Dieser Feigenbaum braucht 200 Stützen zum Überleben

von Katrin Schubert
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Auf den ersten Blick wirkt er wie ein riesiges, lebendiges Zelt, das sich über den Boden spannt. Doch was auf der Mittelmeerinsel Formentera wächst, ist kein Zelt, sondern ein einziger Baum: der größte Feigenbaum der Welt. Seine Krone, die sich über beeindruckende 350 Quadratmeter erstreckt, wird von rund 200 Holzpfählen gestützt. Ein faszinierendes Beispiel dafür, wie Mensch und Natur eine perfekte Symbiose eingehen können.

Ein Baum-Gigant aus Notwendigkeit

Der Baum, bekannt als „Na Blanca d’en Mestre“, ist eine gewöhnliche Feige (Ficus carica), wie sie auch in unseren Gärten wachsen könnte. Seine außergewöhnliche Form ist jedoch kein Zufall. Vor über 100 Jahren begannen Bauern, seine Äste gezielt zu stützen und horizontal zu leiten. Diese traditionelle Methode, „Estal“ genannt, hatte handfeste Vorteile: Sie erleichterte die Ernte der süßen Früchte und schützte den Baum vor den salzigen, starken Winden der Insel.

Statt in die Höhe zu schießen, wuchs der Baum in die Breite. Der Hauptstamm ist nur etwa 1,30 Meter hoch, doch sein Blätterdach ist gigantisch. Die Holzstützen aus Kiefer oder Wacholder tragen das enorme Gewicht der Äste und schaffen eine schattige Oase, die an eine Säulenhalle erinnert. Dieses beeindruckende Exemplar zeigt, wie eine alte Gärtnertechnik ein Naturwunder schaffen kann – und die Prinzipien dahinter sind auch für uns in Deutschland Gold wert.

Die „Estal“-Technik für den deutschen Garten

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Die Idee, einen Feigenbaum flach und breit zu erziehen, ist nicht nur auf Formentera genial. Auch in unserem Klima bietet diese Methode entscheidende Vorteile, die oft über eine reiche Ernte oder das Überleben des Baumes im Winter entscheiden.

Die Vorteile für Ihr Zuhause:

  • Maximaler Ertrag: Die Früchte reifen an den jungen Trieben. Durch den horizontalen Wuchs wird die Bildung von fruchttragendem Holz stark angeregt.
  • Einfacher Winterschutz: Ein flacher Baum lässt sich in kalten Regionen Deutschlands (z. B. im Osten oder in Höhenlagen) viel leichter mit Vlies oder Reisig abdecken als ein hoher Baum.
  • Wärme von der Hauswand: An einer sonnigen Südwand erzogen, profitiert die Feige von der gespeicherten Wärme, was die Fruchtreife fördert und vor Spätfrost schützt.
  • Bequeme Ernte: Kein gefährliches Klettern auf Leitern. Alle Früchte sind bequem vom Boden aus erreichbar.
  • Natürlicher Sonnenschirm: Über einer Terrasse oder einem Sitzplatz gezogen, wird die Feige zum lebenden, fruchttragenden Sonnendach.

So ziehen Sie Ihre eigene Feige nach diesem Vorbild

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Sie müssen keine 200 Stützen einplanen, aber das Grundprinzip lässt sich wunderbar im Kleinen umsetzen. Mit etwas Geduld können Sie in 3 bis 5 Jahren bereits eine eindrucksvolle Struktur schaffen.

Schritt-für-Schritt-Anleitung:

  1. Die richtige Sorte wählen: Nicht jede Feige ist für Deutschland geeignet. Greifen Sie zu frostharten Sorten wie ‚Brown Turkey‘ (oft als ‚Blaue Pfälzer‘ verkauft), der bewährten ‚Violetta‘ (Bayerische Feige) oder der robusten Sorte ‚Perretta‘. Eine junge Pflanze kostet im Gartencenter etwa 20-40 €.
  2. Standort und Vorbereitung: Wählen Sie den wärmsten, sonnigsten Platz im Garten – idealerweise vor einer nach Süden ausgerichteten Mauer. Spannen Sie dort stabile Drähte im Abstand von ca. 40 cm oder errichten Sie ein einfaches Holzspalier.
  3. Pflanzung und erster Schnitt: Pflanzen Sie die Feige im Frühjahr nach dem letzten Frost. Kürzen Sie den Haupttrieb auf etwa 50-60 cm Höhe, um die Verzweigung anzuregen.
  4. Leiten und Binden: Wählen Sie im Laufe des Sommers 2-4 kräftige Seitentriebe aus und binden Sie diese vorsichtig an den unteren Spanndrähten oder am Spalier fest. Nutzen Sie dazu weiches Bindematerial, um die Rinde nicht zu verletzen. Alle anderen Triebe entfernen Sie.
  5. Geduld und Pflege: Führen Sie diesen Prozess in den folgenden Jahren fort, indem Sie neue Triebe an den oberen Drähten befestigen. Schneiden Sie im Frühjahr immer die Triebe zurück, die im Vorjahr Früchte getragen haben, um die Pflanze zu verjüngen.

Die Geschichte des Feigenbaums von Formentera ist mehr als nur eine Reiseanekdote. Sie ist eine Inspiration und der Beweis, dass traditionelles Gärtnerwissen uns dabei helfen kann, auch in unserem eigenen Garten beeindruckende und ertragreiche Pflanzen zu kultivieren.

Katrin Schubert

Mit rund 80.000 Followern begeistert Katrin Schubert ihre Community mit ehrlichen, praxisnahen Tipps und einem humorvollen Blick aufs Gärtnern. Als Gewinnerin des Goldenen Spaten für Garten-Influencer ist sie eine authentische Stimme, die echtes Gartengefühl vermittelt. Ihr Herz schlägt besonders für die Vielfalt von Tomaten. In ihrem Garten in der Nähe von Potsdam kultiviert sie mit großer Hingabe über 40 verschiedene Sorten und probiert gerne neue und seltene Züchtungen aus. Ihr Wissen über Anbau, Pflege und die faszinierende Welt alter und seltener Gemüsesorten teilt sie begeistert mit anderen Gartenfreunden.