaren Verbundes von fünf Seen sein. Man wird dann mit dem Boot von See zu See fahren können, eine Wasserfläche von über 4.000 Hektar erkunden. Dieser Wandel von einer Industrienarbe zu einer der modernsten Wasserlandschaften Europas ist das, was mich an der Lausitz so fasziniert.

Ein Blick in die Zukunft des Seentourismus

Der Partwitzer See ist mehr als nur ein Badesee. Er ist ein lebendiges Beispiel für gelungenen Strukturwandel. Wo einst Lärm und Staub herrschten, findet man heute Ruhe und Natur. Die Kombination aus der rauen Schönheit der ehemaligen Tagebaulandschaft, den modernen Wassersportmöglichkeiten und der ständigen Erinnerung an die versunkene Geschichte macht diesen Ort einzigartig. Wenn Sie also das nächste Mal auf der Suche nach einem besonderen Ausflugsziel in Deutschland sind, das mehr zu bieten hat als nur eine schöne Aussicht, dann kann ich Ihnen eine Reise in die Lausitz nur wärmstens empfehlen. Es ist eine Reise in die Vergangenheit und in die Zukunft zugleich.

Amandine Hach

Als Französin in Berlin verbindet Amandine Hach das Beste aus zwei Welten und teilt ihre Entdeckungen auf ihrem Blog „Les Berlinettes“. Mit einem besonderen Fokus auf das Reisen mit Kindern inspiriert sie Familien dazu, die Welt gemeinsam zu erkunden – sei es die eigene Nachbarschaft in der Hauptstadt oder ferne Ziele. Amandine zeigt auf authentische und stilvolle Weise, wie man Abenteuerlust und Familienalltag wunderbar miteinander vereinen kann, und gibt wertvolle Tipps für unvergessliche Erlebnisse mit den Kleinsten.