Dieser Dom bewacht einen Wald größer als Berlins Grunewald

von Brittany Alaine Koehler
dieser dom bewacht einen wald gryyer als berlins grunewald

Als jemand, der in Berlin lebt und ständig nach neuen Ausflugszielen im Umland sucht, dachte ich, ich hätte schon alles gesehen. Den Spreewald, Potsdam, die Seenplatten – alles bekannte Klassiker. Doch dann stieß ich auf Fürstenwalde/Spree, und ich muss ehrlich zugeben: Diese Stadt hat mich komplett überrascht. Nur 60 Kilometer östlich von Berlin, erreichbar in unter einer Stunde mit dem RE1, verbirgt sich hier ein Ort, der eine faszinierende Mischung aus Geschichte, Natur und unaufgeregtem Charme bietet.

Das erste, was mir bei meiner Recherche auffiel, war eine unglaubliche Zahl: Die Stadt besitzt ein Waldgebiet von 4.500 Hektar. Um das in Perspektive zu setzen: Das ist deutlich mehr als der berühmte Berliner Grunewald mit seinen rund 3.000 Hektar. Eine Stadt mit gerade einmal 32.000 Einwohnern, die über einen so riesigen, eigenen Forst wacht – das hat mich neugierig gemacht.

Anreise: Schneller raus aus Berlin als gedacht

Die Anreise ist einer der größten Pluspunkte. Statt im Stau zu stehen, bin ich einfach am Ostkreuz in den RE1 gestiegen. Mit dem Deutschland-Ticket ist die Fahrt quasi kostenlos, und man ist in etwa 45 Minuten da. Vom Bahnhof in Fürstenwalde ist man dann in 10 bis 15 Minuten zu Fuß direkt im historischen Zentrum. Einfacher und entspannter geht es kaum. Das ist für mich der Inbegriff eines perfekten Tagesausflugs: wenig Aufwand, maximales Erlebnis.

Das Herz der Stadt: Der Dom St. Marien

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Mitten in der Altstadt erhebt sich der Dom St. Marien. Schon von Weitem prägt sein 68 Meter hoher Turm die Silhouette. Als ich davor stand, war ich wirklich beeindruckt. Man erwartet in einer brandenburgischen Mittelstadt nicht unbedingt ein solch monumentales gotisches Bauwerk aus dem 15. Jahrhundert. Der Backstein leuchtet je nach Sonnenstand in den unterschiedlichsten Rottönen, und man spürt sofort die reiche Geschichte des Ortes.

Ich habe die paar Euro für die Turmbesteigung investiert und es keine Sekunde bereut. Der Aufstieg ist etwas windig, aber der Ausblick über die Stadt, die Spree und die endlosen Wälder am Horizont ist die kleine Anstrengung absolut wert. Von hier oben versteht man erst wirklich, wie grün Fürstenwalde ist. Im Inneren des Doms war ich besonders vom 12 Meter hohen Sakramentshaus von 1517 fasziniert. Diese filigrane Steinmetzarbeit hat Kriege und Jahrhunderte überdauert – ein stilles Zeugnis von Kunstfertigkeit und Beständigkeit.

Der wahre Schatz: Wandern im Stadtforst

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Doch der eigentliche Grund meines Besuchs war der Wald. Und er hat meine Erwartungen übertroffen. Die Stadt wirbt mit einem 260 Kilometer langen Wegenetz, und das ist keine Übertreibung. Anders als im oft überlaufenen Grunewald findet man hier schnell absolute Ruhe. Ich bin einfach vom Dom aus Richtung Süden zur Spree gelaufen und war nach wenigen Minuten im Grünen.

Mein Tipp: Folgen Sie dem Wanderweg entlang der Spree. Die Pfade sind gut ausgeschildert, mal breiter, mal schmaler, und führen durch einen wunderschönen Mischwald. Besonders im Herbst, wenn das Laub in allen Gold- und Rottönen leuchtet, ist die Atmosphäre magisch. Ich habe mir eine Thermoskanne mit Kaffee und ein belegtes Brot mitgenommen und an einer einsamen Bank direkt am Wasser eine Pause gemacht. Nur das Plätschern des Flusses und das Rascheln der Blätter im Wind. Das ist eine Entschleunigung, die man in Berlin lange suchen muss.

Ehrliche Küche und lokale Tipps

Nach einer langen Wanderung meldet sich natürlich der Hunger. In Fürstenwalde gibt es keine Hipster-Cafés oder Gourmet-Tempel, und das ist auch gut so. Hier findet man ehrliche, bodenständige Gastronomie. Ich bin im „Ratskeller“ direkt am Domplatz eingekehrt. Das Ambiente ist traditionell, die Portionen sind großzügig und die Preise fair. Für ein deftiges Brandenburger Hauptgericht zahlt man hier zwischen 15 und 20 Euro – und es schmeckt wie bei Oma.

Ein weiterer Tipp, den mir ein Einheimischer gab: Ein Besuch im kleinen Heimattiergarten. Besonders für Familien ist das ein schönes Ziel. Es ist kein riesiger Zoo, sondern ein liebevoll geführter Park mit heimischen Tieren. Perfekt für einen entspannten Nachmittag.

Wer mit dem Auto oder Rad unterwegs ist, sollte den kurzen Abstecher zum Scharmützelsee (ca. 20 Minuten) nicht scheuen. Während Bad Saarow am Ufer als schicker Kurort bekannt ist, bietet Fürstenwalde den perfekten, bodenständigen Gegenpol. Man kann also Kultur und Natur in Fürstenwalde mit dem mondänen Flair am „Märkischen Meer“ verbinden.

Lohnt sich der Ausflug nach Fürstenwalde?

Für wen ist Fürstenwalde also das richtige Ziel? Es ist der perfekte Ort für alle, die dem Großstadttrubel entfliehen wollen, ohne eine Weltreise zu unternehmen. Für Naturliebhaber, die stundenlang ungestört wandern möchten. Und für Geschichtsfans, die ein Stück authentisches Brandenburg entdecken wollen. Erwarten Sie keine touristische Sensation, sondern einen Ort, der seine Reize langsam und unaufdringlich entfaltet.

Fürstenwalde ist eine Erinnerung daran, dass die besten Entdeckungen oft direkt vor der eigenen Haustür liegen. Es ist die perfekte, unaufgeregte Alternative zu den bekannten Berliner Ausflugszielen und für mich ein echter Geheimtipp geblieben, der beweist, dass man nicht weit fahren muss, um abzuschalten und etwas Neues zu erleben.

Brittany Alaine Koehler

Brittany Koehler ist eine amerikanische Autorin und Bloggerin, die in Norddeutschland lebt. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Themen „Slow Living“, kulturelle Eingewöhnung und die persönlichen Veränderungen, die das Leben im Ausland mit sich bringt.