Fund in Ägypten: Neues Licht auf Christentums Anfänge

von Katrin Schubert
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In der schier endlosen Weite der westlichen Wüste Ägyptens, wo der Sand die meisten Spuren der Geschichte zu verschlingen droht, haben Archäologen eine Entdeckung gemacht, die das Potenzial hat, unser Verständnis der frühen christlichen Welt neu zu justieren. Die freigelegten Überreste einer kompletten koptischen Stadt in der Oase Harja sind mehr als nur alte Steine – sie sind ein Fenster in eine Zeit des Umbruchs, des Glaubens und der Verfolgung.

Das ägyptische Ministerium für Tourismus und Altertümer bestätigte den Fund nahe Ain al-Harb, der auf eine bemerkenswert lange Besiedlungszeit vom 3. bis ins 7. Jahrhundert datiert wird. Diese Epoche war keine statische. Sie umspannt die letzten großen Christenverfolgungen unter dem römischen Kaiser Diokletian, die konstantinische Wende, die das Christentum zur tolerierten und später zur Staatsreligion machte, bis hin zur islamischen Eroberung Ägyptens. Diese Stadt hat all das miterlebt.

Ein lebendiges Zentrum des Glaubens im Wüstensand

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Die Ausgrabungen, geleitet vom Obersten Rat für Altertümer Ägyptens (SCA), brachten eine Siedlungsstruktur zutage, die von einem pulsierenden Leben zeugt. Reihen von Lehmziegelhäusern, Gräber und – als spirituelle Zentren – zwei Kirchen wurden freigelegt. Eine der Kirchen, erbaut im Basilika-Stil mit einer zentralen Halle und Seitenschiffen, deutet auf eine organisierte und wachsende Gemeinde hin. Mohamed Ismail Khaled, Generalsekretär der SCA, betont die Bedeutung des Ortes: „Die Funde bestätigen die Wichtigkeit der Oase Harja als religiöses und soziales Zentrum in verschiedenen historischen Epochen, insbesondere zu Beginn der koptischen Ära.“

Besonders aufschlussreich ist der Fund eines Freskos, das Jesus Christus bei der Heilung von Kranken darstellt. Solche Kunstwerke sind seltene und unschätzbar wertvolle Zeugnisse der frühen christlichen Ikonographie. Sie verraten nicht nur, welche biblischen Geschichten den Menschen am wichtigsten waren, sondern auch, wie sie ihren Glauben in einer oft feindlichen Umwelt visuell zum Ausdruck brachten. Die Oasen der westlichen Wüste galten oft als Zufluchtsorte, weit entfernt von der direkten Kontrolle der römischen Verwaltung im Niltal.

Sharif Fathi, der Minister für Tourismus und Altertümer, sieht in der Entdeckung auch eine moderne Botschaft: „Diese Entdeckung vertieft unser Wissen über das frühe Christentum in Ägypten und unterstreicht die tief in unserem Erbe verwurzelten Werte der Toleranz.“ Diese Aussage hat in der heutigen Zeit besonderes Gewicht. Die ägyptische Regierung bemüht sich aktiv darum, das koptische Erbe als integralen Bestandteil der nationalen Identität zu präsentieren – ein Narrativ, das sowohl für den Tourismus als auch für den inneren gesellschaftlichen Zusammenhalt von strategischer Bedeutung ist.

Das Erbe der Kopten: Von der Antike bis zur Gegenwart

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Die direkten Nachfahren dieser frühen Christen sind die heutigen Kopten. Sie stellen mit rund 10 % der Bevölkerung die größte christliche Gemeinschaft im Nahen Osten dar. Ihre Geschichte ist eine Geschichte der Resilienz. Die koptisch-orthodoxe Kirche von Alexandria, eine der ältesten Kirchen der Welt, ist ihr Zentrum. Funde wie die in Harja sind für sie nicht nur von archäologischem, sondern von tiefem spirituellem Wert – sie sind der greifbare Beweis für die jahrtausendealten Wurzeln ihres Glaubens auf ägyptischem Boden.

Diese Wurzeln haben jedoch auch Verfolgung und Gewalt erlebt. Nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi im Jahr 2013 wurden Dutzende Kirchen und christliche Einrichtungen von Islamisten angegriffen. Die Situation hat sich unter der aktuellen Regierung verbessert, die die Restaurierung historischer Kirchen fördert und das koptische Erbe als Teil des gesamtägyptischen Kulturerbes feiert. Die Ausgrabungen in der Oase Harja passen perfekt in diese politische Landschaft.

Der Ägyptologe Stephen Harvey hebt einen weiteren entscheidenden Aspekt hervor. „Die jüngste Entdeckung ist bedeutend, da sie frühe Zeugnisse für das Leben der Kopten außerhalb des Niltals liefert“, erklärte er gegenüber „The Art Newspaper“. Dies widerlegt die Vorstellung, das frühe Christentum sei ausschließlich ein Phänomen der großen urbanen Zentren wie Alexandria gewesen. Stattdessen zeigt sich ein Netzwerk von tief im Land verwurzelten Gemeinden, die ihren Glauben auch unter den rauen Bedingungen der Wüste lebten und gestalteten.

Dieses neue Interesse an koptischen Stätten führt zu erstaunlichen Ergebnissen, wie Harvey am Beispiel des Roten Klosters in Sohag erläutert. Lange Zeit falsch datiert, enthüllten jüngste Forschungen ein viel früheres Baualter und eine erstaunliche künstlerische Qualität. Ähnliches erhoffen sich Forscher nun von der Stadt in der Wüste. Die Analyse der Architektur, der Keramik und vor allem der Kunstwerke wird neue Einblicke in den Alltag, die Handelsbeziehungen und die Theologie dieser frühen Christen ermöglichen. Es ist eine seltene Gelegenheit, eine Gemeinschaft zu studieren, die den Übergang vom Heidentum zum Christentum in einer der Kernregionen der neuen Religion aktiv mitgestaltet hat.

Katrin Schubert

Mit rund 80.000 Followern begeistert Katrin Schubert ihre Community mit ehrlichen, praxisnahen Tipps und einem humorvollen Blick aufs Gärtnern. Als Gewinnerin des Goldenen Spaten für Garten-Influencer ist sie eine authentische Stimme, die echtes Gartengefühl vermittelt. Ihr Herz schlägt besonders für die Vielfalt von Tomaten. In ihrem Garten in der Nähe von Potsdam kultiviert sie mit großer Hingabe über 40 verschiedene Sorten und probiert gerne neue und seltene Züchtungen aus. Ihr Wissen über Anbau, Pflege und die faszinierende Welt alter und seltener Gemüsesorten teilt sie begeistert mit anderen Gartenfreunden.