Vördens Geheimnis: Fachwerkdorf trifft Hightech-Zentrum

von Amandine Hach
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Als ich das erste Mal von der Autobahn A1 bei Neuenkirchen-Vörden abfuhr, erwartete ich ehrlich gesagt nicht viel. Einen Rasthof, vielleicht ein typisches Gewerbegebiet. Was ich fand, hat mich jedoch nachhaltig überrascht und ist der Grund, warum ich diesen Ort jedem empfehle, der das authentische Deutschland abseits der ausgetretenen Pfade sucht. Denn was sich hinter den pittoresken Fachwerkhäusern von Vörden verbirgt, lässt selbst erfahrene Reisende staunen. Mit gerade einmal 8.858 Einwohnern bewahrt diese Gemeinde im Oldenburger Münsterland ein faszinierendes Geheimnis: den extremen Kontrast zwischen uralter Geschichte und globalisierter Zukunft.

Ein Dorf, zwei Welten: Zeitreise auf wenigen Kilometern

Vördens Ortskern ist eine Zeitkapsel. Wenn man sein Auto am besten direkt am Kirchplatz abstellt (hier findet man fast immer einen kostenlosen Parkplatz) und durch die Gassen schlendert, fühlt man sich ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser säumen die Straßen, allen voran das imposante Ackerbürgerhaus aus dem Jahr 1843. Die Stille ist fast greifbar, unterbrochen nur vom Läuten der St. Viktor Kirche. Es ist ein Ort, der eine unglaubliche Ruhe ausstrahlt.

Doch nur wenige Kilometer entfernt offenbart sich die zweite, völlig andere Welt Vördens. Setzt man sich wieder ins Auto und fährt fünf Minuten Richtung Autobahn, steht man mitten im Niedersachsenpark. Riesige, hochmoderne Logistikzentren von internationalen Giganten wie Adidas oder Grimme Landmaschinen prägen das Bild. Dieser abrupte Wechsel von stiller Dorfidylle zu pulsierendem Wirtschaftsmotor ist ein Kulturschock im besten Sinne. Er macht Vörden zu einem einzigartigen Reiseziel, das zeigt, wie Tradition und Innovation in Deutschland Hand in Hand gehen können.

Verborgene Schätze: Moorlandschaften und schwedische Spuren

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Wer glaubt, Vörden sei nur ein weiteres idyllisches Dorf, irrt. Die Geschichte ist hier allgegenwärtig. Im Ortskern finden sich noch unscheinbare Überreste der „alten Burg Vörden“, die von einer bewegten Vergangenheit zeugen. Es lohnt sich, die Infotafeln am „Gogerichtsplatz“ zu lesen – ein kurzer Stopp von 15 Minuten, der die schwedische Geschichte des Ortes lebendig werden lässt.

Mein persönliches Highlight für Naturliebhaber ist jedoch das Campemoor am Rande der Gemeinde. Hier führen Bohlenwege durch eine faszinierende, fast mystische Moorlandschaft. Mein absoluter Tipp: Besuchen Sie das Moor am späten Nachmittag, wenn das goldene Licht die Landschaft verzaubert und die Stille unglaublich intensiv wird. Der beste Startpunkt für eine Wanderung ist der Parkplatz am Moor-Erlebnispfad. Der Zugang ist komplett kostenlos. Tragen Sie aber unbedingt festes Schuhwerk, denn auch wenn die Wege gut sind, kann es an den Rändern feucht sein. Während die Heide im Spätsommer (August/September) lila blüht, hat das Moor auch im nebligen Herbst oder im Frühling mit dem weißen Wollgras eine ganz besondere Atmosphäre.

Kultur und Kulinarik: Wo die Einheimischen hingehen

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Vörden überrascht auch kulturell. Der Kulturbahnhof in Neuenkirchen ist so ein Ort, den man hier nicht erwarten würde. In dem ehemaligen Bahnhofsgebäude finden regelmäßig Ausstellungen, Konzerte und Theateraufführungen statt. Ich hatte das Glück, eine kleine, aber feine Kunstausstellung lokaler Künstler für nur 5 € Eintritt zu sehen. Es lohnt sich, vorab online einen Blick ins Programm zu werfen.

Wirklich unvergesslich sind die Nachtwächtertouren des Heimatvereins. Diese Touren sind extrem beliebt und finden nicht jeden Tag statt – buchen Sie unbedingt im Voraus! Für etwa 8 € pro Person wird man vom Nachtwächter mit Laterne und Hellebarde durch die dunklen Gassen geführt. Er erzählt Anekdoten und Geschichten, die in keinem Reiseführer stehen und die Geschichte des Ortes auf eine Weise lebendig machen, die Gänsehaut erzeugt.

Mein Tipp für eine Stärkung

Nach all den Eindrücken meldet sich irgendwann der Hunger. Statt im nächsten Rasthof zu halten, sollten Sie unbedingt in Vörden einkehren. Ein Ort, den mir Einheimische empfohlen haben und der mich nicht enttäuscht hat, ist das Hotel-Restaurant Krogmann. Hier gibt es ehrliche, gutbürgerliche Küche in gemütlicher Atmosphäre. Ich hatte ein fantastisches Schnitzel für rund 18 €, das jeden Cent wert war. Für Kaffee und selbstgemachten Kuchen ist das kleine Café direkt am Marktplatz eine wunderbare Wahl.

Mehr als nur ein Zwischenstopp auf der A1

Der Niedersachsenpark ist Vördens wirtschaftliches Herz. Auf über 400 Hektar haben sich hier 60 Unternehmen angesiedelt und Tausende Arbeitsplätze geschaffen. Die Einheimischen sind sichtlich stolz darauf, dass ihr kleines Dorf eine so bedeutende wirtschaftliche Rolle spielt, ohne dabei seinen historischen Charme zu verlieren. Ähnlich wie Hitzacker an der Elbe hat es Vörden geschafft, seine Identität zu bewahren und gleichzeitig mutig in die Zukunft zu blicken.

Wenn Sie also das nächste Mal auf der A1 zwischen Bremen und Osnabrück unterwegs sind, fahren Sie nicht achtlos vorbei. Nehmen Sie sich eine Stunde – oder besser noch einen halben Tag – Zeit für Vörden. Planen Sie etwa 3-4 Stunden für einen perfekten ersten Eindruck: Ein Spaziergang durch den Ortskern, eine kleine Wanderung im Moor und ein gemütliches Mittagessen. Es ist diese Art von unerwarteter Entdeckung, die das Reisen in der eigenen Heimat so besonders macht. Ein Ort voller Überraschungen, den die Einheimischen liebevoll hüten und der für Entdecker ein echter Geheimtipp ist.

Amandine Hach

Als Französin in Berlin verbindet Amandine Hach das Beste aus zwei Welten und teilt ihre Entdeckungen auf ihrem Blog „Les Berlinettes“. Mit einem besonderen Fokus auf das Reisen mit Kindern inspiriert sie Familien dazu, die Welt gemeinsam zu erkunden – sei es die eigene Nachbarschaft in der Hauptstadt oder ferne Ziele. Amandine zeigt auf authentische und stilvolle Weise, wie man Abenteuerlust und Familienalltag wunderbar miteinander vereinen kann, und gibt wertvolle Tipps für unvergessliche Erlebnisse mit den Kleinsten.